Na, pfeifen Sie heute auch im Kopf "Abenteuerland"? Sehen Sie, wenn Sie die Augen schließen, den blonden Zopf von Hartmut Engler vor sich, wie er in einem Getreidefeld im Wind weht? Dann haben Sie gestern wohl "Sing meinen Song" geguckt. Es war der Abend, vor dem sich Zuschauer und Teilnehmer zugleich gefürchtet haben. Der Abend der Pur-Hits.
Und es wurde genauso schaurig-schön, wie befürchtet. Zuallererst dank des umfassenden Videomaterials, das die Gruppe aus Bietigheim-Bissingen in über 35 Jahren Bandgeschichte angesammelt hat. Man konnte einfach nicht wegschalten, wenn Hartmut Engler seinen Vokuhila gnadenlos durch die Pur-Ohrwürmer schüttelte, mal im Zirkusdirektor-Outfit, mal mit Indianer-Perücke. Und dann die Songs! Die Prinzen dichteten lieblos "Lena" zu "Hartmut" um, Yvonne Catterfeld kam bei "Geweint vor Glück" an die Text-Schmerzgrenze. "'Zweifelsmarterpfeile quer durch Hirn und Herz'? Das würde ich so nie sagen."
Die Pur-Faszination war jedoch so groß, dass die Sendung mit 2,53 Millionen Zuschauern einen Quotenrekord einfuhr. "Wir verstehen den Erfolg bis heute selbst nicht", sagte Hartmut Engler. "Manch anderer auch nicht", fügte Gastgeber Xavier Naidoo böse hinzu. Überhaupt wurde erstmals weniger gekuschelt und gebauchpinselt, als sonst. Zumindest wurden die Komplimente diplomatischer verpackt. "Ich wäre früher vielleicht auch Pur-Fan gewesen, wenn du nicht so komisch ausgesehen hättest", witzelte Naidoo. "Man kann ja von den Hartmut-Texten halten, was man will - aber sie sind alle durchdacht bis zum Ende", lobten die Prinzen halbherzig. Und Yvonne Catterfeld fand: "Er erreicht damit so viele Menschen. Das gibt ihm Recht."
Und jetzt bitte alle heulen!
Aber keine Angst, natürlich wurde auch in dieser Folge wieder geheult. Spätestens nach der ersten Whisky-Runde und der Geschichte von Hartmut Englers hart arbeitenden Eltern und armen, vereinsamten Omas lagen sich alle wieder in den Armen. Als Rocker Daniel Wirtz es dann sogar fertig brachte, den Pur-Song "Wenn sie diesen Tango hört" überraschend schlicht zu präsentieren, flossen bei Engler ungehemmt die Tränen.
"Der Hartmut, der isch högschtsensibel", sagte seine beste Freundin in der anschließenden "Hartmut-Engler-Story" über ihn. Dort erfuhr der Zuschauer auch, dass die Band den Sieg beim Bundesrockwettbewerb 1986 mit Faber-Sekt und weißer Crunch-Schokolade gefeiert hat. „War geil“, erinnert sich Keyboarder Ingo Reidl.
Was wir außerdem gelernt haben:
- Andreas Bourani hat sich „Funkelperlenaugen“ ausgesucht, weil die Pur-Fans das bei den Konzerten so schön im Kanon singen
- Christina Stürmer ("Iiiich?!") hat die Funkelperlenaugen, da sind sich alle nach dem zweiten Sex-on-the-Beach einig.
- Es heißt: Du blitzt mich an mit deinen Funkelperlenaugen, nicht guckst ("Gleich ein viel stärkeres Bild!", Bourani)
Wer bis zum Schluss gehofft hatte, am Pur-Überhit "Abenteuerland" vorbeizukommen, kennt Xavier Naidoo schlecht. Der Meister höchstpersönlich hat sich den Folter-Ohrwurm ausgesucht und einen knackigen Rap-Teil darin versteckt. Enthusiastisch sangen und tanzten alle mit, Wirtz im Arm der Prinzen, Catterfeld an der Hand von Bourani. Es sind Bilder, die bleiben werden. Oder wie Hartmut Engler sagen würde: "Zweifelsmarterpfeile quer durch Hirn und Herz".