Direkte Demokratie ist an sich eine prima Sache: Anstelle monatelanger Debatten in Gremien, Hinterzimmern und Talkshows befragt man einfach das Volk - und bekommt ein sauberes Ergebnis. So könnte die Frage, wer Thomas Gottschalk als "Wetten, dass..?"-Moderator folgen soll, schon längst geklärt sein: In zahlreichen Umfragen liegt Hape Kerkeling deutlich vorn. Bei einer stern.de-Umfrage sprachen sich für ihn sogar 50 Prozent der knapp 10.000 Teilnehmer aus. Sollte unbedingt eine Frau auf Gottschalk folgen, gäbe es auch ein passendes Votum: Einer von der "Gala" in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage zufolge favorisieren in diesem Fall 55 Prozent der Deutschen Barbara Schöneberger.
Es könnte alles so einfach sein. Doch das Zweite Deutsche Fernsehen ist ein hochkomplexes Gebilde mit bisweilen schwer zu durchschauenden Entscheidungsstrukturen. Und der auf dem Mainzer Lerchenberg angesiedelte Sender hat eben erst einen neuen Intendanten bekommen. Auch das bringt neue Unwägbarkeiten mit sich.
Bellut findet Pilawa und Kerkeling gut
Der scheidende Intendant Markus Schächter hatte in einem Interview im April von "drei Varianten" gesprochen und angekündigt, sich erst im Dezember über den Nachfolger äußern zu wollen. Als geeignete Kandidaten nannte der damalige Programmdirektor und aktuelle Intendant Thomas Bellut im März Jörg Pilawa und Hape Kerkeling.
Der Name Pilawa fällt oft, wenn es um die Gottschalk-Nachfolge geht. So spricht sich der langjährige "Wetten, dass..?"-Regisseur Holm Dressler im stern für Jörg Pilawa oder Ina Müller aus. Die "Bild am Sonntag" hatte im Februar gar von einer verbindlichen Zusage berichtet, die das ZDF dem Moderator bei dessen Wechsel von der ARD gegeben haben soll. Derzufolge ist Pilawa der erste Ansprechpartner, wenn es darum geht, "Wetten, dass..?" neu zu besetzen.
Bekommt das ZDF einen neuen Unterhaltungschef?
Weder das ZDF noch Pilawa eine solche Zusage bestätigt. Im vergangenen Herbst sagte der Moderator in einem DPA-Interview: "Wenn das ZDF die Show eins zu eins fortführen sollte, wäre dies ein Genickschuss für jeden, der sich nach Gottschalk auf das Sofa setzen würde." Aber dass die Sendung genau so fortgeführt werden muss, sagt ja auch niemand. Und niemand Geringeres als Thomas Gottschalk selbst empfiehlt seinem potenziellem, noch unbekannten Nachfolger, "alles anders zu machen".
Und so spricht doch einiges für den Hamburger. So kursieren auf dem Mainzer Lerchenberg schon Gerüchte, der neue Intendant könne Andreas Gerling zum Unterhaltungschef befördern. Gerling hat bereits beim NDR eng mit Pilawa zusammengearbeitet. Jetzt folgt er dem Moderator zum ZDF und soll ab Juli den neu geschaffenen Programmbereich "Quiz und Showentwicklung/ ZDFneo" leiten. Sollte Gerling wirklich den bisherigen Unterhaltungschef Manfred Teubner beerben, dürfte damit auch eine Vorentscheidung bei der offenen Frage der "Wetten, dass..?"-Moderation gefallen sein. Das ZDF will solche Gerüchte nicht kommentieren. Thomas Bellut werde zu gegebener Zeit seine Personalpläne bekanntgeben, heißt es aus Mainz.
Doch nicht jeder, der an "Wetten, dass..?" beteiligt war, scheint mit dieser Personalie glücklich zu sein. Der Erfinder der Sendung, Frank Elstner, möchte sich zwar aus der Nachfolge-Debatte raushalten, im Radiosender HR1 forderte er aber kürzlich Thomas Gottschalk dazu auf, seine Entscheidung zu revidieren und weiterzumachen. Das sieht auch Fernseh-Kritiker Marcel Reich-Ranicki so. Er lobte im Gespräch mit stern.de Gottschalks "außerordentliche Intelligenz und Bildung". Wer den Moderator beerben könnte? Da falle ihm auch niemand ein.
Ein langjähriger ZDF-Mann, der seinen Namen nicht nennen möchte, spart den Namen Pilawa bei der Diskussion demonstrativ aus. Er kann sich einen Neubeginn nur mit Michelle Hunziker vorstellen. Die Schweizerin habe zuletzt erheblich zu dem Erfolg der Sendung beigetragen. Das erschwere aber die Nachfolger-Suche für Gottschalk. Denn der oder die Neue müsse mit Hunziker harmonieren können. Das spräche gegen die beiden Kandidaten, die der Ex-Entscheider favorisiert: Hape Kerkeling und Anke Engelke.
"Jede Sendung hat seine Zeit"
Daran sieht man: Es wird keine leichte Entscheidung. Doch macht "Wetten, dass..?" ohne Thomas Gottschalk überhaupt Sinn? Helmut Thoma hat dazu eine sehr klare Meinung: Der frühere RTL-Chef hält die Sendung für komplett überholt. "Jede Sendung hat seine Zeit", sagte er stern.de. Und die von "Wetten, dass..?" sei abgelaufen. Das habe Thomas Gottschalk erkannt und wohl auch deshalb den Absprung gesucht. Wer die Sendung künftig moderiere, sei eigentlich egal, solange das Konzept so überaltert sei. Der einzige, dem Thoma zutraut, die Sendung zu retten, ist Stefan Raab. Der müsse dann aber schon eine komplett andere Sendung machen.
Realistisch wird es wohl darauf hinauslaufen, dass "Wetten, dass..?" mit geschrumpftem Publikum weiterlaufen wird. Es wäre dann nicht mehr Europas erfolgreichste Fernsehshow. Aber sechs, sieben Millionen Zuschauer statt der jetzigen neun bis zehn Millionen sind immer noch ein solider Wert.
Gottschalk selbst sieht die Sache ohnehin entspannt. Auf der jüngsten Pressekonferenz antwortete er auf die Frage, wen er sich als Nachfolger vorstellen könne: "Ich habe meine Frau auch nie gefragt: 'Wen hättest du am liebsten geheiratet?'" Die Fernsehzuschauer haben dagegen gar nicht erst die Wahl. Sie wissen nur, wen sie am liebsten hätten. Und das ist offenbar nicht der, den sie kriegen.