Niederlande Trauer um Königinmutter Juliana

Die niederländische Königinmutter Juliana ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Nach Angaben ihrer Ärzte starb sie an einer Lungenentzündung. Regierungschef Balkenende hob das soziale Engagement Julianas hervor, die bis 1980 selbst Königin war.

Sie war die zweite von drei Königinnen, die die Niederlande durch das 20. Jahrhundert führten: Juliana, 1948 nach dem Thronverzicht ihrer Mutter Wilhelmina zur Königin gekrönt, begleitete das Land durch den Prozess der Entkolonialisierung und eines grundlegenden sozialen Wandels in der Nachkriegszeit. Und wie ihre Mutter trat sie zu Gunsten ihrer Tochter Beatrix zurück, als 1981 eine neue Epoche aufzog. Am Samstag verstarb Juliana im Alter von 94 Jahren.

Wie Wilhelmina und Tochter Beatrix war auch Juliana mit einem Deutschen verheiratet: Prinz Bernhard von Lippe-Biesterfeld. Aus der 1937 geschlossenen Ehe gingen vier Töchter hervor.

Grundlegender Wandel durch Entkolonialisierung

Julianas Mutter Wilhelmina erklärte am 31. August 1948, dem Tag ihres goldenen Thronjubiläums, ihren Rücktritt. Beobachter sahen darin eine Einsicht der alten Königin, einer neuen Zeit nicht im Weg stehen zu wollen. In der Tat rief die Entkolonialisierung - eines der wichtigsten von Juliana unterzeichneten Gesetze war der Verzicht auf die westindischen Kolonien, aus denen nach 346 Jahren niederländischer Herrschaft Indonesien hervorging - einen grundlegenden Wandel in den Niederlanden hervor. 1975 wurde nach den Niederländischen Antillen Surinam als letzte Kolonie unabhängig.

Wilhelmina war geachtet und respektiert, weil sie in den Kriegsjahren von London aus eine Exilregierung und den Widerstand gegen die deutsche Besatzung unterstützte. Juliana wurde wegen ihrer natürlichen Herzlichkeit geliebt, und noch nach ihrer Abdankung zu ihrem 71. Geburtstag begingen die Niederlande ihren Geburtstag als "Koninginnedag" weiter.

Neben der alle Belastungsproben und Krisen überdauernden Popularität gab es noch einen pragmatischen Grund: Am 30. April ist das Wetter freundlicher als am Geburtstag ihrer ältesten Tochter Beatrix, die am 31. Januar 1938 geboren wurde.

Juliana war volksnah und wurde so zur Sympathieträgerin des Königshauses. Sie begab sich 1953 in die von einer verheerenden Sturmflut heimgesuchten Provinzen Zeeland und Südholland, sie stattete regelmäßig Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen Besuche ab. Auf das formelle Protokoll des Hofes legte sie wenig wert: Besuchern schenkte sie den Tee kurzerhand selbst ein.

An Affären kein Mangel

An Affären, Intrigen und Skandalen herrschte unterdessen auch in den 60er Jahren kein Mangel. Mit ihrer herzlichen Hartnäckigkeit hielt Juliana lange an der Gesundbeterin Greet Hofmans mit, die sie nach der Geburt ihrer fast blinden Tochter Maria Christina an den Hof geholt hatte. Erst nach massivem politischen Druck und heftigen Auseinandersetzungen mit Bernhard gab sie nach und verbannte Hofmans vom Hof, der Einfluss auf die Staatsgeschäfte nachgesagt wurde.

Eine Krise löste 1964 der Übertritt ihrer zweitältesten Tochter Irene zum katholischen Glauben und deren Hochzeit mit dem spanischen Thronprätendenten Prinz Carlos Hugo von Bourbon-Parma aus. Auch die Hochzeit von Beatrix mit dem deutschen Diplomaten Claus von Amberg ließ 1966 noch nicht vernarbte Kriegswunden wieder aufbrechen. Später wurde Claus zur Symbolfigur für eine Versöhnung mit den Deutschen. Die beiden anderen Töchter heirateten Bürgerliche.

In den 70er Jahren sorgte der Lockheed-Bestechungsskandal um Prinz Bernhard für Furore: Julianas Mann soll von dem US-Flugzeughersteller vier bis sechs Millionen Dollar Bestechungsgeld für Rüstungsaufträge bekommen haben. Bernhard wurde letztlich nur der Erhalt von 100.000 Dollar nachgewiesen, die er einräumte für Weihnachtsgeschenke ausgegeben zu haben. Bernhard musste einige öffentliche Ämtern niederlegen.

"Augen öffnen für das milde Licht des Lebensabends"

Zur goldenen Hochzeit 1987 spendeten Juliana und Bernhard 2,67 Millionen Mark für die Behindertenfürsorge und die Tierschutzorganisation World Wildlife Funds (WWF). Über das Leben im Alter sagte sie einmal: "Jede Lebensperiode kann schöner sein als die vorige, wenn man nur die Augen öffnet für das milde Licht des Lebensabends."

DPA
Anthony Deutsch

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