Das Foto, mit dem sie im Internet für ihre Musik wirbt, könnte auch aus dem "Playboy" stammen. Lady Ray trägt darauf gar nichts und hält nur ihren Unterarm vor die Brüste. Daneben droht sie: "Ich ficke euch alle." So würden das auch viele ihrer männlichen Rap-Kollegen formulieren. Die wurden auf Lady Ray zum ersten Mal aufmerksam, als sie in einem Song beschrieb, wie sie Sex mit "Orgi, Hengzt und Arzt" hat, mit den drei Porno-Rappern King Orgasmus One, Bass Sultan Hengzt und Frauenarzt. Die 26 Jahre alte Bremerin steht ihnen in nichts nach. In ihren Texten tauchen mindestens genauso viele "Muschis" und "Titten" auf, dazu stöhnt sie manchmal schrill und laut.
Ihr eigenes Label hat sie Vagina Records genannt. Unter dem Namen Vagina Style entwirft sie Kleidung - einen "Fotzen-Mantel" beispielsweise. Kürzlich ist sie in der Bezahlfernsehshow von Niels Ruf aufgetreten und hat sich von ihm den großen Zeh lutschen lassen. Erst Anfang der Woche mischte sie mit lasziven Sprüchen eine Maischberger-Talkrunde in der ARD auf und ernannte sich zur Nachfolgerin des Sexual-Aufklärers Oswalt Kolle.
Lady Ray hat eine Mission: Sie möchte die erste wirklich prominente Rapperin Deutschlands werden, ein weiblicher Gegenentwurf zu Sido, Bushido und anderen Verbalaggressiven. Sie nennt sich selbst eine Bitch, eine Schlampe, Lady "Bitch" Ray, und sie beansprucht für sich, die erste deutsche Rapperin zu sein, die offen zu ihrer Sexualität steht: "Ich ficke, ich masturbiere, ich reibe an meiner Möse. So what? Fuck you?"
Dicke Goldringe und Emanzen-Ader
Die Frau, die das sagt, trägt rosa Nagellack, an fast jedem Finger einen dicken, goldenen Ring. Lady Ray, als Tochter türkischer Einwanderer geboren, heißt eigentlich Reyhan Sahin. Gerade arbeitet sie an der Uni Bremen an ihrer Doktorarbeit zu semiotischen Theorien, durch ein Hochbegabten-Stipendium, den Magister hat sie mit der Note 1,2 gemacht. Im Grunde, sagt Sahin, habe sie auch eine ziemliche "Emanzen-Ader". Das bedeutet nun wiederum nicht, dass sie im Stile eines Sasha Baron Cohen mit einem theoretisch fundierten Entlarvungskonzept den Männern der Rap-Welt den Spiegel vorhalten will - wie der Kasache Borat den Amerikanern. Wenn allerdings der Berliner Kool Savas in einem Track eine Frau mit einem Auto vergleicht, dann antwortet sie dem etwas pummeligen Rapper mit einem eigenen Stück: "Du bist süß wie 'n Käfer mit 'ner Figur wie 'n Laster." Außerdem agiere er sowieso mit gebrochener Stoßstange.
Reyhan Sahin sagt, was sie da verkörpert, das sei keine Rolle, sondern sie selbst. Eine Türkin, eine Doktorandin und eine Rapperin - mit ziemlich pornografischen Texten. Eine Bitch eben, sexuell-selbstbewusst. Sie hat schon als Teenagerin gerappt, an ihrer Schule. Dieselben Texte wie heute, nur auf Französisch, da fiel das Derbe daran keinem auf, und die Lehrer waren froh, dass sie sich für Fremdsprachen interessierte. Mit den Jungs hat sie damals zotig über Sex geredet, während ihre Freundinnen kreischten, dass ihnen das alles zu versaut ist.
Für die eigene Tochter: kein Sex mit 16
Ihrer eigenen Tochter, sollte sie mal eine haben, würde sie es allerdings nicht erlauben, sich mit 16 Jahren die Pille verschreiben zu lassen und dann einfach loszuziehen, sagt Sahin. Und von türkischen Werten hält sie auch viel, Familienbewusstsein etwa, und - da werde man jetzt lachen-, Ehre. Was nicht bedeutet, dass der Bruder immer auf die Schwester aufpassen muss. Für sie heißt es, dass sie keine Pornos dreht. Sie hat da einige Angebote von Produzenten, seit sie viel Aufmerksamkeit im Internet bekommt. Ihre Seite beim Sozialnetzwerk Myspace ist über 800.000 Mal abgerufen worden. Deshalb kooperiert Myspace jetzt mit ihr, wie übrigens auch mit dem Berliner Porno-Rap-Kollegen Frauenarzt. Am 7. Dezember wird ihre neue Single im Netz veröffentlicht.
Ins Rampenlicht hat sich Sahin zum ersten Mal vor zwei Jahren gestellt. Sie hatte damals für Radio Bremen gearbeitet. Vorgesetzte fanden Bilder und Texte von Lady Ray im Netz und forderten sie auf, das zu lassen. Als sie es nicht tat, wurde sie rausgeworfen. In der "Bild"-Zeitung stand: "Zu sexy! Radio-Moderatorin gefeuert." Sie hatte sich selbst bei den Zeitungen gemeldet. Manche werfen ihr vor, sie sei eine notorische Selbstdarstellerin. "Wenn man kein Profilneurotiker ist, wird man kein Künstler", sagt sie dazu. "Natürlich will ich, dass alle Leute nur auf mich und meine Titten schauen." Im Internet tun das vor allem Männer.
Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich und reichen von geposteten Beischlafangeboten bis zu gerappten Hasstiraden. Die aggressive Ablehnung kommt oft von türkischstämmigen Jungs. Auch dagegen wehrt sich Sahin, gegen das gesellschaftliche Bild von der schüchternen, jungen Türkin: "Das sind nicht alles dumme, fromme Eier." Ihre Eltern, sagt sie, habe sie so weit erzogen, dass die akzeptieren, was sie macht.
"Ficken will gelernt sein"
Sie benimmt sich überhaupt ziemlich gerne als Erzieherin. Auf ihrer Myspace-Seite formuliert sie zehn Bitch-Gebote für potenzielle Anhängerinnen, fordert zu exzessivem Kosmetika-Einsatz auf und warnt vor Analsex, wenn er nur dazu dient, Jungfrau zu bleiben. Für die Männer wiederum hat sie den Titel "Ficken will gelernt sein" aufgenommen, in dem sie Anweisungen für gelungenen Sex gibt - aus weiblicher Perspektive natürlich. "Männer machen so viel falsch im Bett. Das hat mich aufgeregt. Ich habe immer gedacht: 'Das könnte man besser machen und das. Kapieren die das nicht?'", sagt Sahin. Sie könnte sich bei all dem pädagogischen Ehrgeiz durchaus vorstellen, als Dozentin an der Uni zu lehren. Dann allerdings, fürchtet sie, würde ihr dasselbe passieren wie bei Radio Bremen. Beides ginge wahrscheinlich nicht zusammen. Deshalb versucht sie es erst einmal als Rap-Star. Ihr Doktorvater findet das gut.