Das Buch lag schon lange im Schrank. Manchmal, wenn der Tag und die Nachrichten öde waren, werden sie es in der Redaktion der "Sun" herausgenommen haben und sich - "höhö" - durch die Seiten mit dem Mädchen und ihren dollen Dingern geblättert haben.
Das Mädchen, das sich von einem Kerl die Sahne von den Nippeln lecken lässt oder Erdbeeren aus ihrem Bauchnabel verfüttert. In England ist so was Standard, jeden Tag sehen die Briten auf der Seite drei der "Sun" so ein Glockenspiel, aber das Mädchen in dem Buch "Die Freuden der Liebe", ein, na ja, so plüschiges Aufklärungsbuch wie eine Zimmerpalme, war damals jung und brauchte das Geld. Heute ist sie die zukünftige Ex-Mrs. McCartney und will viel Geld - glauben zumindest die Männer in den Redaktionen der englischen Presse.
Also holten sie das Buch aus dem Schrank, zeigten dem Land die 18 Jahre alten Bilder und feuerten glitschige Schlagzeilen der Doppelmoral hinterher. Der Kerl von damals, das Ex-Model Peter Wilson, feuchtelte in Erinnerungen: "Sie war so schamlos. Sie zeigte mir gleich alles." Wie kann so ein Ex-Luder und Nackedei wie Heather Mills vom Ritter Paul McCartney Millionen verlangen? Wie kann sie überhaupt darüber nachdenken, mit diesem duddeligen Vorleben die gemeinsame Tochter Beatrice miterziehen zu wollen? "Fame-Digger", beschimpften sie das Ex-Model, eine Ruhmsüchtige, die sich vom Denkmal McCartney das Konto mit Millionen voll tanken wolle. War sie vor vier Jahren bei der Hochzeit noch ein "lebenslustiges" und "engagiertes" Mädchen, das dem Ex-Beatle wieder das Lachen beibrachte, ist sie nun eine spaßsüchtige Nervensäge, die Paul überredete, sich die grauen Haare kastanienbraun zu färben und von der Luschendroge Haschisch zu lassen. Zur Krönung des Heather-Mobbings veröffentlichte ihr Ex-ex-Mann Chris Terrill einen offenen Brief an Paul: "Ich sollte Ihnen vielleicht dankbar sein, dass Sie meinen Platz in diesem Flugzeug eingenommen haben, das bestimmt war, brennend zu zerschellen (...) Wir sind nun beide ge-'heathered'"
"Ich kann doch nichts dafür"
Viel Lärm auf der Insel, der nur ein Ziel hat: ein Denkmal zu schützen, das gar keines ist. Denn auch wenn sich Paul McCartney jetzt die besten Anwälte genommen hat und das alleinige Sorgerecht für seine Tochter erstreiten will, sehen sein pergamentgraues Gesicht und sein hängender "Ich kann doch nichts dafür"-, andere sagen Dackel-Blick, nicht nach Victory aus. Im Gegenteil, schaut man ihm zu, wirkt Paul McCartney eher wie einer, der nach vier Jahren des Wegs mal wieder in eine Lebenssackgasse gelaufen ist und nun den Ausgang sucht.
Es ist, als hätte ihm das Leben ein "Gehen Sie zurück auf Start" zugeraunt, und er könnte nur müde antworten: "Aber da war ich doch schon so oft." Und das stimmt. Mag ja sein, dass die Trennung von seiner Frau, dem Ex-Model, nur eine von vielen in der Blitzlichtwelt ist, mag auch sein, dass die Sofa-Analytiker der bunten Blätter Recht haben - alter Mann, junge Frau, konnte ja nicht gut gehen. Aber das sagt nichts darüber aus, was tatsächlich war mit Paul McCartney.
Der 64-jährige Sohn einer Hebamme und eines Baumwollhändlers aus Liverpool stand nach der Trennung der Beatles 1970 schon häufig an den Weggabelungen Erfolg, Können oder Genie - und er wählte oft die falsche Richtung. Das Drama McCartney steht für die Misere einer ganzen Generation von Pop-Opas, die aus dem Ruhm der 60er Jahre nur die Selbstüberschätzung mitgenommen haben. Sie glauben, mit guten neuen Songs auch einen neuen Lebensentwurf für sich geschaffen zu haben. Doch vom Leben haben einige bis heute keine Ahnung.
