Making-of heißt unser neues Format. Wir wollen Ihnen einen persönlichen Blick hinter die Kulissen ermöglichen, aus unserem journalistischen Alltag erzählen und von unseren Recherchen. Wir beginnen mit einer kleinen Serie, in der wir auf unsere Momente des Jahres 2023 zurückblicken.
Ich mache mir nichts aus Schuhen. Ich besitze so wenig Paare, dass die frühere philippinische Diktatoren-Gattin Imelda Marcos (besitzt angeblich über 3000) vermutlich nur verächtlich schnauben würde. Selbst für einschlägige Geschlechter-Witze des Komikers Mario Barth würde ich kaum taugen.
Trotzdem galt bei einem Termin mit Boris Pistorius im vergangenen April mein erster Blick seinen Schuhen. Wir standen im Wüstensand von Mali, wo Pistorius erstmals das Bundeswehr-Camp Castor besuchte.
Fast exakt ein Jahr zuvor war Pistorius' Vorgängerin Christine Lambrecht hier gewesen. Und hatte einen kleinen Shitstorm ausgelöst, weil sie in offenen Pumps durch den Sand lief. Prompt folgte eine weitere Diskussion: Wie sexistisch ist es, Politikerinnen nach ihrer Kleidung zu beurteilen?
Ich hatte damals kritisch über die Stöckelschuhe von Frau Lambrecht geschrieben. Weil diese mir typisch erschienen für die Weigerung der Politikerin, sich auf ihre Rolle als Verteidigungsministerin einzulassen. Sie schottete sich ab, lernte keine Dienstgrade, trat arrogant auf.
Die Pumps in Mali passten ins Bild. Lambrecht soll zuvor davon abgeraten worden sein. Auch weil für Soldatinnen und Soldaten im Mali-Einsatz strenge Kleidungsvorschriften gelten. Schon allein aus Sicherheitsgründen müssen sie robuste Schuhe tragen. Lambrecht soll dies mit den Worten abgelehnt haben: "Ich bin keine Soldatin, sondern die Ministerin."
Warum Kleidung in der Politik entscheidend sein kann
Unter bestimmten Umständen mag es für Politiker und Politikerinnen sinnvoll oder sogar mutig sein, Kleiderregeln zu brechen. Lambrechts' Vorvorgängerin Ursula von der Leyen trug 2016 bei einem Besuch in Saudi-Arabien demonstrativ Hosen und kein Kopftuch.
Gegenüber Soldatinnen und Soldaten, die in der Wüste von Mali monatelang Isolation, Langeweile und latente Gefahr ertragen müssen, zu demonstrieren, dass man sich nicht mit ihnen gemein macht, war hingegen nicht mutig. Sondern unklug.

Zurück zu Pistorius. Er trug an diesem Morgen nicht einfach nur festes Schuhwerk. Sondern braune Kampfstiefel der Bundeswehr, dazu ein sandfarbenes Hemd und Jeans. Natürlich ist auch das eine demonstrative Geste. Aber es passt eben auch ins Bild: Von Anfang an hat Pistorius versucht, die Bundeswehr so schnell wie möglich zu verstehen und den Soldatinnen und Soldaten ein zugewandter, nahbarer Chef zu sein.
Nun sollte das Äußere nie ein entscheidendes Kriterium im Urteil über einen Politiker oder eine Politikerin sein. Aber ich habe in Mali erlebt: Wenn Kleidung symbolisch für die Politik eines Ministers oder einer Ministerin steht, dann ist sie zurecht auch ein Politikum.