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TV-Kritik "Maischberger" Das Leben, das Universum und der ganze Rest

75 Minuten können verdammt lang sein. Vor allem, wenn die Moderatorin nicht weiß, worüber sie debattieren will - so wie Sandra Maischberger.
Von Christoph Forsthoff

Warum nur tut sie sich das an? Und warum vor allem tut die ARD das Sandra Maischberger und ihren Zuschauern an? Politische Themen sind einfach nicht ihre Sache, schon gar nicht, wenn Hintergrundwissen gefragt ist, um eine interessante und vielleicht sogar aufklärende Diskussionsführung zu ermöglichen. Und so glich denn auch ihre jüngste Talkrunde wieder einmal einem bunten Chaos, das niemand wirklich gebraucht hätte. "Ehrensold für Wulff, Millionen für Chefs - und was kriegt der Rest"“ lautete die klassenkämpferische Frage. Die lästerliche Antwort: einen Streifzug durch die aktuellen politischen Themen und Männer, die einander nicht ausreden lassen können. Sowie die Erkenntnis, dass die Schwaben "schaffe", wo andere arbeiten.

Wieder einmal wollte Maischberger das große Politrad drehen. Stieg mit der aktuellen Debatte um den Ehrensold für den Kurzzeit-Bundespräsidenten ein, der laut Gregor Gysi keineswegs zwangsläufig sei: "Im Gesetz steht, wenn es um Grundsatzfragen geht, muss es der Bundesinnenminister entscheiden - und der hat sich davor gedrückt zu entscheiden, ob die Gründe für den Rücktritt persönliche oder politische waren", stellte der Fraktionschef der Linken fest. Wechselte dann zu der 50-Millionen-Euro-Abfindung für Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, für den jedoch sein Ober-Betriebsrat Uwe Hück in die Bresche sprang, schließlich habe Wiedeking das viele Geld in eine Stiftung gegeben, die sich für soziale Zwecke engagiere. Doch schon war Maischberger beim nächsten Punkt und warf zwei Zahlen in die Runde: 22 Prozent mehr Gehalt im Jahr 2010 für die Chefs der 30 DAX-Konzerne gegenüber 2,7 Prozent Plus für den durchschnittlichen Arbeitnehmer - das könne doch wohl nicht sein…

Ahungslosigkeit im Umgang mit Zahlen

Nein, sein kann und darf diese Ahnungslosigkeit der Moderatorin im Umgang mit Zahlen wirklich nicht. Da würden Äpfel mit Birnen verglichen, klärte Michael Rogowski die Frau erst mal auf: Schließlich hätten die Gehälter dieser Spitzenvorstände rein gar nichts mit den Durchschnittseinkommen deutscher Bosse zu tun, so der Ex-Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Was indes die Fragerin nicht weiter interessierte, sie hatte schon die nächsten plakativen Zahlen parat, woraufhin nun einer nach dem anderen lustig mit ihm genehmen Daten um sich warf.

Als besonders lautstark und damit durchsetzungsfähig erwiesen sich Hück und Gysi, Rogowski zog sich zunehmend zurück, und Patrick Döring wartete brav ab, bis ihm die Moderatorin das Wort erteilte. Oder sollte es daran gelegen haben, dass der neue FDP-Generalsekretär außer den sattsam bekannten Plattitüden seiner Partei zu den Themen Mindestlohn, Niedriglohnsektor, Langzeitarbeitslose und Wachstumsgefährdung durch Lohnsteigerungen ohnehin nichts Eigenes beizutragen hatte?

Thema vertiefen? Kein Interesse

Aber zu (seine)m Glück wollte ja auch Maischberger nichts wirklich vertiefen, schnitt nochmal kurz die Tatsache an, dass jeder fünfte Arbeitnehmer hierzulande nicht von seinem Einkommen leben könne und präsentierte sodann ihre nächsten beiden Studiogäste. Die 22-jährige Köchin Jennifer Cook, die in einem Berliner Restaurant 3,50 Euro Stundenlohn netto verdient hat und noch nicht einmal die Überstunden bezahlt bekam sowie den Friseurmeister Kai-Uwe Dalichow, der seinen Mitarbeitern gern mehr bezahlen würde, doch: "Ich kann nur das verteilen, was am Ende übrig bleibt."

Womit nun endlich auch die menschelnde Komponente Eingang gefunden hatte, die Moderatorin sich gleich viel mehr in ihrem Element fühlte und so nette Fragen stellen konnte wie: "Wussten Sie, dass Sie als Köchin nicht so viel verdienen können?" Und damit aufs Trefflichste die alte Quotenregel bedienen konnte, die da lautet: Mitleid + Empörung = Zuschauer. Fragt sich nur, wie viele zu dem Zeitpunkt noch vor dem Fernseher saßen.

Wer da (innerlich) noch nicht abgeschaltet hatte, konnte noch einen Abstecher zu den bevorstehenden Tarifauseinandersetzungen unternehmen und erleben, wie Gysi einmal die Hebel der politischen Macht übernahm: "Angenommen, wir würden zum 1. Januar 2013 den gesetzlichen Mindestlohn einführen…" Weitaus realitätsnaher scheint da indes sein Ausflug am Weltfrauentag als Erzieher in eine Berliner Kita - auch wenn dort am Ende vermutlich ein ähnlich buntes Durcheinander stehen wird wie in dieser Talkrunde.

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