Eigentlich ist das Thema tabu. Natürlich tritt die Queen etwas kürzer, lässt sich bei Terminen vertreten und hält sich immer häufiger draußen auf Schloss Windsor auf, abseits vom Londoner Hauptstadt-Stress. Aber eigentlich ist Elizabeth II. so gesund, wie man mit 80 nur sein kann - auch wenn sie am Donnerstag wegen eines verspannten Rückens einen Besuch im neuen Stadion des FC Arsenal absagen musste. Und immerhin hat ihre Mutter das sagenhafte Alter von 101 Jahren erreicht. Es kann also noch dauern. Aber trotzdem macht man sich in London selbstverständlich bereits Gedanken über den Tag X.
Jetzt sind einige solche Gedanken an die Öffentlichkeit gelangt - und wenn man dem Magazin "The Spectator" glauben darf, stammen sie ausgerechnet vom eigenen Sohn. Das angesehene Wochenblatt berichtete am Donnerstag unter Berufung auf gute Quellen im Hofstaat, dass Thronfolger Charles - immerhin schon 57 - bereits einigermaßen genaue Vorstellungen davon hat, wie er eines Tages den Thron besteigen will.
Alles live - auch die Salbung
Demzufolge soll es neben der christlichen Krönungszeremonie, die seit fast einem Jahrtausend in der Westminster-Abtei stattfindet, erstmals eine zweite Zeremonie für andere Glaubensrichtungen geben. Auf diese Weise wolle der neue King gleich zu Beginn seiner Herrschaft ein Zeichen setzen, dass er sich tatsächlich als Oberhaupt aller Briten verstehe, unabhängig vom Glauben. Wird Charles in der langen Geschichte des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland der erste "Multikulti-König" sein?
Die Überlegungen sollen schon recht weit gediehen sein. Demnach soll es bei der christlichen Zeremonie bleiben, die traditionell vom Erzbischof von Canterbury abgehalten wird, dem Primas der anglikanischen Kirche. Sie soll aber kürzer sein und moderner ablaufen als bei der vorigen Gelegenheit im Juni 1953. Damals wurde zwar erstmals eine Krönung live in der BBC übertragen. Die Queen bestand aber zum Beispiel darauf, dass ihre Salbung nicht gezeigt wurde. Charles will alles filmen lassen - was in der heutigen TV- Gesellschaft wohl auch kaum anders ginge.
Ein Zeichen der Versöhnung
Interessanter sind die Überlegungen für eine zusätzliche Zeremonie mit Vertretern des Islam, des Judentums, des Buddhismus und des Sikhismus, der in Großbritannien unter indischen Einwanderern weit verbreitet ist. Sie soll mit einigem zeitlichen Abstand zur eigentlichen Krönung in der Westminster Hall stattfinden, der großen Halle des Parlamentsgebäudes. Auf diese Weise wolle ein König Charles III. - oder wie immer er eines Tages heißen mag - "ein Beispiel für das ganze Land setzen", zitierte der "Spectator" einen hochrangigen Mitarbeiter des Hofstaates.
Der jüngste innenpolitische Streit in Großbritannien um das Tragen von Schleier und Kopftuch durch islamische Frauen hätten den Thronfolger in seiner Überzeugung noch bestärkt, hieß es. "Er ist bestürzt, wie die Leute, die eines Tages seine Untertanen sein werden, wegen ihrer religiösen Überzeugungen aufeinander losgehen." In Großbritanniens konservativem Lager wird die "Multikulti"- Gesellschaft deshalb schon für gescheitert erklärt.
Der "Spectator"-Bericht wird in London trotzdem für glaubwürdig gehalten - zumal Charles in der Vergangenheit schon des öfteren gezeigt hat, dass er sich auch durch öffentliche Kritik von unkonventionellen Ideen nicht abbringen lässt. Im Königshaus hieß es offiziell nur, der Prinz von Wales sei "an keinerlei Diskussionen oder Planungen für die nächste Krönung" beteiligt. Aber niemand bestreitet, dass man sich für den Fall der Fälle Gedanken macht.