Geopolitik Weltwirtschaftsforum in Davos: Wer hofft noch auf eine bessere Welt?

Blick auf den Ort Davos
Fünf Tage lang findet das 54. Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforum in Davos statt
© KEYSTONE / GIAN EHRENZELLER / DPA
In Davos beginnt das Jahrestreffen des Weltwirtschaftforums. Können die Vertreter aus Politik und Wirtschaft dort das Vertrauen wiederherstellen, dass die Welt in Zukunft besser wird?

Es gibt eine wachsende Wut auf die da oben – das zumindest ist der Eindruck nach den Protesten der vergangenen Wochen, den Wahlprognosen für das kommende Jahr und all den anekdotischen Gesprächen, die man in den letzten Monaten geführt hat. Ob es da tatsächlich ein Treffen von Wirtschafts- und Staatslenkern in den Schweizer Bergen braucht, um die Probleme der Welt zu lösen? 

In Davos treffen sich bis Freitag wieder etwa 2800 Menschen aus Wirtschaft, Politik und Medien, um, so zumindest der formulierte Anspruch, eine bessere Welt zu schaffen. Doch das Vertrauen in diese Mächtigen sinkt seit Jahren, das Weltwirtschaftsforum WEF ist zu einem Symbol geworden und inzwischen auch zu einer regelrechten Verschwörungstheorie. 

Deswegen lässt sich das diesjährige Motto wohl auch selbstbezogen interpretieren: Rebuilding Trust – Vertrauen wieder aufbauen. Wir, so lässt es sich lesen, die Elite, die Entscheider, müssen etwas tun, damit die Menschen uns wieder vertrauen. 

Früher schienen Krisen sortierbar, heute ist alles auf einmal

Es gibt nun schon viele Jahre, in denen auf dem Weltwirtschaftsforum die sogenannte Multikrise Thema war – ein Begriff, der eigentlich auch nicht mehr sagt als: Es sind viele Krisen gleichzeitig. Da ist die Klimakrise, da war die Pandemie, dann kam der Krieg in der Ukraine dazu. Krisen überall. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos hat man sich um diese Krisen gekümmert – immer um die am meisten, die gerade am lautesten diskutiert wurde. Und so aussichtslos die Situation oft schien ob der vielen Krisen, so selbstbewusst gab sich das Weltwirtschaftsforum in der Annahme, Lösungen entwickeln zu können.

In diesem Jahr ist das schwieriger geworden. Krisen, das waren immer zeitlich begrenzte Probleme, die aufploppen und dann wieder verschwinden. Sie mögen sich wegen der Parallelität überfordernd angefühlt haben und doch fühlten sie sich – im Vergleich zu heute – sortierbar an. Sie schienen sich nach und nach abarbeiten lassen. 

Der Begriff Multikrise fühlt sich in diesem Jahr aber nicht mehr richtig an. Die grundsätzliche Veränderung dieser Welt fühlt sich nicht mehr wie eine Krise an, die irgendwann ein Ende findet. Wenn Donald Trump ein zweites Mal US-Präsident wird, ist es mehr als ein Versehen der US-Amerikaner. Wenn Menschen auf der ganzen Welt hoffen, dass es einen Staat Israel bald nicht mehr geben wird, dann erinnert es an dunkle Zeiten, die niemand als Krise abtun würde. Wenn in Europa immer mehr Autoritäre an die Macht kommen und es gleichzeitig eingekesselt wird von diktatorischen Herrschern, dann kann sich wirklich alles wenden. Dann ist nichts mehr sortierbar.

Treffen mit Weltverbesserungsanspruch

Das ist nun also die neue Situation, in der das Weltwirtschaftsforum stattfindet. Eigentlich wies der Weltverbesserungsanspruch in Davos immer in die Zukunft, in eine bessere Zukunft. Vielleicht ist 2024 das erste Jahr, in dem man sich auch ein bisschen nach Vergangenheit sehnt. Und so geht es auch darum, Vertrauen in eine positive Zukunft wiederherzustellen – Zuversicht und Optimismus. Es geht nun nicht mehr um ein bisschen Nachhaltigkeit in der Lieferkette, es geht nicht um Geschlechtergerechtigkeit, es geht um das Große und Ganze: Wird diese Welt in den nächsten Jahren besser? Geht es bergauf oder bergab?

Børge Brende, der Präsident des Weltwirtschaftsforums, sagte vor ein paar Tagen: „Der einzige Weg nach vorn ist zusammenkommen und Lösungen finden.“ Das Weltwirtschaftsforum ist kein Treffen, bei dem konkrete Ergebnisse verhandelt werden. Es geht darum sich auszutauschen, ums Netzwerken und die Gespräche neben der großen Bühne. 

Selenskyj, Gates und Macron kommen, Scholz und Biden nicht

Wer wird also dabei sein? Der wohl meisterwartete Gast ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, er ist das erste Mal persönlich vor Ort. Aus Europa kommen unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der französische Präsident Emmanuel Macron, der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, der spanische Premierminister Pedro Sánchez und der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis. Aus China kommt der Ministerpräsident Li Qiang, aus Argentinien ist der neue Präsident Javier Milei angekündigt und aus den USA Außenminister Antony Blinken. US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz werden nicht teilnehmen.

Auch der Krieg in Gaza spielt eine große Rolle auf dem diesjährigen Treffen. Es kommen neben dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog die Ministerpräsidenten aus Katar, Irak, Jordanien und Libanon. Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wird zum Thema „Sicherung einer unsicheren Welt“ sprechen.

Neben der Politik kommen vor allem Gäste aus der Wirtschaft, etwa 800 Führungskräfte reisen laut der Organisation an. Das größte Thema in diesem Bereich wird mit Sicherheit die Künstliche Intelligenz. Darüber diskutieren unter anderem Microsoft-Gründer Bill Gates, der heutige Microsoft-Chef Satya Nadella und Sam Altman, Chef des Chat-GPT-Unternehmens OpenAI.

Das Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforum wird die Krisen nicht lösen, es wird die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht wieder aufleben lassen können. Aber vielleicht werden Menschen miteinander reden, die es zu lange nicht mehr getan haben. Und das könnte ein Vorbild sein für all die Menschen, für die das Treffen in Davos das schrecklichste Symbol für „die da oben“ ist.

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