ZDF-Doku Wie "Die Lochis" für die Youtube-Zwillinge zum Problem wurde

Heiko und Roman Lochmann wurden auf Youtube bekannt als "Die Lochis". Eine ZDF-Doku beleuchtet nun ihren Weg danach
Heiko und Roman Lochmann wurden auf Youtube bekannt als "Die Lochis". Eine ZDF-Doku beleuchtet nun ihren Weg danach
© ZDF/Eric Joel
Mit 18 im Privatjet: Heiko und Roman Lochmann waren als "Die Lochis" zwei der ersten deutschen Youtubestars. Eine ZDF-Doku zeigt, was nach dem Ruhm geschah.

Zwei junge Männer sitzen auf dem Sofa ihres Wohnzimmers, bedrückter Blick, Hände in der Pulli-Tasche versteckt. "Andere könnten jetzt auch sagen, es ist doch alles cool, ihr spielt eure Konzerte. Wir haben halt den Vergleich zu damals", sagt Roman Lochmann zu seinem Zwillingsbruder Heiko. "Ich vermisse manchmal schon ein bisschen die Zeit", klagt der. Das klingt nicht wie der Beginn einer Doku über den Erfolg zwei der berühmtesten deutschen Youtubestars – aber das ist das ZDF-Projekt "Teenstar Dilemma" auch nicht. Es ist eine über das Kämpfen, das Scheitern und darüber, wie "Die Lochis" – die Marke, die Heiko und Roman Lochmann berühmt gemacht hat – zum Problem wurde.  

Rückblende in die 2010er-Jahre: Tausende Fans jubeln zwei Teenagern mit gegelten Haaren und Akne zu. Die Zwillinge sprechen in Talkshows, gewinnen Preise. Mit elf Jahren hatten Heiko und Roman Lochmann den Youtubekanal "Die Lochis" eröffnet, mit 13 sollen sie mit ihren Videos und Songs mehr Geld im Monat verdient haben als ihre Eltern, wie sie in einem Interview mit "Bigfm" verrieten. Ihre Spezialität: alberne Challenges, Parodien, aber auch eigene Songs auf Youtube. An der Wand in ihrem Studio hängt heute ein Youtube-Playbutton, daneben eine Goldene Schallplatte.

Doch 2019 ist Schluss: Heiko und Roman Lochmann trennen sich als 20-Jährige nach sieben Jahren beruflich. Sie fühlten sich nicht mehr ernstgenommen, erzählen sie in Interviews, das Image: zu kindisch. Nur ein Jahr später wagen sie einen Neuanfang als Pop-Rock-Musikduo "HE/RO". Die ZDF-Doku-Reihe begleitet die jungen Männer über mehrere Jahre und zeigt, wie schwer dieser Neustart ist.

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Die Lochis waren zwei der ersten deutschen Youtubestars

Schon in den ersten Minuten wird die Enttäuschung, die sich durch die Dokureihe zieht, deutlich: "Meistens kriegen wir Absagen, wenn wir Leute für ein Feature anfragen – oder gar keine Antwort", sagt Heiko Lochmann während der Arbeit am neuen Album. Clueso, den sie für den Song "Sehnsucht" angefragt hatten, sagt ebenfalls ab – findet aber immerhin den Song gut, wie die Musiker stolz erzählen. "Aber Clueso ist auch riesig", relativieren die beiden die Absage direkt.

Auch die Lochis waren einst riesig – ein Internet-Phänomen, zwei der ersten deutschen Youtubestars. Über eine Milliarde Klicks sammelten sie mit ihren Videos auf der Plattform. Doch genau dieses Teeniestar-Image, das sie groß gemacht hat, ist heute ihr Problem. Sie trennten sich, um ernstgenommen zu werden, um Musiker zu sein – keine Youtubequatschköpfe mehr. Doch genau das sehen auch heute noch die meisten in ihnen. Was das mit den zwei Brüdern macht, zeigt die Kamera: Frust, Selbstzweifel, Reibung. 

Nicht immer ist es angenehm, den beiden zuzusehen. Wenn sie sich ins Wort fallen, laut werden, über fehlende Kreativität streiten. Vor Auftritten wird diskutiert, Texthänger sorgen für Frust. Und als eine Journalistin sie nur als "Die Lochis" erkennt, kippt die Stimmung in Wut. Auch wenn "Die Lochis" sie berühmt gemacht hat, wollen sie damit heute nicht mehr in Verbindung gebracht werden. 

