Am Samstag hat Mark Medlock das "DSDS"-Finale gewonnen. Sie waren ja nicht immer sein größter Unterstützer. Sind Sie trotzdem zufrieden mit dem Ergebnis?
Das stimmt nicht ganz. Ich habe ihn ein- oder zweimal kritisiert, als seine Auftritte meiner Meinung nach nicht so gut waren, wie man das von einem Kandidaten erwarten konnte, der so weit kommt - aber er hat das Finale sicher zurecht für sich entschieden. Ich war nur überrascht über das deutliche Ergebnis, dass 78 Prozent für ihn angerufen haben.
Hat Medlock Ihrer Ansicht nach als Künstler eine Chance im Markt?
Ich glaube, sein Album muss besser werden als der Siegertitel "Now Or Never", der mir überhaupt nicht gefallen hat. "I Can Reach Heaven From Here" von Martin Stosch ist für mich der bessere Song: eine klassische Popnummer. Mag sein, dass "Now Or Never" funktioniert, weil Dieter Bohlen sich sehr dafür einsetzt. Man darf aber eines nicht vergessen: Mark hat während er ganzen Staffel vor allem Soul gesungen. Ich will ihm nichts wegnehmen, er ist ein guter Sänger. Aber inwieweit Marks Stimme zu dem Pop passt, den Dieter produziert, wird sich zeigen müssen.
Wen der Top-10-Kandidaten hätten Sie denn sonst noch favorisiert?
Ich habe mir schon Chancen für Max Buskohl und Lisa Bund ausgerechnet – obwohl ich geahnt habe, dass Max lieber mit seiner eigenen Band spielen wollte. Zwischendurch dachte ich: Vielleicht würde er das doch solo machen. Aber dann hat er ja die Notbremse gezogen.
Glauben Sie, dass der Ärger um seinen Ausstieg der Glaubwürdigkeit der Show geschadet hat?
Nein, denn dann wären ja die Quoten runter gegangen. Es war aber vielleicht ein deutliches Zeichen für alle Bewerber, die lieber mit ihrer Band Musik machen wollen, dass "DSDS" nichts für sie ist. Es steht von vornherein fest, dass wir einen Solokünstler suchen. Wer dazu nicht bereit ist, kann sich die Mühe sparen.
Als Ihr Kollege Dieter Bohlen am Samstag nach der Show Interviews mit Medlock gab, hat man kurz gesehen, wie Sie am Bühnenrand standen und sich mit Martin Stosch unterhalten haben: Was haben Sie ihm gesagt?
Ich habe gesagt, dass er unheimlich stolz darauf sein kann, so weit gekommen zu sein und sich in den Mottoshows immer weiter entwickelt zu haben. Und ich habe ihm gesagt, dass sein Song ein Hit ist. Ich hoffe, die Plattenfirma veröffentlicht den Titel mit ihm.
Zur Person
Heinz Henn, 52 Jahre, hat seine Karriere als Musikmanager bei der Plattenfirma EMI begonnen, für die er in den Niederlanden, Los Angeles und London gearbeitet hat. Anfang der 90er Jahre ging Henn zu BMG nach New York. Bis 1998 war er dort Senior Vice President. Inzwischen arbeitet er mit seiner Firma Henn Entertainment selbstständig. Bei "Deutschland sucht den Superstar" war er Jurymitglied in der dritten und vierten Staffel. Ist er auch bei der nächsten dabei, wäre das ein Rekord: länger hat es keiner neben Dieter Bohlen ausgehalten. Henn lebt mit seiner Familie in New York.
Können Sie nachvollziehen, wie schwierig das für die Kandidaten sein muss, nach dem ganzen Trubel um ihre Person wieder in den Alltag zurückzukehren? Macht man sich darüber Gedanken?
Mir geht das ja genauso: Nach der Show fällt man in ein riesiges Loch. Die ganze Arbeit, die ganze Spannung verursacht einen Adrenalinstoß. Wenn das vorbei ist, bricht man erst einmal zusammen. Und ich kann mir vorstellen, dass das bei den Kandidaten noch viel schlimmer ist. Vermutlich fällt es Martin, der ja trotz seines jungen Alters einen kühlen Kopf bewahren kann, leichter als Lisa, die damit ein größeres Problem hat. Sie hat gekämpft wie ein Löwe. Man konnte aber in ihrem Gesicht sehen, wie sehr sie das tatsächlich enttäuscht hat, als sie gehen musste.
Kümmert man sich als Jurymitglied eigentlich um die Kandidaten, wenn die Kameras auch mal nicht laufen?
Sicher, wir sind ja Wochen lang zusammen. Ab dem Recall fängt man an, sich stärker mit den Menschen zu beschäftigen, man lernt sie besser kennen und entwickelt Sympathien. Das geht ja nicht einfach so an einem vorbei. Als Laura Martin in der ersten Mottoshow gehen musste, hat mir das fast das Herz gebrochen. Genauso war das bei Francisca Urio.
