"Einer, der auf den Tisch hauen konnte und ein Hochintellektueller war": Noch vor drei Jahren äußerte sich Marius Müller-Westernhagen im "Bild"-Interview lobend über den früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder. Konkret auf dessen Lobbyarbeit für den russischen Präsidenten Putin angesprochen, wollte er damals nichts kritisches sagen: "Es ist mir nie erklärt worden, warum er diesen Weg so radikal gegangen ist."
Mittlerweile sieht der Musiker seinen langjährigen Wegbegleiter offenbar mit anderen Augen: In dem gerade veröffentlichten Video zu seiner neuen Single "Zeitgeist" hat auch Schröder einen kurzen Auftritt. In dem Clip steht Müller-Westernhagen in einer Lagerhalle vor einer gigantischen Videoleinwand, auf dem Bildschirm flimmern Bilder vom Krieg, man sieht wiederholt Explosionen, Gruppen von flüchtenden Menschen wandern durchs Bild. Corona und der Klimawandel kommen ebenfalls vor.
Es werden aber auch ganz andere Zeitphänomene thematisiert: Sowohl Heidi Klum als auch die Kardashians sind zu sehen, der frühere US-Präsident Donald Trump und Russlands Machthaber Wladimir Putin ebenfalls.
Marius Müller-Westernhagen und der lachende Gerhard Schröder
Als der lachende Schröder kurz erscheint, singt Westernhagen: "Ich hab gebetet, du hast getötet, mit deiner Worte Macht." Gemeint ist damit aber wohl nicht der Ex-Politiker, denn kurz darauf spricht er über eine "Botox-Fresse". Doch der Sänger findet einen anderen Weg, seine Enttäuschung über Schröder zum Ausdruck zu bringen: Als der SPD-Politiker ein zweites Mal auf der Wand erscheint, lehnt Westernhagen verzweifelt seinen Kopf an die Wand.
Die Verzweiflung ist nicht ohne Grund: Während Schröders siebenjähriger Kanzlerschaft galt Westernhagen als enger Mitstreiter und Berater des Regierungschefs. Unter anderem unterstützte Westernhagen 1999 die Kampagne zur Einführung der Doppelten Staatsbürgerschaft.

Insgesamt ist der Song textlich eine Auseinandersetzung mit aktuellen Ereignissen und kurzlebigen Hypes. "Heute oben, morgen unten", singt der Musiker, "Wenn du nichts kannst, tu einfach so".
Musikalisch hat Westernhagen dagegen wenig Neues zu bieten: Die Hammond-Orgel jault und die Bluesgitarre gniedelt wie zu seinen besten Zeiten. Doch auch dafür findet der 73-Jährige eine passende Zeile: "Die Kraft in meinen Lenden zerfloss in meinen Händen."
Immerhin reicht die Kraft noch für diesen politischen Song. "Zeitgeist" ist der Vorbote für Marius Müller-Westernhagens neues Album "Das eine Leben", das am 20. Mai erscheint. Zumindest ein früherer Fan wird darauf wohl weniger Lust haben: Gerhard Schröders Interesse an der Musik seines einstigen Freundes dürfte sich nach diesem Video in Grenzen halten.
Verwendete Quelle: Youtube/Marius Müller-Westernhagen, "Bild.de"