New Yorker Geschichten Im Feindesland

Laura und Jenna Bush stellen in Manhattan ein Kinderbuch vor, das sie gemeinsam geschrieben haben. Doch wer Bush heißt, hat es nicht leicht in New York. Hier wird demokratisch gewählt und der Präsident gehasst. Das bekommen auch die First Lady und ihre Tochter zu spüren.

Mutter und Tochter sind wohlauf. Sie sind im Feindesland zu Gast, Angriffe aber bleiben an diesem Abend aus. Vorerst jedenfalls. Laura und Jenna Bush sitzen im "92nd Street Y", einem Kulturzentrum auf der Upper East Side in Manhattan, sie sitzen in einem Saal, der 900 Plätze hat, aber er ist nicht ausverkauft: 500 Leute sind gekommen, um Mutter und Tochter zuzuhören. Es geht an sich um eine gute Sache, aber in New York wird demokratisch gewählt, immer, Republikaner haben hier keine Chance, und George W. Bush ist in der Stadt etwa so beliebt wie Osama Bin Laden. Ständig wird irgendwo gegen ihn und seinen Krieg demonstriert, täglich nennt die New York Times "Names of the Dead", die Namen der Toten, heute: Lance O. Eakes aus North Carolina, 25. Mit ihm sind es 4031 Amerikaner, die im Irak gestorben sind.

Die Zwillingstöchter des Präsidenten sind 26 Jahre alt. Jenna Bush, eine Minute jünger als ihre Schwester Barbara, wurde neulich in einem Fernsehinterview gefragt, ob sie diesen Krieg für richtig halte, aber sie wich aus. Ihr Daddy mache "einen großartigen Job" und der Krieg im Irak sei "offenbar eine komplizierte Angelegenheit", sagte sie, sehr diplomatisch.

"Wir haben wenig ferngesehen - es sei denn, es gab Baseball"

Heute spricht Jenna Bush über ein Kinderbuch, das sie geschrieben hat, zusammen mit ihrer Mutter: "Read all about it!" soll Kinder zum Lesen animieren. Darin geht es um einen Jungen namens Tyrone, Typ Klassenclown, der den Unterricht beherrscht und seinen Mitschülern eintrichtert, Lesen sei doof. Aber dann geschieht Seltsames, und die Figuren aus einem Buch werden lebendig und bespaßen die Kinder, und so findet Tyrone Lesen bald toll.

Laura Bush trägt einen schwarzen Anzug, Jenna Bush eine gelbe Bluse und einen schwarzen Rock, und die beiden Damen lesen nun abwechselnd ein paar Seiten ihres Buches vor. Jenna kommt optisch nach ihrem Vater, aber ihre Stimme klingt wie die ihrer Mutter, sie ist tief und klar. Und wie Laura Bush, die früher Grundschüler unterrichtete, wurde Jenna Lehrerin. Sie sagt, sie beide hätten es mit Jungs wie Tyrone zu tun gehabt, "mit Jungs, die sagen: Bücher sind sooooo langweilig", darum nun "Read all about it!". Denn Lesen sei ja wichtig, gerade im Zeitalter der Computerspiele, und sie habe als Kind viel gelesen. "Wir haben wenig ferngesehen - es sei denn, es gab Baseball", sagt Jenna, und beide Damen lachen laut; vermutlich war es der Herr des Hauses, der dann das Familien-Programm bestimmte.

Vom Party-Girl zur Grundschullehrerin

Lehrerin zu sein, sagt Jenna dann, sei eine feine Sache: "Ich kann abgehetzt und müde zum Unterricht kommen, aber dann sind da 24 Kinder und schauen mich an - und das gibt mir Energie." Leider sei ihr Beruf heute für viele Menschen nicht mehr attraktiv, "denn das Problem ist: Lehrer werden unterbezahlt". Jenna redet deutlich mehr als ihre Mutter, manchmal fällt sie ihr ins Wort, aber was immer sie sagt und tut: Stets lächelt Laura Bush ihre Tochter von der Seite an, sehr stolz. Vielleicht denkt sie in solchen Momenten: Das Mädchen haben wir ja doch noch ganz gut hinbekommen.

