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Bambi-Preisverleihung 2010 "Please relax tonight, gell?!"

Na, geht doch! Der Bambi 2010 ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, dass eine deutsche Preisverleihung glamourös, emotional und lustig sein kann. Danke, Hubert Burda.
Von Sophie Albers, Potsdam

Journalisten sollten es nicht, die meisten tun es aber: Sie gehen mit vorgefassten Meinungen durch die Welt oder auch zur Bambi-Verleihung. Die schien nach der Moderatorenpleite im vergangenen Jahr ja auch eine sichere Bank für eine weitere zynische Abrechnung mit der deutschen Showbranche zu sein. Die schafft es schließlich immer wieder, Preisverleihungen an sich selbst mit einer ordentlichen Portion Selbsthass ungenießbar zu machen - oder auch einfach nur langweilig. Aber dann kam Hubert Burda mit seinem neuerfundenen goldenen Rehkitz um die Ecke. "Es geht darum, Bilder zu schaffen, die jeder versteht", hat der Über-Verleger und Kunsthistoriker einmal gesagt. Der Donnerstagabend in der Metropolis-Halle in Potsdam stand unter dem Motto: Wir haben verstanden.

"Das ist mein dritter Bambi, und dieser hier ist wirklich außergewöhnlich gelungen", meinte so auch TV-Moderator Frank Plasberg auf der Aftershow-Party. Ebenso "Germany's Next Topmodel" Barbara Meier war beeindruckt: "Es hat wirklich alles gepasst". Schauspielerin Jasmin Tabatabei fand die Gala besonders glamourös und kurzweilig. Produzentin und Joschka-Fischer-Gattin Minu Barati fiel auf, dass sie "besonders gut durchorganisiert" gewesen sei. MTV-Star Joko (Joachim Winterscheidt) war beeindruckt von der Emotionalität ohne Kitsch. Barbara Schöneberger war zufrieden. Und sogar Ober-Rocker Udo Lindenberg freute sich: "Das war schön locker."

Was war passiert?

Der neue Bambi

Die Neuerfindung war gleich zu Beginn hörbar: Die am roten Teppich wartenden Journalisten wurden von Ambientmusik mit Vogelgezwitscher berieselt, von der manche fürchteten, dass sie damit wohl in Trance versetzt werden sollten. Ausstellen konnte man sie jedenfalls nicht, denn laut Organisation gehörte sie zum "Gesamtkunstwerk" Bambi 2010. Gesamtkunstwerk? Was damit gemeint war, bekamen die anwesenden 860 Gäste und ein paar hundert Journalisten kurz darauf zu sehen: eine perfekte Mischung aus Glamour, Emotionalität und Bedeutung - und das Ganze ohne die sonst so gern für Häme sorgende Moderation.

Glamour

Gleich zu Beginn kam "Sex and the City"-Star Sarah Jessica Parker auf die Bühne und begrüßte den Saal in charmant deutsch-englischem Kauderwelsch. Die Simultanübersetzung war gewöhnungsbedürftig, aber man gewöhnt sich ja an alles. Traurig, aber wahr: Eine Carrie Bradshaw-Parker verströmt mehr Glamour als Veronica Ferres, Uschi Glas und Franziska Knuppe zusammen. Was gar nicht Ferres-Glas-Knuppes Fehler ist, sondern der des deutschen Publikums mit seinem Star-Problem. Aber egal. Parker war da und strahlte. Und das Strahlen überdauerte sogar Comedian Michael Mittermeier. Es wurde weitergereicht von Gummihüfte Shakira an Udo Lindenberg (Bambi fürs Lebenswerk). Ging vom Papa des Rock an die Göre des Pop: Beth Ditto von Gossip (von Laudator Karl Lagerfeld liebevoll "strammer Brummer" genannt). Nach ein bisschen Strahl-Ping-Pong mit dem großen Karl ging es an Hollywoodstar Orlando Bloom ("Der Herr der Ringe", "Fluch der Karibik"), dessen warmer Blick unter braunen Locken viele Frauenhirne auf Standby schalten ließ, dabei nahm er doch den Charity-Bambi für seine Arbeit mit dem Kinderhilfswerk Unicef entgegen. Er strahlte trotzdem weiter, bis Nazan Eckes mit dem tiefsten Dekolletee des Abends und mit klaren Worten zur Integration Sarrazin vergessen machte, um das Strahlen dann elegant an Sarah Jessica Parker zurückzuspielen.

Emotionalität

Glamour allein macht aber noch keine gute Show. So lautet der Einsatz für die emotionalen Erschütterungen: Sei es der Auftritt von Unheilig mit den Adoro-Opernsängern und einem Kinderchor. Anna Loos' wunderbar persönliche Laudatio für Udo Lindenberg. Der im Saal fühlbare Respekt, als der verstorbene Christoph Schlingensief mit dem Kultur-Bambi ausgezeichnet wurde. Und schließlich das zuweilen aus der Schüchternheit ausbrechende Lächeln des unglaublich nervösen Fussballnationalspielers Mesut Özil (Bambi für Integration und als Mitglied von Jogi Löws Truppe). Aber auch da war Bambi noch nicht fertig.

Bedeutung

Die fast drei Stunden währende Gala war schließlich perfekt, weil sie tatsächlich auch von Bedeutung war: der Bambi für die blinde Biatlethin und Paralympics-Gewinnerin Verena Bentele. Der Bambi für "stille Helden": drei Menschen aus dem Alltag, die in Katastrophengebiete wie Haiti oder Pakistan fahren, um Verschüttete zu finden oder sauberes Trinkwasser zu stellen. Der Sonder-Bambi "Unsere Erde" für die Umwelt-Aktivistin Jane Goodall, die sich den Schutz von Primaten zur Lebensaufgabe gemacht hat. Eine Spende von 120.000 Euro für eine Frau, die sich um Kinder mit Amputationen kümmert. Sowie schließlich der Millenniums-Bambi für den "Architekten der deutschen Einheit", den 83-jährigen Hans-Dietrich Genscher, der mit seiner Begeisterung ein wenig den Partyrahmen sprengte und es plötzlich um den Frieden in Europa ging. Zwei Standing Ovations bekam der Politiker aus dem letzten Jahrtausend. Überhaupt war der Bambi 2010 der Abend der stehenden Ovationen. Zuweilen sah es schon nach Sport in Abendkleidung aus.

Und dann war die Verleihung auch schon vorbei, man wunderte sich, dass es überhaupt nicht langweilig war, und die Menge strömte zur Party. "Nimm' dein Dekolletee und komm'", lautete das beste Zitat auf dem Damenklo. Das beste Zitat des Abends stammte allerdings vom Bambi-Hausherrn selbst: "Please relax tonight, gell?!", wünschte sich Hubert Burda von seinem Publikum, kurz bevor Sarah Jessica Parker mit dem Strahlen anfing.

Haben wir.

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