Viele glauben ja, dass es Paula gar nicht gibt. Mario Barths ominöse Freundin, Quelle und Zielscheibe seiner scheinbar unerschöpflichen Flachwitze über die (eigentlich unmögliche) Beziehung zwischen Mann und Frau. Welche Freundin würde das denn auch mit sich machen lassen? Schließlich sagt der Comedian: "Die Grundstory habe ich immer selbst erlebt".
"Wenn meine Freundin Schuhe kauft... Ich wäre froh, wenn sie solche Geräusche mal beim Sex machen würde", "Ich sag: Mäuschen, du bist die hübscheste Frau hier im Auto", "Sauer ist die sowieso, wenn du voll bist, kriegste es wenigstens nicht mehr mit.", "Wenn sie keine zwei Stunden hat, um sich zu schminken, dann krieg ich das den ganzen Tag zu spüren."
Paula lässt es offensichtlich mit sich machen. Seit 13 Jahren soll sie schon an Barths Seite weilen. Ungefähr so lange, wie der gelernte Telekommunikationsanlagen-Elektroniker und ehemalige Messdiener aus Berlin-Kreuzberg auf Bühnen steigt, um Leute zum Lachen zu bringen. Sein Karrieredurchbruch hat bald Zehnjähriges: Das war 2001 mit der Show "Männer sind Schweine - Frauen aber auch".
Fatale Mischung
Heute ist Mario Barth nicht nur Deutschlands erfolgreichster Komiker, sondern auch der am intensivsten gehasste. Ab Samstag geht er wieder mal auf Tour. Nachdem Barth 2008 den Lachrekord mit 70.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion aufgestellt hat, macht er es nun nicht mehr drunter. Dass das Programm seiner Stadiontour, "Männer sind peinlich - Frauen manchmal auch", bereits zwei Jahre alt und das Beziehungsthema sein einziges ist, stört die Fans noch weniger als Barth. "Wir haben lange überlegt, haben lange diskutiert, haben uns lange zusammengesetzt, die ganze Crew hat sich bei mir zuhause getroffen, wir haben wirklich nachgedacht: Machste wieder Mann-Frau? Und da kamen wir zu dem Ergebnis: Ja", heißt es gleich zu Beginn der Mehrfachverwertungsshow. Die Menge tobt, spricht mit, heult vor Lachen. Männer wie Frauen. Zig Tausende werden zum Ornament der gemütlich sexistischen Masse. Das macht Angst.
Eben diese Angst sorgte von Anfang an für heftige Reaktionen bei den Kritikern: "Der Verblöder" heißt Barth da, "Kollateralschaden der Demokratie", "Zeremonienmeister des Prekariats". Sein Auftritt im Olympiastadion sei eine "fatale Mischung aus Kindergeburtstag und Reichsparteitag" gewesen. "Für mich ist die Würde des Menschen angetastet, wenn Mario Barth ins Mikrofon furzt", lässt sich der Journalist und Autor Michael Jürgs zitieren, der in seinem Buch "Seichtgebiete" vor der allgemeinen und völligen Verblödung warnt.
Aus dem wahren Leben...
Mario Barth stören solch harte Worte nicht. Sagt er jedenfalls. Er mache ja "nichts Schlimmes". Im Gegenteil, er sei "ehrlich und authentisch", so das Selbstbild des 38-Jährigen. Das sehen die Fans genauso. Die Sprüche, mit denen Barth Tausende so erschreckend unisono zum Johlen bringt, seien "aus dem wahren Leben", freut sich User "Boppi" auf Amazon, wo dank bewusster Selbstausschlachtung zahlreiche DVDs, CDs und andere Barth-Artikel reichlich Geld in die Kassen spülen.
Und auch Kollegen schätzen den Mann, der manchmal ein bisschen so aussieht, als sei er mit Stefan Raab verwandt. "Ich mag an Mario Barth, dass er 70.000 Leute in einem Stadion zum Lachen bringt. Wenn jemand so etwas schafft, dann sage ich zu allererst: Respekt. Warum man das immer diskreditieren muss, verstehe ich nicht. Natürlich sind das großteils Witze, die eher Menschen ansprechen, die vielleicht einen einfacheren Humor haben. Aber das ist ja nichts Schlimmes", sagt Kabarettist Dieter Nuhr. Und von Blödel-Urvater Otto gab es einen Ritterschlag der besonderen Art: Er hat Barth höchstpersönlich in seiner Show veralbert. Und in "7 Zwerge - Der Wald ist nicht genug" durfte er auch mitspielen.
Und was sagen die Experten jenseits der Bühne? Rainer Stollmann lehrt an der Universität Bremen Kulturwissenschaften und forscht zum Thema Lachkultur. Kennt er vielleicht das unheimlichen Geheimnis des Erfolges von Mario Barth?
"Mario Barth ist ein Paartherapeut", sagt der Wissenschaftler im Gespräch mit stern.de. "Beziehungen sind ein häufiges Thema in der Komik, denken Sie nur an Loriot. Aber so stur und eindimensional wie Barth macht das sonst keiner", so Stollmann. Und Barth treffe eben seine Zielgruppe. Das seien vor allem jüngere Menschen bis 50 Jahre aus der Unterschicht. "Barth behandelt Probleme, die das Publikum wirklich hat. Die 70.000, die gelacht haben, würden sich niemals bei Sigmund Freud auf die Couch legen. Dank Barth halten sie es aber wieder sechs Wochen lang in ihrer Beziehung aus." In Barths Welt stimmten die alten Klischees noch. "Da wird sogar in einem gewissen Trotz gelacht. Da redet einer in diesem ganzen Political-Correctness-Quatsch mal Tacheles."
Nackenschlag des Schicksals
Und dann wagt Stollmann einen feinen Blick hinter den Vorhang: "Mario Barth guckt auf der Bühne immer hinter sich, so als würde er auf den Nackenschlag warten. So als erwarte er, gleich vom Lebensschicksal eingeholt zu werden." Genau das erkläre seine und die Witzwelt des Publikums: "Lieber nichts verändern, so wie die Verhältnisse sind, lässt es sich leben". Mario Barth sei ein Moralist, sagt Stollmann. "Der will Paare zusammenhalten, auf die groteske Art." Der wortgewaltige Abscheu der Intellektuellen sei ein Missverständnis, so Stollmann weiter. "Die frönen ihrer Verachtung der Massen."
Ob Paula das alles weiß und deshalb stillhält? Er lasse alle Gags von ihr absegnen, sagt Barth. Das sei eine Frage des Respekts. "Ich hatte die Wahl: Therapie oder Bühne. Ich habe mich für die Bühne entschieden", hat er auch einmal gesagt. Vielleicht ist Paula ja einfach nur seine Pflegerin.
Tourdaten: 4. Juni Frankfurt/Main, 18. Juni Gelsenkirchen, 2. Juli Leipzig, 16. Juli Berlin