Wie lautet das Geheimrezept, um ins Finale des Eurovision Song Contest einzuziehen? Man nehme: sechs wild gewordene Omas, einen Mitklatsch-Partysong aus dem russischen Musikantenstadl und einen überdimensionalen Backofen, der Plätzchen ausspuckt und sich wie von Geisterhand auf der Bühne selbständig macht. Was gesungen wird, ist egal, Hauptsache der Refrain stimmt. "Party for everybody, dance!", heißt die Aufforderung, die alle verstehen. Drei Minuten aufführen - und schon steht die omatöseste Girl Group aller Zeiten im Finale des größten Musikwettbewerbs der Welt.
Show unter hohen Sicherheitsvorkehrungen
Russland hat sich mit den singenden Omas Buranowkije Babuschki am Dienstagabend beim ersten Semifinale des Eurovision Song Contest für die Endrunde am kommenden Samstag qualifiziert. Zehn von insgesamt 18 Teilnehmern konnten ein Ticket fürs Finale lösen. Die Show fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Bis zu 650 Sicherheitsbeamte in Zivil sollen in der Kristallhalle platziert worden sein. Vor allem in den vorderen Sitzreihen fielen einzelne Herren auf, die sich von den restlichen Grand-Prix-Fans deutlich abhoben. Was genau ihr Auftrag war, ob sie zum Beispiel das Hochhalten von regierungskritischen Transparenten verhindern sollten, ist unklar.
Mitklatschen gehörte jedenfalls nicht dazu. Erst mit Rumäniens Partysong "Zaleihlala" kam in der fast ausverkauften Arena Stimmung auf. Das lag nicht nur am Rock von Sängerin Mandinga, dem kürzesten des ganzen Wettbewerbs, sondern vor allem am Gute-Laune-Rhythmus. Eine willkommene Aufmunterung, um die Zuschauer aus ihrem Tiefschlaf zu reißen. Der war nicht nur dem späten Beginn der Show vor Ort (wegen der Zeitverschiebung war es in Baku null Uhr), sondern den faden Witzchen von Moderator Eldar (dem Vorjahressieger) über das Alter seiner beiden Kolleginnen und vor allem den öden Einspielfilmchen, mit denen die Teilnehmer vorgestellt wurden, geschuldet.
Bilder aus Aserbaidschan wahllos aneinandergereiht
Die sogenannten Postkarten zwischen jedem Beitrag zeigten Bilder aus Aserbaidschan. Das sah nett aus - und wirkte doch wahllos aneinandergereiht. Wo war die Idee dahinter? Wo die Umsetzung des Mottos "Light my fire", wo das Kristallthema von Halle und Bühne geblieben? Welche Geschichte sollte erzählt werden? Offenbar keine, denn stattdessen wurden während der Show große Aserbaidschan-Flaggen (wohlgemerkt nur die) an die Zuschauer verteilet. Wedeln für ein bisschen Spaß.
Das dachte sich auch Österreich und ließ zwei Jungs namens Trackshittaz und vier gelenkige Stangentänzerinnen mit dem Hintern wedeln. "Woki mit deim Popo" sorgte bei den Zuschauern in der Halle für gute Stimmung, zu Hause schien der alpenländische Humor allerdings nicht zu verfangen. Die Österreicher mussten ebenso nach Hause fahren wie die beiden Schweizer von Sinplus. Auch Israel hat wie im vergangenen Jahr den Einzug ins Finale verpasst, dabei hob sich "Time" mit seinem 60er-Jahre-Retro-Sound doch so wohltuend vom übrigen Teilnehmerfeld ab.
Halbes Wohnzimmer auf der Bühne
Ansonsten gab es nur wenige Überraschungen. Sonnenschein Soluna Samay aus Dänemark hatte trotzig gleich ihr halbes Wohnzimmer auf die Bühne mitgebracht, so als wolle sie dort gleich einziehen. Ob ihr das gelingt, darf sie am Samstag zeigen. "Should've known better" geht zu Recht als Favorit ins Rennen. Dass Griechenland mit Sirtakitänzern und vielen Ooh, Ooh, Ohhs und Aah, Aah, Aahs ins Fin-aah-aah-aah-le käme, war ebenso klar wie das Weiterkommen des einzigen Duetts im gesamten Contest, "Never forget" der Isländer Salome und Jonsi.
Erwartbar auch, dass Ralph Siegel (der für San Marino im Rennen war) mit dem peinlichsten Grand-Prix-Beitrag seit Irlands singendem Truthahn scheitern würde. Sängerin Valentina Monetta mühte sich beim "The Social Network Song" zwar redlich, das Internet-Girlie zu mimen, doch mit 37 gelingt das eben nur bedingt. "Between me an Ralph Siegel are many feelings", stammelte sie im Green Room. Na also, einen Chatpartner braucht Monetta ohnehin nicht.
Jedward mussten lange zittern
Während sich Rumänien, Moldawien, Zypern, Albanien und Ungarn schon über ihre Finaltickets freuen konnten, musste Irland lange zittern. Neun Teilnehmer waren noch übrig, aber nur noch ein Umschlag. Sollten Jedward, die beiden hypernervösen Zwillinge aus Irland, in diesem Jahr scheitern? Ihr Erfolg ebenso zusammenfallen wie ihre Rasierpinselfrisuren? Dabei waren die Brüder doch genauso psychedelische über die Bühne geflitzt wie im vergangenen Jahr, als sie in Düsseldorf immerhin Achte wurden. Bemerkenswert war einzig ihr überdimensionaler Zimmerspringbrunnen, mit dem sie sich auf der Bühne nass gemacht haben. Ein Gag, der Jedward wohl den Einzug ins Finale beschert hat.
Am Donnerstag werden zehn weitere Kandidaten ausgewählt, die dann am Samstagabend zusammen mit Wunderbärchen Roman Lob um die Gesangskrone wettstreiten. So wie sich Roman momentan schlägt, muss sich Deutschland keine Sorgen um eine gute Platzierung machen. Allerdings müssen die Gastgeber noch eine ordentliche Schippe drauflegen, um ihr Versprechen einzuhalten: Die Zuschauer sollen schließlich nichts weniger als "den besten Eurovision Song Contest aller Zeiten" zu sehen bekommen.