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Jennifer Rostock "Es gibt so viele coole Leute dort, die eben nicht AfD oder NPD wählen"

Jennifer Rostock haben vor der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern für viel Diskussionsstoff gesorgt. Im Interview erklärt die Band, warum die Reaktionen auf ihren Protestsong heftiger waren als erwartet - und warum es nichts bringt, sich über AfD-Wähler lustig zu machen.

Vor der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern beziehen viele Künstler klar Stellung. Warum tragen Bands auch eine Verantwortung im Kampf gegen den Rechtsruck? Oder ist es der größte Trugschluss, dass sich öffentliche Personen überhaupt politisch positionieren sollten?

Wir waren vor ein paar Wochen mit der Band "Feine Sahne Fischfilet" in Wolgast (der Ort, in dem Jennifer und unser Keyboarder Joe zur Schule gegangen sind). Als Teil der "Noch nicht komplett im Arsch"-Aktion gab es dort eine Talkrunde mit circa 120 Leuten. Dieses Event hat den Stein endgültig ins Rollen gebracht. Wir haben dort viele Leute kennen gelernt, die bewusst nicht aus MV weggezogen sind, um dem Rechtsruck vor Ort die Stirn bieten zu können. Da haben wir uns gefragt - was können wir tun!? Wir sehen da aber keine grundsätzliche Verantwortung bei Bands und Prominenten, sich politisch zu äußern. Jeder soll selbst entscheiden, wie weit er da geht. Uns war es wichtig, vor den Landtagswahlen in MV noch einmal konkret zu werden.

Welcher ist denn der beste Effekt, den ein Video wie eures haben kann?

Wir haben uns bewusst dafür entschieden, kein plattes AfD-Bashing zu betreiben, sondern sachlich zu bleiben. In der Hoffnung, dass man vielleicht doch noch ein paar Leute erreicht, die das Video zum Nach- oder vielleicht sogar Umdenken bewegt. Es bringt nichts, sich über den potentiellen AfD-Wähler lustig zu machen. Wenn wir mit dem Video erreichen, dass sich der eine oder der andere noch mal mit dem Parteiprogramm befasst, bevor er sein Kreuz macht, dann wäre das schon viel.

Für die Wahl am kommenden Sonntag stellt sich wohl nur noch die Frage, ob die AfD mit einem sehr guten oder einem phänomenalen Ergebnis in den Schweriner Landtag einzieht – was macht euch trotzdem Hoffnung, dass MV noch nicht "verloren" ist?

Wie wir vor ein paar Wochen mal wieder gesehen haben: es gibt noch so viel coole Leute dort, die eben nicht die AfD oder NPD wählen. Die dem Ganzen entgegenwirken wollen. Nur weil die Rechten immer am lautesten brüllen, heißt das nicht, dass sie die Mehrheit stellen. 20 Prozent sind eben auch "nur" ein Fünftel. Man darf die anderen 80 Prozent nicht vergessen!

Auf eurer Facebook-Seite wird erwartungsgemäß heftig und kontrovers diskutiert – ein User schreibt: "Dass die AfD scheiße ist, haben wir ja nun alle verstanden, es wäre trotzdem nett, wenn sie uns mitteilen würden, welche Partei denn jetzt gewählt werden sollte". Was kann man solchen Leuten entgegnen?

Uns war es wichtig aufzuzeigen, was in der allgemeinen AfD-Diskussion oft zu kurz kommt: inwieweit ist die AfD eigentlich die "Partei des kleinen Mannes", als die sie sich immer darstellt? Was steckt hinter der populistischen Fassade? Und wohin könnte es führen, wenn die Punkte aus dem Parteiprogramm tatsächlich Realität würden. Was der Zuschauer am Ende mit diesen Denkanstößen anstellt, bleibt ihm überlassen. Wir wollen niemanden vorschreiben, was er zu wählen hat. Da soll natürlich jeder selbst entscheiden. Ist ja schließlich 'ne Demokratie.

Wie "zufrieden" seid ihr mit der Debatte um euer Video?

Wir sind selber überrascht, was das Video für Wellen geschlagen hat. Sowohl die positiven als auch die negativen Reaktionen sind heftiger als erwartet. Aber wir sind da realistisch: Das Video wird keinen AfD-Fan zum Umdenken bewegen. Im Idealfall erreicht es ein paar Menschen, die noch unentschieden sind.

Wird es auf eurem in Kürze erscheinenden Album weitere so deutliche politische Statements geben?

Auch wenn wir eine Popband sind, haben wir schon immer Gesellschaftskritik in unseren Texten verpackt. Auf dem neuen Album sind die Aussagen aber vielleicht weniger verklausuliert. Themen wie Asylfragen oder Feminismus sind wichtige Teile der Platte. Aber neben diesen Themen verarbeiten wir auch viel Persönliches und Zwischenmenschliches. Alles, was uns irgendwie bewegt, fließt in unsere Texte ein.

Das fünfte Album von Jennifer Rostock, "Genau in diesem Ton", erscheint am 9. September bei Four Music (Sony).

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