Neue Castingshow "Queen of Drags": Glitzer, Glamour, Bratwürste – aber Heidi hält sich im Hintergrund auf

  • von Simone Deckner
ProSieben Queen of Drags Kandidaten
© Jens Kalaene / DPA
Am 14. November startet die neue ProSieben-Castingshow "Queen of Drags". Heidi Klum, Conchita Wurst und Bill Kaulitz suchen den neuen Star am Drag-Himmel. Zehn Entertainer treten in einer Villa in Los Angeles gegeneinander an - und müssen die Jury von ihren Show-Skills überzeugen. Das sind die Anwärterinnen:
  • Aria Addams aus Wolfsburg liebt die Verbindung aus Drama und Comedy. Kein Wunder, dass sich der 22-Jährige nach Arya Stark aus Game of Thrones und der Addams Family benannt hat.
  • Mit fast 60.000 Instagram-Followern ist Katy Bähm bereits eine feste Größe in der deutschen Drag-Szene. Begonnen hat alles mit einem Karnevalsverkleidung als Lady Gaga. Der 27-Jährige Berliner ist auch als DJane erfolgreich.
  • Yoncé Banks entdeckte ihre Drag-Leidenschaft 2014. Mittlerweile kann der Paderborner vom Showbusiness leben. Und natürlich: Den Nickname hat die 26-Jährige von ihrem großen Idol Beyoncé.
  • Candy Crash hat mit ihrem YouTube-Kanal "Süßigkeiten Unfall" fast 35.000 Abonnenten. Ende Oktober will die 32-Jährige mit ihrer Single "Little too high" die deutschen Clubs aufmischen.
  • Die Hamburgerin Samantha Gold gewann 2015 den Titel beim Grazer Tuntenball. heute steht Samantha mehrmals die Woche auf der Bühne. Die 35-Jährige tritt regelmäßig im Club von Olivia Jones auf.
  • Janisha Jones ist gebürtige Spanierin. Vor zwei Jahren gewann sie den "Queen of the Night"-Contest in München. Mit ihren extravaganten Make-ups tanzt Janisha aus der Reihe.
  • Hayden Kryze ist mit seinen 20 Jahren das Nesthäkchen der Kandidatinnen. Die Schweizerin ist ambitionierter Tänzer und sieht sich selbst als Muscle-Queen.
  • Catherrine Leclery hat sich 1995 in Deutschland verliebt. Seit dem lebt die Brasilianerin in Köln. Die 48-Jährige war bereits in Film und TV zu sehen, unter anderem bei "Germany’s Next Topmodel".
  • Rehaugen und Tattoos sind das Markenzeichen von Bambi Mercury. Bereits im Kindergarten entdeckte Bambi ihre Faszination für Verkleidung - damals noch als Rotkäppchen.
  • Viva Bilde mag es futuristisch. Die 30-Jährige designt ihre Outfits oft selbst und tritt seit acht Jahren als Drag Queen auf. Viva engagiert sich zudem ehrenamtlich für die Stuttgarter AIDS-Hilfe.
Wer die Jury am Ende überzeugen wird, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch: mit diesen zehn Paradiesvögeln ist bunte Unterhaltung garantiert.
Aufatmen: Der Auftakt der neuen Castingshow "Queen of Drags" erfüllt nicht die befürchteten Klischees. Heidi Klum reagierte sogar auf die Kritik – und überließ ihren Mitjuroren Conchita Wurst und Olivia Jones überraschend die erste Reihe.

"Wenn ich ehrlich bin, habe ich vor Heidi ein bisschen Angst" – der Satz fällt, da haben zehn aufgeregte Männer gerade mit gefühlt 85 Koffern und großer Mühe die Treppe einer Protz-Villa in den Hügeln L.A.‘s erklommen.

In den Koffern: Kiloweise Fummel, Haarteile, High Heels, falsche Wimpern: "Das ist natürlich schon Arbeit, so auszusehen", sagt Candy Crash, eine von insgesamt zehn Männern, die gern in Frauenkleidern auftreten und die hier um den Titel "Queen of Drags" kämpfen.

"Queen of Drags": Nur üble Klischees?

Viel ist vorab geschrieben worden über die neue Casting-Show auf ProSieben. Dass mit Heidi Klum ausgerechnet eine weiße Heterofrau eine deutsche Abwandlung von "Ru Pauls Drag Race" moderieren würde, störte vor allem die Community: Eine von zwei Berliner Drag Queens initiierte Online-Petition unterschrieben bis heute mehr als 27.000 Menschen. Klum, so die Befürchtung, gehe es um "die bloße Zurschaustellung übelster Klischees". Zudem bereichere sich mit der 45-Jährigen ausgerechnet jemand an der Subkultur, der bei "Germanys Next Top Model" seit Jahren rigide Geschlechternormen predige – also das genaue Gegenteil für die Vielfalt, für die Drag steht. Auch Désirée Nick moserte: "Heidi ist von 'Diversity' so weit entfernt wie Alexander Gauland vom Berghain!"Die Kritik schien nicht spurlos an Heidi Klum vorbei gegangen zu sein: Ungewohnt unsicher mischte sie sich in der Auftaktfolge unter die Kandidaten und ging sogar direkt auf die Vorwürfe ein – dankenswerterweise im typisch holprigem Klum-Denglisch: "Ich bin offen und tolerant für alle Menschen", sagte sie. Es sei "total gemein", dass man das anzweifele. Sie bewundere die Drag-Kunst seit Jahren: "Wir wollen ihr die Bühne geben, die sie verdient", sagte sie.

