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Christliche Fernsehsender "Pray-TV" statt Pay-TV

Auch in Deutschland gibt es inzwischen christliche Fernsehsender. stern.de-Mitarbeiter Till Frommann hat einen Tag lang zugeschaut - und sich mit den Hintergründen befasst.

In den USA erfreuen sich christliche Fernsehsender schon seit längerem großer Beliebtheit. Auch hierzulande verbreiten einige Programme eine göttliche Botschaft - so zum Beispiel "k-tv", der "Fernsehsender für Kirche und Kultur" und "Bibel TV". Beide Programme können digital über Satellit und in einigen Kabelnetzen empfangen werden. Außerdem kann man "k-tv" komplett per Livestream sehen (www.k-tv.at), während "Bibel TV" nur einige Sendungen als Video on Demand anbietet (www.bibeltv.de). "Bibel TV" gibt es seit 2002, "k-tv" bereits seit 1999.

Highlights der Spartenprogramme: In einem Interview verteufelt ein Pfarrer die Antibabypille. Populäre Prediger aus den USA wie Joyce Meyer auf "Bibel TV" loben und preisen den Herrn. "k-tv" überträgt die Generalaudienzen des Papstes und tägliche Gottesdienste, während auf "Bibel TV" einige halbwegs gut gemachte Talkshows laufen sowie viele Sendungen mit christlicher Musik, Dokumentationen und Kindersendungen. Auf "k-tv" wirken einige Sendungen so, als wenn sie gut und gerne auf einem Offenen Kanal laufen könnten, der Konkurrenzsender sieht teilweise professioneller gemacht aus.

Es ist 10 Uhr 32. Auf "Bibel TV" läuft die Sendung "Das Gespräch". Eine Mutter von sieben Kindern erzählt über ihren Alltag. Das ist einigermaßen spannend und sachlich.

Hans Buschor, Chefredakteur und Geschäftsführer von "k-tv", gibt in der Call-in-Show "Tagesthema" Lebenshilfe für seine Anrufer. Zum Beispiel: Sex gefälligst nur zur Fortpflanzung und nicht zum Spaß und deshalb auch bitteschön nicht mehr, wenn man alt ist, nuschelt er einem verunsicherten, betagten Mann entgegen. Oder: Eine Anruferin denkt, sie sei besessen - und Buschor versucht, jemanden über seine Sendung aufzuspüren, der ihr helfen kann. Womöglich einen Exorzisten?

Dürfen die das? Und wie weit können christliche Fernsehprogramme gehen?

Der Sender "Trinita TV" wird voraussichtlich am 24. Dezember starten. Eigentlich sollte das Programm "Daystar Deutschland" heißen und bereits im Sommer den Sendebetrieb mit Jürgen Fliege als prominentes Aushängeschild aufnehmen. Doch es hatte Probleme gegeben.

"Ich wurde angefragt", sagt Jürgen Fliege im Gespräch mit stern.de, "doch ich habe immer abgelehnt, weil ich kein Missionar und kein Fundamentalist bin." Für solch einen "Missionarssender" steht er nämlich nicht zur Verfügung, das sei nicht seine Sprache. Deshalb wurde die veröffentlichte Meldung auch dementiert, was die Zusammenarbeit mit "Daystar Deutschland" anbelangt. "Ich will niemanden über den Tisch ziehen", sagt Fernsehpfarrer Fliege, "und wenn es der Tisch des Herrn wäre."

11 Uhr 13, "k-tv" zeigt ach wie schöne Landschaftsbilder aus den Dolomiten. Dazu Panflötenmusik wie aus der Fußgängerzone. Währenddessen auf "Bibel TV": eine Gospelmusiksendung aus New Orleans.

"Das gesamte Konzept von 'Daystar Deutschland' wirkte sehr religiös-werblich", sagt Peter Widlok, Pressesprecher der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM). "Das Programm sollte zu fast 75 Prozent aus Gottesdiensten bestehen, die in den USA aufgezeichnet wurden." Im Rundfunkstaatsvertrag heißt es: "Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art ist unzulässig." Das ursprüngliche Konzept wurde demnach nicht erlaubt.

