"Nichts als die Wahrheit" Hinter den Kulissen der Toten Hosen

Sex, Drogen und Rock'n Roll - ein Mythos? Nicht unbedingt. Dokumentarfilmer Eric Friedler hat intensiv hinter die Kulissen der Toten Hosen blicken dürfen.

Campino stürmt stinksauer von der Bühne und schimpft. Der Auftritt ist nicht im Sinne des Sängers gelaufen. Der Kameramann folgt ihm bis in den Aufzug. Szenenwechsel. Fünf stark tätowierte Herren, praktisch unbekleidet, im Sechs-Bett-Zimmer einer urologischen Klinik in Bayern: Die Toten Hosen nach einem Auftritt ihrer "Magical-Mystery-Tour". Die ARD widmet der Düsseldorfer Punkrockband am kommenden Samstag (23.40 Uhr) eine bemerkenswerte zweistündige Dokumentation.

Der Dokumentarfilmer Eric Friedler durfte im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks (NDR) ausgiebig hinter die Kulissen der Band blicken, sichtete 400 Stunden teilweise unveröffentlichtes Archivmaterial. Herausgekommen ist ein schonungsloser Blick hinter die hermetische Maschinerie der Toten Hosen, die eigentlich als "Kontrollfreaks" nur nach außen lassen, was zuvor besprochen und für gut befunden wurde.

Grimme-Preisträger Friedler führt durch die 30-jährige Geschichte der Band - mit ihren Tiefpunkten und Höhenflügen. Vom Tod eines 16-jährigen Mädchens beim 1000. Konzert im ausverkauften Düsseldorfer Rheinstadion bis zu einer lautstarken Konfrontation mit dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) in dessen Küche werden die jeweiligen Stationen abgearbeitet.

"Du kommst hier nur im Sarg raus"

Auch private Probleme und Entwicklungen der Bandmitglieder werden nicht ausgespart. Da erzählt Campino im Interview sichtbar peinlich berührt, wie schockiert er gewesen sei, als Gitarrist Breiti ihm sagt, dass er Vater wird: "Kann man da nichts machen? Da gibt es doch Beratungsstellen?"

In den ersten zehn Jahren waren die Toten Hosen so pleite, dass sie teilweise ihre Mieten nicht bezahlen konnten. Als sie einmal von einer Tournee zurückkamen, wurden sie deswegen sogar wohnungslos. Der Drogenkonsum und der zunächst ausbleibende kommerzielle Erfolg führte die Band an ihre Grenzen: "Du kommst hier nur im Sarg raus", hört man Campino sagen.

Zwei Mal wurden sie von Neonazis überfallen - drei der Musiker wurden krankenhausreif geschlagen. Um den Rechten den Triumph nicht zu gönnen, werden die Überfälle jahrelang zum gut gehüteten Geheimnis.

Einzug der Regeln

Was hält eine Gruppe zusammen, deren Mitglieder 1982 als dauerbetrunkene Bürgerschrecks starten und die inzwischen zu Reichtum gekommen sind und deren Songs sich in den Charts platzieren? "Wenn man eine Band zusammenstellt, wenn du dich entscheiden musst zwischen einem guten Musiker und einem guten Freund, dann nimm den guten Freund. Das mit der Musik, das wird sich schon ergeben auf dem Weg", sagt Campino.

Auch ehemalige Weggefährten der einstigen "No-Future"-Punks kommen im Film zu Wort. Eine "demokratische Diktatur" mit Campino als Boss, das seien die Hosen, sagt ihr Ex-Produzent Jon Caffery, der kein Blatt vor den Mund nimmt. "Ich sag' dazu nix", sagt Campino, um sich dann in der Metapher vom Zirkusdompteur zu verstricken, die es eher schlimmer macht als besser, wie er bald erkennt.

Fakt ist: Die einst zügellose Band hat sich immer mehr Regeln verpasst. Begann ein Konzert früher beispielsweise selten nüchtern, ist Alkohol vor dem Auftritt längst verpönt. Was den Erfolg gefährden könnte, wird verbannt - die Entwicklung der Band gibt dem Konzept recht.

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Frank Christiansen, DPA

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