Serienclub "Bosch": kurz vor erledigt

Von Oliver Creutz
Titus Welliger ist der Hauptdarsteller in der neuen Amazon Originals Serie "Bosch" - einer Adaption des Bestsellers von Michael Connelly
Titus Welliger ist der Hauptdarsteller in der neuen Amazon Originals Serie "Bosch" - einer Adaption des Bestsellers von Michael Connelly
© 2014 Amazon.com Inc. or its affiliates
In der Serie "Bosch" kann man gute alte Polizeiarbeit erleben. Ein großes Vergnügen.

Im Büro kann es manchmal echt anstrengend sein: Der Chef will einen loswerden ("Sie sind zu alt."), die Kollegen strecken ständig ihre Köpfe über die Trennwand der Arbeitsbox (Großraumbüros sind das Allerletzte), und die nette Kollegin, die man auf dem Parkplatz trifft, weiß auch nicht, was sie will. Und das zur Weihnachtszeit.

In solch einem Setting lässt sich eine Serie wie "The Office" bzw. "Stromberg" drehen. Oder einen wunderbar altmodischen Krimi-Mehrteiler wie "Bosch". Harry Bosch ist Bulle in Los Angeles; er hat zu viel gesehen in seinem Leben - Krieg, Leichen, den Wahnsinn auf den Straßen. Kommt einmal ein Verdächtiger im Schusswechsel um, dann feiern die Cops anschließend eine "K-Party"; K steht für Kill. Einmal drückt Bosch im strömenden Regen ab und muss sich später vor Gericht verantworten. Polizeiwillkür, großes Thema in Amerika.

Schnörkellos und direkt

Es ist, wie gesagt Weihnachten, prallheiß, im Großraum hängt die Mütze von Santa Claus, und in den Hügeln von Hollywood findet ein älterer Herr, der mit seinem Hund Gassi geht, Knochen, die er für menschlich hält, und ja: Schnell stellt sich heraus, dass dort oben das Skelett eines Jungen vergraben wurde.

Der Serienclub

TV-Serie schlägt Buch, wenn es um unsere Freizeitgestaltung geht – so geht das mittlerweile ziemlich häufig. Denn: Ein Gros der Serien bietet so viel mehr als Zerstreuung. Sie sind auch Pop und Politik. Sind Thema auf der Dinnerparty und am Badesee. Und meist sind sie auch nur einen Klick entfernt, Tag und Nacht  zu konsumieren. Unter dem Label "Serienclub" stellen wir Ihnen Neuheiten und unsere Lieblinge vor, wir wollen untereinander diskutieren oder Ihnen die Fakten für den gelungenen Partysmalltalk verraten.

Harry Bosch steht nun da wie ein Gnu, das von einem Löwenrudel gejagt wird: Egal wohin er läuft, wartet ein neues Problem auf ihn, das ihn zerreißen will. Die Staatsanwältin, der Vorgesetzte, der Gerichtsreporter, die Kollegin vom Parkplatz.

Bosch ist nicht kaputt wie so viele andere Serien-Helden, sondern immer kurz vor erledigt, wobei er so wirkt, als fürchte er sich nicht vor dem Scheitern. Wie ein Cowboy stapft er durchs Revier – mit blauen Augen, die er selbst mit denen von Paul Newman vergleicht. Es ist keine Figur wie aus "True Detective", eher ein Polizist, wie man ihn in den 90ern in "NYPB Blue" kennenlernte. Oder wie Gene Hackmann in "French Connection". Es tut gut, dass eine Serie nicht immer weiter am Wahnsinn schrauben will. Ein Stoff wie klassische Polizeiarbeit: schnörkellos, direkt.

"Bosch" fußt auf den Krimis von Michael Connelly, die immer schon zu ausufernd waren, um sie in einen Kinofilm zu pressen. In der Serie ist ausreichend Platz, um jeden Erzählstrang zu pflegen. "Bosch" muss gar nicht, wie es so oft über andere Serien heißt, der Roman der Gegenwart sein. Einfach ein komplexer Thriller mit Dialogzeilen, die so lange geschmiedet sind, dass sie wie Pfeilspitzen treffen.

Wer nach einem Tag im Büro, in dem es mal wieder echt anstrengend war (der Chef, die Kollegen, die Kollegin), die Gedanken in eine andere Richtung lenken will, der schaue "Bosch". Man erwirbt keinen Distinktionsgewinn, aber es geht beim Serienschauen nicht nur darum, der Coolste zu sein. Harry Bosch durchschreitet Abgründe, und wir schauen ihm dabei zu. Das reicht.

 

Über Amazon gibt es die Serie ab sofort auf Deutsch. (Schwierigkeitslevel auf Englisch: mittel)

PRODUKTE & TIPPS