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Fall Gina-Lisa Lohfink Clash der Generationen

Im Verfahren gegen Gina-Lisa Lohfink gibt es noch kein Urteil. Doch eines wird an diesem Tag vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten deutlich: In der Strafsache gegen die Reality-TV-Darstellerin steht Alt gegen Jung.

Vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin wurde heute weiter über den Fall verhandelt, der seit Wochen in den sozialen und allen anderen Medien diskutiert wird: Gina-Lisa Lohfink, 29, bekannt aus dem Reality-TV und den Klatschspalten, wird vorgeworfen, zwei Männer wider besseres Wissens der Vergewaltigung beschuldigt zu haben. Dafür soll sie eine Strafe von 24.000 Euro bezahlen. Sie legte über ihren Anwalt Einspruch ein, beim ersten Verhandlungstermin brach sie nach Beschimpfungen durch Zuschauer zusammen, heute ging es weiter. Das Verfahren wird uns wohl noch eine ganze Weile beschäftigen, denn zu einem Ende kam es auch diesmal nicht.

Nein heißt nein heißt nein

Vor dem Gerichtsgebäude demonstrieren vor allem junge Leute. "Nein heißt nein!", rufen sie, und "Du bist nicht allein!" Für sie ist der Fall klar: Lohfink wurde Gewalt angetan, und zwar schon allein dadurch, dass zwei Männer sexuelle Handlungen an ihr ausführten in der Absicht, Videoaufnahmen anzufertigen und weiterzuverbreiten. Dass es zusätzlich zwei Videoausschnitte gibt, in denen Lohfink "Hör auf" wimmert, untermauert die These, dass außerdem sexuelle Handlungen ohne ihr Einverständnis ausgeführt wurden. Jede Frau, erklären die Aktivistinnen und Aktivisten geduldig in die Mikrofone der anwesenden Pressevertreter, habe das Recht auf ein "Nein" - "auch dann, wenn sie zehn Minuten vorher vorher 'ja' sagte". Den Demonstrierenden geht es um die Stigmatisierung von Frauen, die nicht dem gesellschaflich akzeptierten Bild einer "ehrenhaften" Person entsprechen. Und: Es geht um eine weitere Verschärfung des Sexualstrafrechts, das dieses Verständnis von konsensualem Sex besser widergibt, und die derzeit diskutiert wird. 

Skepsis im Gerichtssaal

Im Gerichtssaal 572 ist die Atmosphäre eine ganz andere. Hier regiert die Skepsis, werden jene Faktenschnipsel, die jeder zur Verfügung hat, verglichen und bewertet. Vor allem darüber, wozu Lohfink nun "Hör auf" gesagt haben soll, wird diskutiert. Der Anwalt eines der beteiligten Männer, der als Zeuge geladen ist, erörtert gestenreich, dass es sich "eindeutig auf das Filmen" bezogen habe (Anmerkung: Die Autorin hat alle diskutierten Clips gesehen. In einer von zwei Aufnahmen, in denen "Hör auf" zu hören ist, hat sie die Augen geschlossen und den Kopf zur Seite gedreht. Sie kann also gar nicht gesehen haben, ob gefilmt wird. In zumindest einem Fall fällt diese Erklärung also weg).

Bereits in den ersten Minuten der Verhandlung haben sich die ohnehin schon starren Fronten zwischen Richterin, Staatsanwältin und den beiden Verteidigern der Beschuldigten Lohfink noch mehr verhärtet. Lohfinks Anwalt Burkhard Benecken beantragt mehrere dienstliche Stellungnahmen hinsichtlich im Rahmen von Gesprächen mit Medienvertretern getätigten Aussagen der Gerichtssprecherin, der Staatsanwältin und des Justizsenators. Auch die Richterin soll eine Stellungnahme abgeben. Diese sagt: "Ich fasse das als Befangenheitsantrag auf." Der Anwalt entgegnet: "Nein, das ist kein Befangenheitsantrag." In den folgenden Minuten werfen sich Richterin und Anwälte verschiedene Paragrafen an den Kopf. Schließlich wird die Verhandlung für 15 Minuten unterbrochen. Die Verhandlug läuft erst seit einer halben Stunde, aber es ist schon klar: Das wird ein unangenehmer Tag für alle.

Gina-Lisa Lohfink trifft Mann einen Tag später

Als Zeugen werden zwei Personen vernommen: Lohfinks ehemalige Managerin Alexandra Sinner und einer der beiden Männer, die Lohfink der Vergewaltigung beschuldigt. Die Zuschauer im Gerichtssaal wundern sich über vieles an diesem Verhandlungstag: zum Beispiel darüber, dass Lohfink einen der beiden Männer am nächsten Abend noch einmal getroffen hat (der stern berichtete darüber bereits am 8. Juni). 

Für die jungen Leute draußen spielt dieses Detail dagegen überhaupt keine Rolle. Nein heißt nein, egal, was vorher war, ist ihre Message. "Es gibt Forschungen, wonach Opfer sexueller Gewalt mitunter das Erlebte komplett verdrängen und den Täter wieder treffen", erklärt eine Aktivistin vor der Tür. "Vielen dämmert erst in der Folge, was da eigentlich mit ihnen geschehen ist." Lohfinks Verhalten sei also erklärbar. Diese Erkenntnisse sind vor allem in jungen, feministischen Zirkeln bekannt. Ob der Fall Lohfink dazu passt, muss zwar noch geklärt werden. Viele derer, die an diesem Tag mit Schildern vor dem Gerichtsgebäude ausharren, gehen aber davon aus, dass solche psychologischen Aspekte an diesem, in erster Linie an "technischen" Details wie Promille oder Uhrzeiten interessierten Gericht nicht mehr geschieht.

Weltbilder prallen aufeinander

Es sind Welten und Weltbilder, die in diesem Fall aufeinander prallen - und Generationen. Möglicherweise ist dieser Aspekt der Grund, warum sich die Debatte überhaupt so aufheizte. Wenn das Sexualstrafgesetz in der Form durchgeht, die sich Grüne und feministische Verbände wünschen, dann geht dieser Punkt eindeutig an die Jungen.

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