RTL2-Serie "Das Tier in mir" Dödel-Show im Menschenzoo

  • von Björn Erichsen
Skandal? Von wegen! Bei der neuen RTL2-Doku-Soap "Das Tier in mir" hat sich Drag Queen Olivia Jones zwar einen Höcker umgeschnallt und mit Kamelkot eingerieben - für einen echten Aufreger fehlte es dem trostlosen Menschenzoo mit Tierbeteiligung aber schlichtweg an Spannung.

Man muss das Ganze auch mal aus Kamel-Sicht sehen: Da führen sie eben noch ein beschauliches Trampeltier-Dasein auf einer kleinen Kamelfarm im Vorallgäu - und im nächsten Moment kommt Olivia Jones mit einem Kamerateam um die Ecke, schnallt sich einen Höcker um und will unbedingt zur ihrer Herde gehören. Sie fängt an, aus ihrem Wassereimer zu saufen, schleckt an ihrem Lieblingsmineralstein und reibt sich obendrein auch noch mit ihren Exkrementen ein. Da schwillt auch dem geduldigsten Kamel irgendwann mal der Höcker! Das musste die Hamburger Drag Queen bei ihrem Auftritt in einer neuen RTL2-Doku-Soap am eigenen Leib erfahren: Zunächst setzte es eine Watschn per Kamelschwanz, und in der Nacht biss ihr auch noch ein hungriges Trampeltier kräftig in die (falsche) Haarpracht.

Mit "Das Tier in mir" liefert RTL 2 seinen Zuschauern mal wieder Anschauungsmaterial für den evolutionären Rückwärtsgang: Moderator Jochen Bendel, "Zack, die Bohne"-Blondine Gina-Lisa Lohfink und 14 andere, die beim Kölner Sender als "mutige Prominente" geführt werden, sollen in der Show ihre animalischen Instinkte entdecken - und lassen sich dabei filmen, wie sie ein paar Tage mit Bären, Wölfen oder Kängurus verbringen. Ziel der Übung: sich den Tieren anpassen und möglichst von ihnen akzeptiert werden. Damit unterscheidet sich das neue Format nicht so sehr vom RTL2-Quotenhit "Big Brother", nur dass bei diesem Menschenzoo eben auch Tiere mitmachen. Allerdings ist das, was da als "außergewöhnliches Experiment" angekündigt wurde, vor allem eines: tierisch langweilig.

"Sendung mit der Maus" statt Skandale

Immerhin: Im Vorfeld hatte es ein bisschen Aufregung gegeben, so etwas schätzen Trash-TV-Produzenten immer sehr. Man hofft bei RTL 2 empörte Tierschützer allein schon dadurch zu besänftigen, dass der Sieger einer Folge 5000 Euro an eine Tierschutzorganisation spendet. Gegen das Gerede vom neuen Niveau-Tiefpunkt konnte man dagegen wenig tun. Der sei aber nun erreicht, hieß es, allein schon weil die Grenze von Mensch und Tier jetzt endgültig verschwimmen würde. Dagegen lässt sich wenig einwenden. Höchstens, dass es einem nach all dem Madenessen, Kakerlakentauchen und Kotriechen inzwischen ziemlich gleichgültig ist, ob sich Olivia Jones auf RTL2 mit Kamelkot einreibt oder nicht.

Im Vergleich zu den anderen beiden Formaten, mit denen RTL2 am neu gestalteten Trash-Montag an den Start geht - die Reality-Doku "Tattoo Attack - Deutsche Promis stechen zu" und "Abenteuer Afrika - Deutsche Teenies beißen sich durch", bei der eine zornige Ernährungsberaterin eine Horde übergewichtiger Jugendlicher durch die Kalahari-Wüste hetzt - pendelt sich die neue Tier-Show etwa bei "mitteldoof" ein: Zwei erschreckend gut gelaunte Tiertrainer, stets um nützliche Tipps für die Kandidaten bemüht ("Drehe einem Kamel nie den Rücken zu!"), sollen für einen pädagogischen Anstrich sorgen. Wer in der Grundschule häufiger mal den Bio-Unterricht geschwänzt hat, konnte tatsächlich etwas lernen: dass die Tiere mit einem Höcker Dromedar heißen zum Beispiel, oder dass diese lustigen Knubbeln ja gar kein Wasser enthalten, sondern Fett. Fast rührend, wieviel "Sendung mit der Maus" in dieser angeblichen Skandal-Show steckt.

Auftritt von Comedian gerät zur reinen Dödel-Show

Dass es gelegentlich doch noch komisch wurde, lag an Olivia Jones: Deren Laune wurde mit jeder weiteren schlaflosen Nacht im Kamelgehege schlechter - und dennoch zeigte die reeperbahnerprobte Drag Queen genau jene hartnäckige Bereitschaft zur Selbstentwürdigung, die von einem C-Promi in einer Doku-Soap erwartet wird. Für ein bisschen Liebe der Kamelherde stopfte sie Kraftfutter in sich hinein, röhrte wie ein brünstiges Dromedar und stolperte mit Aufschnallhöcker und fellbeklebten Paarhufer-Stelzen über die Allgäuwiesen. Schließlich gab es doch noch so etwas wie einen Vertrauensbeweis: Ein spontan kopulierendes Kamelpärchen hatte nichts dagegen, dass die erschöpfte Jones bis auf ein paar Schritte herankam und sich mit ihm um die Wette freute.

Zur reinen Dödel-Show geriet dagegen der Auftritt des zweiten Kandidaten, des Comedian Oliver Beerhenke. Der ist ein gemütlicher Typ, ein bisschen korpulent, und so sollte er sich mit einigen Braunbären anfreunden. Das hätte sogar spannend werden können, auch mit Sicherheitszaun. Die zuständige Tiertrainerin jedenfalls ("Der Draht des Zauns ist dünn") wies gut ein Dutzend mal lächelnd darauf hin, dass ein Angriff eines Bären "ja eigentlich immer tödlich" sei. Leider beschränkte sich "Ollibär", der sonst als Spaßkanone beim gleichen Sender die Superpannen ansagt, im Wesentlichen auf Flachwitze und ein einstudiertes Gekicher, sodass es fast wie ein Wunder anmutet, dass der verstörte 600-Kilo-Braunbär auf der anderen Seite des Sicherheitszauns lediglich seine Mütze fraß.

Am Ende der Folge hatte Olivia Jones gewonnen, und das hing wohl auch irgendwie damit zusammen, dass Braunbären nun mal Einzelgänger sind und dadurch die Herdenintegration naturgemäß ein bisschen schwerer fällt. Die Kamele im Oberallgäu jedenfalls können aufatmen. Allem Augenschein nach haben sie sowohl den Niveautiefpunkt als auch den Besuch von Olivia Jones wohlbehalten überstanden. Größere Sorgen muss man sich derzeit wohl eher um eine fidele Erdmännchenfamilie machen: Bei denen hat sich nämlich in der nächsten Woche Gina-Lisa Lohfink angekündigt, um sich in die Gruppe zu integrieren.

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