Misswahlen Spieglein, Spieglein an der Wand

Von Monique Berends
Mit wenig Kleidung und viel Make-up konkurrieren Jahr für Jahr Frauen aus aller Welt um den begehrten Titel "Schönheitskönigin". Misswahlen - für Feministinnen ein fleischgewordener Alptraum, für viele andere die schönsten Shows der Welt.

Misswahlen laufen vollkommen subjektiv ab. Die ausgewählten Damen präsentieren sich einer ausgewählten Jury, und die hat die Qual der Wahl: zwischen blond und brünett, kurvig oder flach, nordeuropäisch oder lateinamerikanisch. Und schließlich, mit viel Pling Pling im strassbesetzten Kleid, wird der Siegerin das Krönchen aufgesetzt. Das Beste an der Glitzer-Tradition ist jedoch, dass sogar das Publikum die Wahl hat: Denn zwischen Miss World und Miss Universe konkurrieren jährlich dutzende Shows um die Schönsten der Schönen: Es werden nationale Missen gekürt, die sich dann um den Titel der Miss Europe, Miss Earth, Miss International und so weiter bewerben.

Da vorher bestimmt werden muss, wer an den beiden wichtigsten Schönheitswettbewerben, Miss Universe und Miss World, teilnehmen darf, kann der Zuschauer sich auch noch zig Vorentscheidungen ansehen - von der Wahl zur Miss Landpomeranze bis hin zur Miss America. Inzwischen hat fast jedes Land seine eigene Misswahl. Die Gewinnerin darf sich als Repräsentantin ihrer Heimat im Bikini, Abendkleid und traditionellem Kostüm auf einer blitzblank geputzten Bühne mit Spiegeleffekt zeigen - eine kleine Hilfe für die Ladys, die immer wieder mal Kleid und Pose zurecht rücken müssen. Nichts wäre fataler als Petersilie zwischen den Zähnen, gerade wenn man der Jury tief in die Augen lächeln muss.

Außen hui, innen pfui?

Spötter behaupten, die Kandidatinnen hätten nichts im Kopf. Angesichts von so viel Schönheit ist es schon schwer zu glauben, dass die engelhaften Gestalten zusätzlich zu ihrem beneidenswerten Aussehen auch noch mit Intelligenz gesegnet sind. Doch unter den Missen finden sich Ärztinnen genauso wie Jura- und BWL-Studentinnen. Die meisten streben zusätzlich noch eine Model-, Moderatoren- oder Schauspiel-Karriere an. Geballte Perfektion. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Auch wenn Misswahlen nicht überall Anklang finden, haben sie doch Tradition. Der Miss World Wettbewerb wurde 1951 vom Briten Eric Morley ins Leben gerufen. Die BBC, für qualitatives Fernsehen bekannt und gelobt, strahlte die Wahl von 1959 bis 1979 jährlich aus; von 1980 bis 1988 übernahm dann Thames Television. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Wahl stets in London abgehalten. Zu ihren Topzeiten zog die Miss World Wahl allein 27,5 Millionen Briten vor die Fernseher und war für die Engländer damit genauso attraktiv wie eine königliche Hochzeit.

Fleischbeschau mit Tradition

Der Miss Universe Contest findet seit 1952 statt. Der US-amerikanische Bademodenhersteller Catalina rief ihn als Konkurrenzveranstaltung zur Miss World ins Leben, genauso wie er die Miss USA als Konkurrenz zur Miss America startete. Das Highlight der Wahl war, wie soll es anders sein, die Präsentation der Bewerberinnen in Badeanzügen. Dieses Auswahlkriterium war vom Hauptsponsor Catalina zur Pflicht gemacht worden, nachdem sich bei der Miss America Wahl eine Kandidatin nicht im knappen Badeanzug zeigen wollte. Geschickt eingefädelt: Mit der Bademoden-Runde zog der Miss USA Wettbewerb alle männlichen Blicke auf sich und eroberte gleich eine feste Zuschauerschar. Inzwischen wird der Miss Universe Contest (genauso wie der Miss USA und Miss Teen USA Contest) in Partnerschaft mit dem US-Fernsehsender NBC und dem Milliardär Donald Trump produziert.

Somit haben sich mittlerweile vor allem die großen internationalen Wettbewerbe zu einem Millionengeschäft gemausert. Das ganze Jahr lang wird die Werbetrommel gerührt, finden Ausscheidungen und Schönheitsevents statt, um Zuschauer wie Kandidatinnen vor Kamera und Fernseher zu locken. Allerdings müssen die Bewerberinnen einige Kriterien erfüllen, um zur Wahl zugelassen zu werden: Der Veranstalter der Miss Universe Wahl lässt keine Frauen zu, die jünger als 18 oder älter als 27 Jahre sind. Die Miss Deutschland, die eine vertraglich geregelte Chance auf dem Miss Universe Titel hat, darf zudem nicht verheiratet sein und keine Kinder haben. Um Skandale zu vermeiden, dürfen sich nur Mädchen bewerben, die in der Vergangenheit keine Nackt- oder Oben-ohne-Aufnahmen gemacht haben.

Schönheitsköniginnen aus der Schönheitsindustrie

Mit der Professionalisierung der Wahlen ging auch eine Veränderung der Kandidatinnen einher. War es früher verpönt, ja sogar verboten, der Natur durch Schönheitschirurgie nachzuhelfen, kann sich heute kein Jurymitglied mehr sicher sein, ob die Schönheit natürlich ist. Auch wenn es nicht gerne gesehen wird, macht sich heute keiner mehr etwas vor, wenn er von der authentischen Schönheit der Missen spricht. Auf der Website der Miss Universe spricht man sogar kleinlaut davon, dass "die Mehrheit der Bewerberinnen sich nicht chirurgisch hat verändern lassen". Der Rest lässt nachhelfen. In Südamerika ist eine regelrechte Miss-Industrie entstanden. Junge Mädchen werden getrimmt, geschult, geformt und operiert, um es zum Titel der Schönheitskönigin zu bringen. Mit Erfolg: lateinamerikanische Missen sind besonders beliebt bei den Juroren. Insgeheim gilt: Wer den besten Chirurgen hat, gewinnt.

Das gilt auch bei den neuesten Misswahlen: Die Miss Internationaal Queen, bei der nur Transvestiten und Transexuelle Männer zugelassen sind und die im Jahr 2004 ins Leben gerufene Miss Plastic Surgery, also die Miss Schönheitsoperation. Im Alter von 17 bis 62 Jahren traten in der Finalrunde 19 künstliche Schönheiten gegeneinander an. Den Gewinn von umgerechnet 6000 Dollar konnte die 22-jährige Chinesin Feng Qian mit nach Hause nehmen. Und gleich in die nächste OP investieren.

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