Der Zustand unserer Wohnräume kann ein Spiegel der Seele sein, heißt es oft. Bei sogenannten Home-Accounts auf Instagram sah man in den letzten Jahren oft vor allem beige und helle Töne, eher leere Wände und viele freie Flächen – das Einzige, was irgendwie herumsteht, ist meist höchstens eine Vase mit Pampasgras (natürlich in beige). Marie Kondo hat ihre Spuren hinterlassen – der minimalistische Einrichtungsstil schien sich durchgesetzt zu haben und ist in Wohnungen weltweit eingezogen.
Ohne Krimskrams auszukommen und keine Dinge zu horten, die man augenscheinlich nicht unbedingt braucht, drückt aus: Man hat sein Leben im Griff. Wer etwas kritischer sein möchte, könnte aber auch sagen, sehr minimalistisch eingerichtete Wohnbereiche sehen schnell langweilig und kahl, und vor allem oft einheitlich aus. Damit bricht der Cluttercore-Trend.
Cluttercore-Trend: "Mehr ist mehr"
Seit einiger Zeit wenden sich vor allem junge Menschen einem Trend zu, der so ziemlich das Gegenteil von der Minimalismus-Obsession ist. Unter dem Hashtag #cluttercore findet man auf TikTok und Instagram Zimmer und ganze Wohnungen, die vollgepackt sind mit Möbelstücken, Bildern und verschiedenen kleinen Gegenständen in bunten Mustern und Farben. "Clutter" ist in etwa das englische Wort für Krimskrams, "core" bedeutet Kern. Nach dem gleichen Prinzip werden auch andere Einrichtungstrends benannt, wie "Comfortcore" oder "Cottagecore", die ähnlich wie Cluttercore eine Wohlfühlatmosphäre zu ihrem Hauptmerkmal machen.
Bei Wohnräumen, die nach der "Cluttercore"-Ästhetik eingerichtet sind, entsteht diese Wohlfühlatmosphäre durch das Motto "mehr ist mehr". Oft hängen an den Wänden Fotografien und Poster neben bunten Post-its, ausgeschnittenen Schnipseln aus Magazinen oder eingerahmten Konzertkarten. Auf Regalen sammeln sich kleine Plastikfigürchen und Bücher, dazwischen ranken Pflanzen. Auf Sofas und Betten thronen ganze Kolonien von Kuscheltieren und bunten Kissen auf Patchworkdecken.
Cluttercore ist geordnetes Chaos
Folgt nach Marie Kondo nun die Überkompensation in Form von wahllosem Chaos? Tatsächlich ist "Cluttercore" viel mehr. Wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass alles gar nicht so wahllos und zusammengewürfelt ist, wie es auf den ersten Blick aussieht, sondern trotzdem einer Art rotem Faden folgt. Auch wenn Farben und Muster meist bunt gemischt werden, überall kleine Dinge herumstehen oder an den Wänden hängen – meist folgt alles jeweils einem bestimmten Farbschema und einer gewissen Ästhetik. Wo was seinen Platz hat, ist sorgsam kuratiert und aufeinander abgestimmt.
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Corona-Pandemie hat Bedeutung der eigenen vier Wände verändert
Einige Vertreter:innen des Einrichtungsstils auf TikTok vertreten selbst die Ansicht, die Cluttercore-Ästhetik sei nicht etwa purer Maximalismus, also ein wahlloses Anhäufen von Dingen. Eine Userin erklärt auf TikTok: Es ist eher ein "organisiertes Chaos". "Es geht darum, stolz seine liebsten Dinge auszustellen." Das sind oft verschiedene kleine Gegenstände, die eine Geschichte erzählen und eine besondere Bedeutung für den oder die Besitzer:in haben. Bei dem Einrichtungsstil wolle man das gleiche Gefühl erzeugen, was man in einem gemütlichen Antiquitätenladen bekommt. Der Trend hat also auch einen nostalgischen Hintergrund, bei dem es darum geht, Andenken zu bewahren und auszustellen, die etwas über einen selbst aussagen.
Der Cluttercore-Trend ist im Jahr 2021 aufgekommen und könnte daher auch mit der Corona-Pandemie zu tun haben. Schließlich verbrachten alle mehr Zeit zuhause, und das Bedürfnis, in den eigenen vier Wänden durch mehr Farbe und nostalgische Erinnerungsstücke für mehr Wohlfühlfaktor zu sorgen, könnte gerade bei jungen Menschen dadurch gewachsen sein. Sie haben in ihrem Alltag die Einschränkungen mit am härtesten zu spüren bekommen. Mittlerweile ist die Pandemie nicht mehr so präsent im Alltag und in den Köpfen vieler, die Einschränkungen in den meisten Ländern kein Thema mehr. Cluttercore hält sich als Trend aber weiterhin.
Quellen: Apartmenttherapy.com, "Welt", BBC, Instagram