Was tun, wenn der Mann trinkt? Kann man Seitensprünge verzeihen? Wie gegen diese verdammte Gewohnheit ankommen? Schlicht: Was ist das Geheimnis einer glücklichen Ehe? Diese Frage stellte sich der Schauspieler Kai Wiesinger und beschloss, sie genau denjenigen zu stellen, die eine gute Ehe führen. Wiesinger, bekannt vor allem in seinen Rollen vor der Kamera ("Kleine Haie", "Comedian Harmonists"), hat für den Dokumentarfilm "Für immer und ewig - Das Geheimnis der glücklichen Ehe" im Auftrag des NDR die Seiten gewechselt - und sieben Paare gefilmt, die vielleicht eine Antwort auf diese Frage wissen.
Promis interessierten ihn nicht
Dafür hat Wiesinger nicht etwa seine Promi-Kollegen zu Rate gezogen, sondern gänzlich unbekannte Menschen, die alle eine Gemeinsamkeit haben: Sie sind glücklich verheiratet. Etwas Besonderes in einer Zeit, in der fast jede zweite Ehe geschieden wird, so kündigt der NDR die Doku an, die am Mittwoch Abend um 23.30 Uhr in der ARD läuft. Dabei gibt es unter den sieben Paaren nur zwei, die tatsächlich in erster Ehe verheiratet sind. Für die meisten Interviewten ist es schon der zweite Versuch, in einem Fall sogar der fünfte. Eher ein Dokument des Scheiterns als ein Film über das Eheglück?
"Es war tatsächlich sehr schwer, Menschen zu finden, die in erster Ehe schon lange glücklich sind", sagt Wiesinger. Das liege aber weniger daran, dass es diese nicht gebe, als daran, dass sie vor der Kamera erzählen sollten. Bei Selbsthilfegruppen, Therapeuten und Pfarrern habe er nachgefragt. Am Ende klappte es am besten durch persönliche Kontakte - wer ein glückliches Paar kennt, erzählt gerne davon.
Mit diesen Menschen wollte Wiesinger sprechen, als wenn er ein guter Freund oder ein Nachbar wäre. Die Schwierigkeit lag darin, Leute zu finden, die in der Lage waren, intim zu erzählen, aber nicht scharf darauf waren, ihr Privatleben vor der Kamera breitzutreten. "Ich wollte ihre Ratschläge, Tipps und Erfahrungen hören, denn das ist das eigentlich Spannende: Wie sie es schaffen, in unser schnelllebigen Zeit an ihrem Eheversprechen festzuhalten."
Und wie schafft man das? Wiesinger, der ganz alleine und ohne jedes Kamerateam drehte, enthält sich in der Doku jeden Kommentars und steht selbst im Hintergrund. Stattdessen bleibt viel Raum für sehr persönliche Geschichten. Da ist etwa das Paar, das immer mal wieder die Seite im Ehebett tauscht, um die Gewohnheit zu bekämpfen. Da sind die Überlegungen, ob man etwas verpasst habe, weil man immer mit dem gleichen Partner zusammen war. Da gibt es die Frau, die ihrem Mann irgendwann eine Kiste Wodka hinstellte, mit einem Zettel versehen: "Dann sauf dich doch zu Tode". Da gibt es die Frage, wer in der Beziehung eigentlich der Boss ist. Und da sind Sätze, die einen hinschmelzen lassen, wie die des weißhaarigen Rentners Edmund Drückhammer, der seiner Frau jeden Tag sagt: "Ich bin froh, dass ich dich habe."
Der Hauptknackpunkt: mangelndes Interesse
Und noch einmal, Herr Wiesinger - nach all den Gesprächen: Wie schafft man das mit dem Versprechen und dem Daranfesthalten? "Jeder muss das auf seine Weise herausfinden, aber ich denke, der Hauptknackpunkt für das Scheitern von Ehen ist mangelndes Interesse an der Gefühlswelt des anderen." Die Lösung also so einfach: zuhören und miteinander Reden? "Für viele ist es auch wichtig, gegen die Gewohnheit anzugehen. Ich glaube, 'Alltagstrott' ist das Wort, was ich am häufigsten gehört habe", so Wiesinger.
Der Schauspieler selbst hat sich während der Arbeit an der Doku jedenfalls intensiv mit seiner eigenen Ehe auseinandergesetzt: "Natürlich muss man automatisch an seine Beziehung denken. Ich habe mich oft wiedererkannt - und viel gelernt." Und auch wenn es nicht das Rezept zum Glücklichwerden gibt - der 45-minütige Film zeigt eindrucksvoll, was es bedeutet, sich ein Versprechen gegeben haben: "In guten wie in schlechten Zeiten".
Bei Kai Wiesinger stehen im Moment eher "gute Zeiten" an. Er ist einer der gefragtesten Charakterschauspieler Deutschlands, gerade war er in dem österreichischen Kinofilm "Darum" zu sehen. "Für immer und ewig - Das Geheimnis der glücklichen Ehe" ist bereits der dritte Dokumentationsfilm, in dem er die Rolle des Regisseurs und Autors übernahm. Für die Doku "Eruv - The Wire" über den Alltag einer jüdischen Gemeinde in New Jersey wurde er sogar mit dem "Planet Dokumentarfilmpreis" ausgezeichnet. Und privat? Beste Zeiten. Seit zehn Jahren ist er mit der Schauspielerin Chantal de Freitas verheiratet. "So glücklich, dass ich keines der Paare, die ich gesprochen habe, beneiden muss." Und sonst weiß er ja nun, was er tun sollte, wenn die schlechten Zeiten kommen.
"Für immer und ewig - Das Geheimnis der glücklichen Ehe" läuft am 28. Mai um 23.30 Uhr in der ARD