Air Schluss mit Fahrstuhlmusik

  • von Kathrin Buchner
Mit "Moon Safari" schufen sie einen Elektro-Pop-Meilenstein, Dauerbrenner in Bars, Schlafzimmern und Fahrstühlen. Für Regisseurin Sofia Coppola und Sängerin Charlotte Gainsbourg haben sie Songs geschrieben. Auf ihrem vierten Album sind Air bewusst auf Distanz von Charts-Ohrwürmern gegangen.

Würde man ihr neues Werk als Freundin beschreiben, wäre es eine introvertierte Japanerin, sagt Jean Benoit Dunckel über "Pocket Symphony". Zusammen mit Nikolas Godin bildet Dunckel seit 1995 das Elektro-Pop-Duo Air. Mit ihrem 1998er Album "Moon Safari" schufen sie einen modernen Easy-Listening-Klassiker. Die Singles "Sexy Boy" oder "Kelly watch the stars" sind nicht nur Charts-Hits und Tanzflächenperlen, sondern Dauerbrenner in Bars, Schlafzimmern und Fahrstühlen.

Seit ihrer Zusammenarbeit mit Charlotte Gainsbourg, die dank ihres Nachnamens so etwas wie eine moderne Marianne in Frankreich ist, sind Air richtig berühmt - zumindest in ihrer Heimat. Für Regisseurin Sofia Coppola haben sie den Soundtrack zu ihrem Film "The Virgin Suicides" geschrieben. Selbst in Hollywood dürfte man den Namen Air schon mal gehört haben, denn auch für Coppolas Erfolgswerk "Lost in Translation" steuerte die Band einen Song, bei "Alone in Kyoto".

Dadurch entstand der Flirt von den Air-Mitgliedern zu Japan. Die Fühler, die sie einst ins Weltall ausgestreckt haben, sind derzeit im Fernen Osten angedockt: "Im japanischen Meer habe ich meinen Verstand verloren" verkündet kurz und knapp der Text von "Mer du Japon". Ein Jahr lang haben sich Nicolas Godin und Jean Benoit Dunckel von einer japanischen Meisterin beibringen lassen, wie man Koto, eine mit Seide bespannte Zither, und Shamisen, ein lautenähnliches Zupfinstrument, spielt.

Japanische Zitherklänge mit Ravel und Debussy

Waren auf "Moon Safari" noch Ohrwürmer, von denen man auch nach dem millionsten Abspielen nicht genug hatte und die einen sofort in den Weltraum abheben ließen, sphärenleicht und glitzernd wie jeder Stern des Universums, verlangt "Pocket Symphony" ungleich mehr Hingabe. Reifer, experimenteller ist der Sound geworden. Erst beim mehrmaligen Hören erschließen sich die Songs - kein Wunder, haben Godin und Dunckel nicht nur fernöstliche Klänge eingebaut, sondern sich auch von Brahms, Ravel und Debussy inspirieren lassen. "Wir versuchen zunehmend, vom reinen Pop-Sound wegzukommen", sagt Jean Benoit Dunckel.

Jarvis Cockers heisere Stimme erdet

Ganz so weit ist es noch nicht. Dafür sorgt schon die Stimme von Jarvis Cocker, den die Air-Jungs ebenso wie Divine-Comedy-Chef Neil Hannon bei der Arbeit zum Gainsbourg-Album kennengelernt haben. Eingebettet in bittersüße japanische Zither-Klänge beklagt der Pulp-Mastermind mit heiserer Stimme die verheerenden Folgen eines nächtlichen Saufgelages. Trotz opulenter Streicherharmonien, Klavierakkorden und Konzertgitarre ist auch das von Neil Hannon gesungene "Somewhere between waking and sleeping" ein zwar ungewöhnlich arrangierter, aber dennoch griffiger Popsong in radiokompatibler Dreieinhalb-Minuten-Länge.

Wer auf Air zu Zeiten von "Moon Safari" abfährt, sollte sich das Album "5:55" von Charlotte Gainsbourg anhören. Wer die Muße hat, sich in komplexere Soundstrukturen reinzuhören, kann bei "Pocket Symphony" einiges entdecken. Sicher ist: Es geht voran, und demnächst werden die Elektro-Pop-Künstler Jean Benoit Dunckel und Nikolaus Godin garantiert nicht nur die Westentaschen-Ausgabe, sondern eine abendfüllende Symphonie komponieren.

Demnächst kommen Air nach Deutschland: Am 19. März spielen sie in Berlin, am 20. in Hamburg, am 21. in Köln und am 22. März in München.

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