Die Bush-Zwillinge waren mal die Party-Girls der Nation; die erste Amtszeit ihres Vaters feierten sie mehr oder weniger durch. Jenna streckte den Agenten vom Secret Service die Zunge raus und hatte mehr als einmal Ärger wegen "under-age drinking"; in Texas darf man erst mit 21 Alkohol trinken, sie aber fing ein bisschen früher damit an und wurde erwischt. Es gab hübsche Schlagzeilen, aber dann ging es um Mr. Bushs Wiederwahl, die Zwillinge gaben sich als liebe Wahlkämpferinnen und wurden während seiner zweiten Amtszeit erwachsen.

Jenna arbeitete an einer Grundschule in Washington, dann nahm sie sich eine Auszeit und ging für Unicef nach Latein-Amerika, um ein Buch über Kinder zu schreiben, die in Armut leben: In "Anas Story" erzählt sie die Geschichte der 17-jährigen Ana aus Panama, die ein Baby hat, das sie allein erzieht, und HIV-positiv ist. Im September kehrt Jenna in den Schuldienst zurück, aber nicht mehr als Miss Bush, sondern als Mrs. Hager: Am 10. Mai heiratet sie ihren Boyfriend Henry Hager, der optisch an den jungen Prinz Charles erinnert. Die Vermählung findet auf Daddys Landgut in Crawford, Texas, statt, im kleinen Privatrahmen, das heißt bei Familie Bush: mit 200 Gästen. Die First Lady sagt, sie habe sich ein Fest im Weißen Haus gewünscht, aber große Partys kommen in Zeiten des Krieges nicht so gut, und Jenna wollte eh lieber in ihrer Heimat feiern. Draußen. Sie und Henry seien nämlich "sehr naturverbunden", sagt Jenna, er habe ihr den Antrag beim Wandern gemacht.

Bohnen und Maisbrot im Hause Bush

Auch auf die Brautmutter kommt bald ein neuer Lebensabschnitt zu, wenn die zweite Amtszeit des Präsidenten vorbei ist. "Ich gehe dann in Rente", sagt Laura Bush und lacht. "Die Leute fragen mich jetzt schon: Was machst du dann? Wirst du wieder selber kochen?" Jenna guckt ziemlich entsetzt, dann sagt sie: "Früher hat sie uns jeden Abend Bohnen und Maisbrot gemacht, also… Kochen ist nicht ihre Spezialität." Das Publikum - Kategorie: 50 plus, konservativ - lacht. Jenna macht einen ziemlich kessen Eindruck, überhaupt, man ist überrascht: Die Damen Bush sind unterhaltsam, fröhlich und offen, man kann ihnen eigentlich nichts vorwerfen. Außer ihrem Ehemann und Vater.

"Auf Wiedersehen, Kriegsverbrecher!"

Am Ende, nach 55 Minuten, als Laura und Jenna Bush von der Bühne gehen, springt im Publikum ein junger Mann auf, sehr groß, sehr dunkelhaarig, und brüllt durch den Saal: "Goodbye war criminal", auf Wiedersehen, Kriegsverbrecher; man meint, auch das böse F-Wort zu hören, das im amerikanischen Fernsehen gern mit einem Beeeep! übertönt wird. Mutter und Tochter ignorieren den Vorfall elegant, dann sind sie weg. Und schon sind ein paar Sicherheitsleute da und entfernen den Schreihals.

Wenig später sieht man ihn draußen wieder, er trägt Handschellen und sagt: "Mein Name ist Matthew, ich bin ein Reporter des amerikanischen Volkes…", aber dann wird er von ein paar Cops in einen Polizeiwagen verfrachtet. Der Reporter einer New Yorker Tageszeitung möchte von ihm noch wissen, was das zu bedeuten hat, aber da wird die Autotür zugeknallt. Und Manhattan fühlt sich doch noch an wie Bush-Land.

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