Bill Kaulitz, Heidi Klum, Olivia Jones und Conchita Wurst (v.l.) bei der Auftaktsendung zu "Queen of Drags"
Flotte Sprüche, extravagante Outfits: Bill Kaulitz, Heidi Klum, Olivia Jones und Conchita Wurst (v.l.) bei der Auftaktsendung zu "Queen of Drags"
© Martin Ehleben / ProSieben / DPA

Der eigentliche Star ist nicht Heidi Klum, sondern Conchita Wurst

Was nicht unbedingt zu erwarten war: Klum selbst drängt sich dabei nicht in den Vordergrund. Der eigentliche Star ist Mitjurorin Conchita Wurst. Die österreichische ESC-Gewinnerin von 2014 ("Rise Like A Phoenix") führt als Off-Stimme durch die Show, in persönlichen Gesprächen stellt sie die Kandidaten vor und sie fungiert gewissermaßen als Übersetzer zwischen Mainstream und Drag-Szene. Wenn Tom Neuwirth, so Wursts bürgerlicher Name, den Satz sagt "Die Magie an Drag ist, dass es dich größer werden lässt als das Leben" dann hat ProSieben schon viel von seinem nicht vorhandenen Bildungsauftrag erfüllt.

Man darf nicht vergessen: Das, was im Nachtleben von deutschen Großstädten schon total normal ist, sorgt andernorts noch immer für Ablehnung: "Viele finden das ekelhaft", sagt Drag Queen Bambi Mercury. "Wir sind da! Es ist immer noch wichtig, dass darüber gesprochen wird." Deshalb nutzte er seinen Auftritt für ein politisches Statement, ging mit Regenbogen- und Trans-Flagge auf die Bühne. "Woran hast du gedacht?", fragt ihn Jurymitglied Bill Kaulitz, sichtlich gerührt: "An meine Jugend", sagt Mercury mit Tränen in den Augen.

Signalwirkung zu besten Sendezeit

Dass jetzt bei einem großen Privatsender eine Show mit und über Drag Queens zur besten Sendezeit läuft, so etwas gab es vorher noch nicht im deutschen Fernsehen. Man sollte die Signalwirkung trotz der nachvollziehbaren Kritik nicht unterschätzen.

Irgendwo da draußen kann jetzt ein 15-Jähriger im elterlichen Wohnzimmer sehen, wie ein 48-jähriger schwarzer Mann sich in eine Diva namens Catherrine Leclery verwandelt und inbrünstig "I will survive" von Gloria Gaynor schmettert. Das ist allen Unkenrufen zum Trotz eine gute Nachricht. Universal auch ihre Message: "Don‘t hate me, celebrate me!"

Olivia Jones klopft Sprüche

Apropos Sätze, die man sich in sein Notizbuch für coole Sätze kritzeln kann. Solche prasselten im Minutentakt von Gastjurorin Olivia Jones nieder. Deutschlands bekanntester Drag Queen ist nach eigenen Angaben "eine sehr strenge Mutti".

Die Auftritte des Nachwuchses, die unter dem Motto "The Art of Drag" standen, kommentierte sie mit herrlicher Hamburger Schnoddrigkeit: "Das war so DDR-Fernsehballett-mäßig", sagte sie zu einer hölzernen Performance. "Geisterbahn goes Muppetshow" lautet das Urteil zum Outfit einer Drag Queen. Das Zeug zum Klassiker hatte: "Wir sagen immer: ein Kitzler wie eine Bratwurst", mit dem Jones den Versuch kommentierte, ein primäres männliches Geschlechtsteil abzubinden. Auch selten gehört im deutschen TV: "Augenbrauen sind die Nippel des Gesichts". Der Spruch kam ausnahmsweise nicht von Olivia Jones kam, sondern von Drag Queen Aria Addams.

Die zoffte sich dann auch noch ein bisschen mit einer gewissen Katy Bähm, die ohnehin auf Krawall gebürstet scheint. Der Stein des Anstoßes aber, er schimmerte: "Ihr streitet euch jetzt nicht wirklich um Glitzer?!", griff Candy Crash fassungslos ins Geschehen ein. Da dürfte es auch dem Letzten vordem TV gedämmert haben: "Drag Queens sind Menschen wie du und ich", hatte einer der Kandidaten anfangs mit eine breiten Lächeln gesagt; "nur mit ein bisschen mehr Make-Up."

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