13 Uhr 34. Auf "Bibel TV" läuft die christliche Zeichentrickserie "Fliegendes Haus": Die Kinder Angie, Corkey und Justin sowie Roboter "Sir" sind mit einer Zeitmaschine in die Zeit zurückgereist, in der Jesus lebte.

Problem erkannt, Problem gebannt? Die Senderverantwortlichen haben, so Widlok, ein vollkommen neues Programmschema ausgearbeitet und den Sender umbenannt - in "Trinita TV". Talkshows, Lebenshilfe, Musikshows, außerdem Gebetsanliegen der Zuschauer, die von den Moderatoren entgegengenommen werden, teilweise aber auch Gottesdienste - dieses Konzept wurde zugelassen.

"Nach sechs Monaten soll jedoch eine Programmanalyse von der Bayerischen Landesmedienanstalt über 'Trinita TV' vorgelegt werden, die zeigen soll, ob sich auch wirklich an das zugelassene Konzept gehalten wird", sagt Widlok. Außerdem gehe er davon aus, dass die Problematik um religiöse Fernsehsender an Relevanz gewinnen werde: "Es gibt immer mehr Antragsteller, die in diesem Bereich tätig werden wollen." Das Thema könnte des Weiteren an Schärfe gewinnen, wenn Sender starten möchten, die den Islam thematisieren. Zwar liege noch kein Antrag dahingehend vor, doch "das wird kommen", ist sich Peter Widlok sicher.

15 Uhr, "k-tv": Das Barmherzigkeitsgebet. Während dieser halben Stunde wird unter anderem das Vaterunser vorgebetet, dazu werden kitschig-christliche Bilder von Maria und vom erleuchteten Jesus gezeigt. Hin und wieder kann man ganz deutlich sehen, wie sich ein Mauszeiger über das Bild bewegt. Eine Computerdiashow!

Sowohl "Bibel TV" als auch "k-tv" finanzieren sich über Spenden. "Ohne Ihre Hilfe ist der Fortbestand des Senders nicht möglich, da 'k-tv' weder Rundfunkgebühren oder Kirchenbeitragsgelder erhält", heißt es auf der Website von "k-tv". "Der Herr möge es Ihnen mit seinem Segen reichlich vergelten." Auf bibeltv.de heißt es: "Bitte beten Sie dafür, dass Bibel TV über genügend finanzielle Mittel verfügt: um die laufenden Kosten zu decken und um neue Projekte zu beginnen." Sechzehn Gesellschafter sind an "Bibel TV" beteiligt, darunter die TV-Produktionstöchter der katholischen und der evangelischen Kirche mit jeweils 25,5 Prozent. Geschäftsführer ist Henning Röhl, der zuvor Fernsehdirektor des MDR gewesen ist.

Während sich "Bibel TV" als ökumenisches Programm sieht, heißt es auf der Website von "k-tv": "Religiöse Beiträge orientieren sich an der Lehre der katholischen Kirche."

Und dann schaltet man ab. Es reicht. Nachts noch einmal hineingezappt in diese christliche Flimmerwelt: Auf "Bibel TV" läuft die Musiksendung "Jericho Hammerbrook". In Videoclipästhetik werden christliche Bands vorgestellt. Sehr, äh, hipp. Auf "k-tv" laufen Wiederholungen. Das "Tagesthema". Diverse Gebete.

"Bibel TV" ist viel professioneller gemacht als "k-tv" und weniger konservativ, denkt man im Halbschlaf. Ein kurzer Gedankenfetzen: Was hatte Peter Widlok von den Landesmedienanstalten noch gleich gesagt? "Bei 'Bibel TV' haben wir nicht das Gefühl, dass Werbung für Religion gemacht wird." Vielmehr werde dort journalistisch berichtet. Dann dämmert man weg - nach so vielen Stunden Christen-TV gibt es jedoch keine Erlösung, sondern unruhige Träume. Irgendetwas mit Predigern, Gospelmusik, Kruzifixen und den Dolomiten.

Till Frommann

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