M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier Französische Affäre

Von Micky Beisenherz
Micky Beisenherz
© Dieter Braun/stern
Es gibt Länder, in die man immer wieder gern reist. In denen man einfach schöne Tage hat. Und dann gibt es die anderen – die Sehnsuchtsziele.

Sie kennen sicher diese Szenen, wenn Schauspieler in Hollywoodfilmen erstmals zu Giganten aufschauen. So wie Sam Neill beim Primärkontakt mit Dinosauriern in "Jurassic Park". Oder Jean Reno in "Godzilla". Ähnlich muss ich kürzlich ausgesehen haben beim Anblick des Eiffelturms.

Bei meiner Fahrt durch Paris suchte ich gerade im Navi dieses kleine Café, als ich kurz arglos hochschaute und sich dieses monumentale Gebäude hinter einer Hausfassade vor mir aufbaute. Wie der Fuß eines Giganten, der sich mit seiner gesamten Wucht in den Asphalt rammt. Ergriffenheit. Ich meine, ich kannte das legendäre Bauwerk nur von Fotos, und nun ist die riesige Giraffe aus Stahl direkt neben mir. Wäre ich emotional nicht so verkümmert, ich hätte glatt geweint.

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.

Ich war noch niemals in Paris (in New York dagegen schon mehrmals) und frage mich, was ich mir die vergangenen 44 Jahre dabei gedacht habe, diese wunderbare Stadt nicht zu bereisen. Ich muss verrückt gewesen sein.

Paris. Zwischenhoch der Rückreise von Südfrankreich nach Hamburg, einer 1500-Kilometer-Tour mit meinem alten Mercedes-Benz 500 SEC. Reisen wie in den Achtzigern.

Schon dieser kleine Ort unweit von Biarritz an der Atlantikküste war ein schönes Ziel. Die Fischtheken dort sind voll, der Armagnac ist gut und die Gesellschaft wunderbar. Ich dachte immer, ich sei Italien verfallen, aber in diesem Sommer habe ich festgestellt: Italien war immer so etwas wie ein guter Kumpel. Der attraktive, lustige Begleiter, zu dem man jederzeit gehen konnte, um sich zu amüsieren. Aber Frankreich – das ist der Sehnsuchtsort.

Eigentlich logisch. Wenn man alles Englischsprachige mal weglässt, dann hat mich doch vorrangig die Kultur unseres westlichen Nachbarn geprägt: "Der Swimmingpool", "39,90", "La Ritournelle". Wie das schon klingt.

Ich will den Franzosen gefallen

Das mit der Zuneigung ist eine seltsame Sache. Sie entsteht nicht selten aus dem Klima sanfter Ablehnung. Während du den Italienern immer freudig auf die Schultern hauen möchtest, sehe ich mich bei Franzosen immer gleich in einer etwas demütigen Haltung. So, als verdiente ich die Aufmerksamkeit gar nicht. Ich will gefallen.

Die Kellner in der Grande Nation sind ja legendär, und das völlig zu Recht. In keinem Land der Welt schämt man sich so sehr, nicht in der Landessprache zu bestellen, wie in Frankreich. Die Order auf Englisch aufzugeben macht jedenfalls so viel Spaß, wie mit einem SUV durch Prenzlauer Berg zu fahren. Englisch? Warum nicht gleich Südkoreanisch?

Ich buhle darum, zurückgeliebt zu werden. Wie selbstverständlich in einem abgewetzten Anzug in einem Café zu sitzen und wie der Rest der Bevölkerung etwa 70 Prozent des Monatslohns zu verfressen. Toll. Ich möchte dazugehören. Und wenn ich dafür die Sprache lernen muss. Ich mein, ich bitte Sie: Es klingt einfach alles besser auf Französisch. Wirklich alles!

Vor der Rückfahrt warnte mich mon ami Niklas zum Beispiel vor einer allzu heftigen Geschwindigkeitsübertretung. Bis 20 km/h geht es noch – darüber hinaus wird es ungemütlich.

Also, nicht dass ich vorgehabt hätte, nach Hamburg zu rasen, aber ein gravierendes Verkehrsdelikt heißt in Frankreich: "Le délit de grande vitesse" – das Vergehen der großen Geschwindigkeit. Da, wo eine Ordnungswidrigkeit klingt wie der Titel meiner künftigen Autobiografie – da möchte ich sein.

Micky Beisenherz freut sich auf Sie: Was bewegt Sie? Tauschen Sie sich mit unserem Kolumnisten aus: www.facebook.com/micky.beisenherz

PRODUKTE & TIPPS