Vor gut zwanzig Jahren sang Nicole beim Grand Prix "Ein bisschen Frieden" - und gewann damit nicht nur den europäischen Musikwettbewerb, sondern auch die Herzen von Millionen Zuschauern. Das Siegerlied von 1982 wurde ein Riesenhit. Vom Weltuntergangsgeist der 80er Jahre ist heute zwar nicht viel übrig geblieben, aber Musiker können inzwischen wieder laut ihre Meinung gegen den Krieg sagen, ohne gleich in die Hippie-Ecke gestellt zu werden. Die große Mehrheit der Deutschen wissen sie dabei hinter sich.
HipHopper gegen den Krieg
Nicht nur Udo Lindenberg und Nena erheben ihre Stimme. Auch jüngere Künstler wie der HipHopper Curse aus Minden, gehen mit kritischen Texten auf den Markt. "Ich wage zu bezweifeln, dass ich eine Revolution auslösen kann, aber vielleicht kann ich die Leute zum Nachdenken bringen", sagt der 24-Jährige. Sein neues Album "Innere Sicherheit" (Erscheinungstag 31. März) sei viel politischer als die beiden vorigen Alben. Jeder könne etwas bewegen, wenn er seine Stimme erhebt, meint Curse alias Michael Kurth.
Peace kommt an
Beim Kölner Musiksender Viva prangt seit Kriegsbeginn rund um die Uhr ein Friedens-Zeichen auf dem Bildschirm. In Köln ist man überzeugt, dass so etwas beim jungen Publikum ankommt. "Aus den Reaktionen, die wir bekommen haben, wissen wir, dass wir damit ganz genau die Meinung unserer Zuschauer getroffen haben", sagt Viva-Chef Dieter Gorny. "Wir wollen nicht nur Flagge zeigen, sondern ein Forum bieten. Das ist für uns ganz selbstverständlich. Am 11. September haben wir ja auch abgeschaltet." Auch der Konkurrent MTV spricht sich offen gegen den Krieg aus und sendet dazu kurze Statements von Stars wie Justin Timberlake, U2, Shakira oder den No Angels.
Die internationale Musikszene ist politisch aktiv
Die internationale Musikszene ist wieder politisch aktiv, ähnlich wie in den 60er Jahren zu Zeiten des Vietnam-Kriegs. Nicht nur die alten Songwriter von damals sind dabei, sondern auch die großen Stars des Mainstream. Lenny Kravitz hat zusammen mit dem irakischen Popstar Kadim Al Sahir ein Lied gegen den Krieg aufgenommen. Musiker und Gruppen wie die Beastie Boys, John Mellencamp und R.E.M. haben in den vergangenen Wochen ebenfalls Protestlieder gemacht und zum Teil zum kostenlosen Herunterladen ins Internet gestellt.
Die heutige Schülergeneration sucht nach Werten
Anti-Kriegssongs und Friedensbotschaften sind zwanzig Jahre nach "Ein bisschen Frieden" und gut dreißig Jahre nach "Give Peace A Chance" wieder gefragt. Der Hamburger Trendforscher Peter Wippermann beobachtet schon seit längerem in der Musik und bei der Jugend eine Art Friedenssehnsucht. "Nach der Endphase des Grunge mit seinem Zynismus und der Hoffnungslosigkeit sucht die heutige Schülergeneration wieder nach Werten." Diese Suche nach Moral kristallisiere sich momentan in der Ablehnung des Irak-Krieges heraus. "Den Jugendlichen ist es unerträglich, dass sich ein Land, wie die USA, hinstellt und den Lauf der Dinge einfach bestimmt."
Jörg Ratzsch