Warum haben "Die Lochis" nicht mit ihrem Erfolgskonzept weitergemacht?

Die beiden stehen unter Druck, auch finanziell. Da drängt sich die Frage auf, warum sie nicht einfach mit ihrem Erfolgskonzept "Lochis" weitergemacht haben; war das schlicht Überheblichkeit? Eine andere Antwort liegt näher: Während die Lochis erwachsen wurden, wurden es auch ihre Fans – und deren Interessen. Laute, grelle, spaßige Videos würden heute auch als "Lochis" vermutlich nicht mehr so funktionieren wie damals. Doch die oft ernste, tiefgründigere Musik von HE/RO tut es eben auch nicht. 

Musikalisch sind die Brüder heute auf einem ganz anderen Level. Das Problem, warum keine Festivalanfragen oder Feature-Zusagen kommen, ist das Image. Sie bleiben die Lochis, die Quatschköpfe, die Teenager – und das ist heute nicht mehr cool. Das Ziel, die Lochis abzuschütteln, aber als HE/RO an deren Erfolg anzuknüpfen, es scheint unerreichbar. Wie eine Runde Mario Kart, bei der man sein früheres Ich mit getuntem Motor die ganze Zeit vor sich fahren sieht – so fühle sich das an, dem alten Erfolg hinterherzuhecheln", sagen die Zwillinge. 

Das macht natürlich etwas mit den jungen Männern: Sie wirken oft bedrückt, wütend, unglücklich. Die Kamera hält drauf in diesen Momenten, es macht sie nahbar und verletzlich – auch wenn die Filmemacher die Doku gelegentlich ins popstarmäßig Derbe abdriften lassen mit einem nackten Po im Bild und mindestens einem Dutzend gerauchter Zigaretten. 

Mit 18 reisten "Die Lochis" im Privatjet

In den Rückblenden kann man das noch sehen, immerhin reisten die Lochis mit 18 im Privatjet, trugen Rolex und drehten in Bangkok – was sie inzwischen bereuen, wie sie in der Doku erwähnen. Kurz wird auf dumme Entscheidungen, finanzielle Verschwendungen und falsches Vertrauen eingegangen – doch da, wo es spannend werden würde, geht die Doku dann leider nicht in die Tiefe. Heute ist da mehr Einfamilienhaus-Leben in der "kleinen Großstadt Darmstadt": Wäschewaschen, Kochen, ganz normaler Alltag. 

Heiko und Roman Lochmann waren als Teenager so berühmt, dass sie damit ein Haus anzahlen konnten – aber nicht berühmt oder sparsam genug, um es abzubezahlen. Ein Sinnbild für ihre Karriere: Ruhm, der viel ermöglichte, aber nie ganz reichte. "Die Lochis" bleibt für die Brüder Segen und Fluch zugleich. Einerseits war es Sprungbrett und Publikumsmagnet, andererseits hält sie das Teenie-Star-Label fest in seiner Schublade.

Andreas Kappel, Talent-Scout bei Sony, findet in der Dokumentation klare Worte: "Ich habe das Gefühl, dass sie sich jetzt relativ klar gefunden haben. Ob die Menschheit das da draußen braucht?" – dazu zuckt Kappel nur mit den Schultern. "Ich glaube übrigens auch, die werden immer Musik machen. Die Frage ist, auf was für einem Level."

Das sind ernüchternde Aussichten, die die Dokureihe in keinem Moment beschönigt. Für Fans der beiden ist das sicher spannend, doch man fragt sich nach zweieinhalb Stunden auch, was man außer diesem Einblick noch mitgenommen hat: vermutlich ein beklemmendes Gefühl, ein bisschen Mitleid – und die Bestätigung, dass Erwachsenwerden im Rampenlicht selten ein Happy End hat.

"Teenstar Dilemma – Die Reise der Lochmann Zwillinge" ist ab dem 1. November um 21 Uhr im ZDF-Streaming zu sehen. Am Donnerstag, 13. November, laufen die fünf Folgen ab 22:15 Uhr auf ZDFneo.

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