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Anti-Twitter-Trend Wer fotografiert, kriegt Hausverbot

Promis wie Mary-Kate und Ashley Olsen feiern gern und ausgiebig im Club "Tenjune". Wie ausgiebig, das soll niemand sehen. In Zeiten, in denen Fotos auf Facebook landen und Neuigkeiten via Twitter kursieren, entdecken New Yorker Bar- und Discobesitzer ein fast vergessenes Gut: die Privatsphäre.
Von Ulrike von Bülow, New York

Der Nachtclub "Tenjune" ist ziemlich angesagt in New York City. Er befindet sich in Manhattan, im Meatpacking District, und wird gern von der Prominenz frequentiert: Britney Spears feiert dort mit Torte und Wunderkerzen ihren Geburtstag, Kanye West hüpft mit jungen Damen über die Tanzfläche, die aussehen wie Rihanna. Im "Tenjune" gibt es helle Holztischlein und eierschalenfarbene Ledersofas, und wer hinein möchte in den Laden, der muss an einem Türsteher vorbei, der neuerdings Folgendes ansagt: Es ist verboten, im "Tenjune" Fotos von anderen Gästen zu machen.

Denn der Club möchte, dass hemmungslos gefeiert wird. Und niemand fürchten muss, sein (vielleicht nicht ganz vorteilhaftes) Bild am nächsten Tag bei Facebook zu finden - ungewollt. "Ich will nicht, dass so etwas meine Stammgäste davon abhält, wieder zu kommen", sagt Eugene Ramm, einer der Besitzer des Clubs. Und so lässt Mr. Ramm nun Facebook durchsuchen, auf Fotos aus dem "Tenjune". Wer es gewagt hat, welche zu veröffentlichen, der wird freundlich gebeten, dieses zu unterlassen; sonst droht Hausverbot.

Es ist schick, Twitter zu ignorieren

Privatsphäre ist ein Fremdwort in Zeiten, in denen im Internet alle alles miteinander teilen können. Ob bei Facebook, wo im Monat eine Milliarde neue Fotos hochgeladen werden, oder bei Twitter, wo allein im Juni 44,4 Millionen Besucher gezählt wurden. Klar, dass da irgendwann jemand sagt: Danke, das reicht, da machen wir nicht mit. In New York City bildet sich langsam eine Gegenbewegung, klein noch, aber erkennbar: Es ist schick, Twitter und Facebook zu ignorieren. Man möchte wieder unter sich sein, ganz diskret.

"Feiert weiter, aber ohne Tweets", schrieb kürzlich die "New York Times" und zitierte aus einer Einladung von "Protocols", einem New Yorker Zirkel, der aus fünf Medienmenschen besteht, die sich alle zwei Wochen zum Hintergrundgespräch treffen - mit ausgewählten Gästen (gern prominent), die etwas zu erzählen haben, das aber nicht jeder hören soll: "off the record, no tweeting, no blogging, no photos" heißt es bei "Protocols". Und wer sich daran nicht hält, wird von der illustren Runde ausgeschlossen.

"Wir kämpfen gegen die Idee, dass alles, was Menschen tun, pausenlos dokumentiert werden muss", sagt Michael Malice, Autor, Blogger und einer der Veranstalter. "Die Menschen glauben, dass jeder Gedanke, den sie haben, verloren geht, wenn er nicht festgehalten wird." Doch was in seinem Zirkel gedacht oder getan wird, das bleibt in jenem Penthouse in Manhattan, in dem "Protocols" zusammen kommt. Fotos davon gibt es keine, auch wenn Mr. Malice neulich eine Aufnahme von sich und einem berühmten Talkmaster wünschte, "doch dafür sind wir vor die Tür gegangen, denn unser Raum soll rein bleiben und eine Blase des Anstands sein."

Knigge für soziale Netzwerke

Immer mehr Gastgeber würden heute darum bitten, es zu unterlassen, Bilder ins Netz zu stellen und Partydetails zu teilen, sagt Celia Chen, Gründerin von "Notes On A Party", einer Website zum Thema "Festivitäten": "Es ist schließlich der Job eines Partyveranstalters, seinen Gästen vorzugeben, wie sie sich zu kleiden und wann sie zu kommen haben", so Chen, "und nun eben auch, wie sie sich zu verhalten haben, wenn es um die sozialen Netzwerke geht", um Facebook oder Twitter: dezent nämlich. Damit sich niemand blamiert.

Ähnlich verhält es sich mit "Milk And Honey", einer verschwiegenen Bar auf Manhattans Lower Eastside: Dort wurden kürzlich die Eintrittsgesetze verschärft, sind die meisten Tische jetzt nur noch für Mitglieder zu haben, die einen Beitrag für Intimsphäre bezahlen - nach dem sie unterschrieben haben, dass sie über nichts bloggen, was in der Bar geschieht. Auch wenn das manch einem schwer fällt: "Ich würde schon gern twittern, wenn ich da bin", sagt ein Gast, "andererseits: Es ist ein Spaß, auch mal etwas für sich zu behalten." In Zeiten wie diesen ist das schließlich etwas ganz Neues.

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