Es ist eine Szene wie in einem Alptraum: In einer Villa am Stadtrand feiern Eltern und Kinder eine Party. Plötzlich steht eine verstörte, blutverschmierte Frau vorm Fenster. Es ist die Hauptkommissarin Alex Enders (Aylin Tezel). Die hatte eine Woche zuvor die Dienststelle verlassen, um in Elternzeit zu gehen. Doch sie ist nie zuhause angekommen.
Was in der Zwischenzeit mit ihr geschehen ist, daran hat die Frau keine Erinnerung. Fest steht nur, dass das Baby verschwunden ist. Im Blut der Kommissarin können die Kriminalmediziner ein Wehenmittel nachweisen. Was ist geschehen? Die Serie "Unbroken" (Start: Dienstag, 23. Februar, auf ZDFneo) lässt den Zuschauer über den wahren Hergang lange im Unklaren.
In der festen Überzeugung, dass ihr Kind noch lebt, kehrt Enders schon bald in den Dienst zurück und steigert sich in ihre Arbeit hinein. Bald sieht sie in jedem Fall eine Verbindung zu ihrem verschwundenen Baby - und geht bei ihren Ermittlungen äußerst aggressiv vor. Damit verstört sie ihre Kollegen, allen voran Kommissar Paul Nowak (Özgür Karadeniz).
Alyin Tezel zeigt, was sie kann
Zumal man auf der Dienststelle auch eine andere Möglichkeit in Betracht zieht: Was, wenn die Kommissarin gar nicht Opfer, sondern Täterin war und sich ihres Kindes selbst entledigt hat? Dafür spricht ihre unglaubwürdige Geschichte mitsamt der Erinnerungslücken. Und hatte die werdende Mutter nicht davon gesprochen, eigentlich gar kein Kind zu wollen? Ihre Therapeutin (Leslie Malton) traut Alex jedenfalls alles zu.
Im Laufe der sechs Folgen durchläuft der Zuschauer ein Wechselbad der Gefühle. Denn mit ihrem zerstörerischen und wahnhaften Verhalten nährt die Kommissarin Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit. Irgendwann weiß man nicht mehr, ob man ihren Schilderungen glauben kann.
Auch wenn die Serie ein paar Schleifen zu viel dreht und mit sechs Folgen mindestens zwei zu lang geraten ist, so entschädigt die überraschende Auflösung für so manchen Hänger. Vor allem aber ist es Aylin Tezel, die mit ihrem furiosen Spiel das Einschalten lohnt. Die aus dem Dortmund-"Tatort" bekannte Darstellerin zeigt hier, was sie draufhat: Von tief verunsichert bis wahnhaft bestimmt, von zart bis brutal, von kühl kalkuliert bis hochemotional verkörpert die 37-jährige Westfälin eine ungeheure Bandbreite an Gefühlen und Geisteszuständen.
Beim "Tatort" ist sie ausgestiegen
Auch körperlich geht Tezel hier an ihre Grenzen und beeindruckt insbesondere in den artistischen Kampfszenen. Die Brutalität nimmt man ihr ebenso ab wie die ruhigen, in sich gekehrten Momente.
Am vergangenen Sonntag lief der erste Dortmunder "Tatort" ohne sie. Vermissen muss man sie nicht, stand sie dort oft im Schatten des dominanten Peter Faber (Jörg Hartmann). In "Unbroken" stiehlt ihr niemand das Rampenlicht. Zudem gibt der Wegfall des starren Krimi-Korsetts Aylin Tezel die Gelegenheit zu solch entfesselten Darbietungen. So gesehen könnte sich ihr Ausstieg aus dem "Tatort" als Segen erweise. Für sie - und für die Zuschauer.
ZDFneo zeigt den Sechsteiler "Unbroken" an zwei Abenden: Je drei Folgen am Dienstag, 23. Februar 2021, und am Mittwoch, 24. Februar 2021, beide Abende ab 21.45 Uhr. Alle Folgen sind bereits jetzt in der ZDF-Mediathek abrufbar.