Es gibt immer wieder den Vorwurf, "DSDS" sei gar nicht darauf aus, Talente zu fördern, sondern verheize die Kandidaten bloß für die Show. Stimmt das denn?
Es geht sehr wohl darum, jemanden zu finden, der Platten verkaufen kann und langfristig erfolgreich ist. Wenn die Entscheidung, wer weiterkommt, von der Jury auf die Zuschauer übergeht, wird "DSDS" aber zu einem Popularitätswettbewerb. Marks Erfolg hat sicher auch mit seiner persönlichen Geschichte zu tun: Immer wieder wurde ja sein Schicksal thematisiert, der Verlust der Eltern, die Arbeitslosigkeit. Das hat solche Emotionen bei den Zuschauern ausgelöst, dass sie für ihn angerufen haben. Bei Martin ist es ähnlich: Er war sicher nicht der beste Sänger in den Top 10 - aber die jungen Mädchen stehen auf ihn.
Was hat sich für Sie diesmal im Vergleich zur dritten Staffel geändert?
Bis Lauren Talbot, die ich ebenfalls sehr schätze, rausgewählt wurde, war ich wirklich mit dem ganzen Herzen dabei. Lauren ist für mich ein großes Talent, ich glaube, dass aus ihr was wird. Danach habe ich mich eher auf meine Pflichten als Jurymitglied konzentriert und wollte so gut und so objektiv wie möglich die Auftritte bewerten. Ich würde lügen, wenn ich sagen müsste, dass ich im Finale zitternd vor Spannung dagesessen hätte - das war eher in der Staffel davor so, weil ich von Anfang an ein riesiger Fan von Tobias Regner war.
Hat diese Distanz auch etwas mit dem Streit zwischen Ihnen und Dieter Bohlen zu tun?
Das ging ja los, als ich Mark zum ersten Mal stark kritisiert habe. Wahrscheinlich hat Dieter das persönlich genommen - aber so war das gar nicht gemeint. Ich wollte nur, dass Mark mal etwas Gewagtes ausprobiert. Alle anderen Kandidaten haben sich das auch getraut.
Bohlen duldet keine andere Meinung neben seiner. Warum setzt man sich denn da überhaupt daneben?
Dieter ist sicher sehr überzeugt von sich. Das interessiert mich aber nicht. Ich bin bei "DSDS", weil ich Spaß an der Sendung habe und gerne mit jungen Musikern zusammenarbeite. Ich habe meine Meinung und für die werde ich immer einstehen, egal was meine Jurykollegen sagen.
Wie war das in der Situation, als Sie gemerkt haben: Bohlen schneidet Ihnen in der Show Grimassen, während Sie reden?
Ich habe das erst gar nicht gemerkt und mir am nächsten Tag in der Wiederholung angeschaut. Dass ich nach der Show gesagt habe, wie respektlos ich das finde, bezog sich erst einmal darauf, dass man den Kandidaten gegenüber so fair sein sollte, bei ihren Beurteilungen keine Faxen zu machen. Es ist ein wichtiger Moment für sie, weil die da oben auf der Bühne stehen und Angst haben, Negativkritik einstecken zu müssen.
Hat es inzwischen eine Aussprache mit Bohlen gegeben?
Während der vergangenen Wochen nicht. Wir haben nach dem Finale noch einmal gesprochen. Dieter meinte, ihm wäre das nicht bewusst gewesen, dass die Kameras seine Aktion gleich einfangen würden. Er hat das Wort Entschuldigung nicht verwendet - aber für mich war es so etwas Ähnliches, eben auf seine Art und Weise. Für mich ist das jetzt erledigt.
Sitzen Sie bei der nächsten, schon angekündigten Staffel wieder in der Jury?
Wenn RTL mich fragt, bin ich sofort wieder dabei. Mir macht das irre viel Spaß.
Bei all den Emotionen der vergangenen Wochen: Kürzlich waren Sie bei Johannes B. Kerner zu Gast und haben den Tränen nahe erzählt, wie schlecht es Ihnen ging, als 1998 Ihre damalige Frau verstarb und Sie mit Ihrem Sohn allein waren. Wieviel Emotionalität darf man in die Öffentlichkeit tragen, um sich selbst nicht zu schaden?
Darüber mache ich mir nicht so viele Gedanken. Bei "DSDS" habe ich schon einmal von dieser Situation erzählt und darauf eine unfassbar große Resonanz von Leuten bekommen, die ähnliches mitgemacht haben. Es scheint vielen geholfen zu haben, jemanden im Fernsehen zu sehen, der keine Scheu hat, seine Gefühle zu zeigen. Mir war wichtig zu vermitteln: Selbst wenn man ausgeknockt wird, gibt es immer wieder einen Grund aufzustehen.
Interview: Peer Schader