McCartney beschloss ewiger Beatle zu bleiben
So reichte 1969 der Auftritt einer einzigen Frau, der hippiesken Domina Yoko Ono, um die fragile Boyband Beatles zu sprengen. So dünn waren die Bruchstellen aus Neid, Missgunst und, ja, Ahnungslosigkeit, dass der Satz Yoko Onos an John Lennon, "Hey John, du bist ein Genie, Paul kann höchstens Haus auf Maus reimen", die Fab Four auseinander trieb. Und da waren sie dann jeder für sich und allein auf der Welt. Ringo füllte einen Pool mit Whisky und trank ihn mit den Jahren aus, George spirituellte mit Göttern herum, John schrieb großartige Songs ("Imagine", "Jealous Guy") und wurde 1980 von einem Irren erschossen. Und Paul McCartney beschloss, ein ewiger Beatle zu bleiben. Wenn John Lennon das Genie der Beatles war, dann war McCartney das Talent. Das Talent Paul schrieb morgens einen Song und nannte ihn "Scrambled Eggs", Rühreier also, und erst mit dem Genie Lennon entstand daraus der Text zu "Yesterday". So war das. Nun war das Talent allein.
Und verheiratet mit Linda, einer Fotografin. Sie lebten auf einer Farm, waren Vegetarier, bekamen drei Kinder, und Paul gründete die Wings. Linda, die das eigentlich nicht wollte, lernte Keyboard und musste auf der Bühne mitspielen. Von so was träumte Paul, von einer Art Kelly Family aus Beatles-Wolle. "Selbstsucht", sagte Oscar Wilde, "heißt: von anderen zu verlangen, so zu leben, wie man zu leben wünscht." Das Talent Paul schrieb Songs in einer Geschwindigkeit wie ein world wide Dieter Bohlen und wurde zum Nachlassverwalter des Beatles-Fundus. Mit katastrophalen Folgen. 1985 - die CD war auf dem Siegeszug, die Musikindustrie witterte Milliardenumsätze - kaufte ausgerechnet Michael Jackson die Rechte an allen wichtigen Beatles-Songs McCartney vor der Nase weg. Für 47,5 Millionen Dollar. Paul hatte zu lange gezögert und nicht bemerkt, dass in den Läden Millionen Beatles-Fans ihre Vinyl-Sammlung durch CDs ersetzten. Und schon vorher, 1981, ging er mit der alten Beatles-Plattenfirma Apple in ein aussichtsloses Gefecht gegen den Computerhersteller Apple. Paul sah Namensmissbrauch. Blöd nur, dass die Beatles seit 36 Jahren keine Platte mehr gemacht haben und heute 99,99 Prozent der Weltbevölkerung einen Apple für eine Frucht, einen Computer oder einen bescheuerten Namen für ein Prominentenkind halten.
Musicals sind die Aldisierung des Pop
Auch der Londoner Richter Edward Mann dachte so, als er Anfang Mai 2006 die Beatles-Klage abwies und den Kaliforniern erlaubte, mit iTunes Musik zu verkaufen. Die dicke Rechnung der Apple-Anwälte an McCartney ist schon in der Post. Und Paul wieder mal in der Sackgasse. Die auch noch mal eine Gabelung nach Las Vegas hat, wo im Spätsommer mit Pauls Segen ein Beatles-Musical auf die Bühne kommen wird. Musicals, weiß man, sind die Aldisierung des Pop - lila toupierte, proseccotrunkene Menschen stampfen zu "Ob-la-di, Ob-la-da" auf ihren Plätzen. Da ist es fast besser, als Handyklingelton zu verenden.
"I'm a lover, not a fighter", heißt es in dem albernen Duett mit Michael Jackson, "The Girl Is Mine", und damit verrät der Song unfreiwillig das Innenleben einer ewigen Memme. Und wenn es jetzt überall heißt, McCartney hätte mit seiner eiligen Ehe mit Heather Mills 2002 vor allem seine 1998 verstorbene Frau Linda zu ersetzen versucht, sagt das viel über einen Mann, auch, dass er sich allein nichts zutraut. Der Claqueure braucht wie Blumen im Humus seiner Selbstverliebtheit. Und natürlich passte da nichts zusammen - der 64-jährige "Bassist der Wings" (Harald Schmidt) und das 38-jährige Ex-Model, das seit einem Unfall eine Unterschenkelprothese trägt. Lebenssatt gegen Lebenshunger. Er wollte sie auf seinen Tourneen mit dem gemeinsamen Kind an der Seite, sie kämpfte gegen Landminen und interessierte sich nicht für die Beatles. Dass sie das laut und bisweilen enervierend tat und dass sie die Träne McCartney aus seinem Landhaus, aus dem er ihr Öko-Gadgets wie polierte Kastanien und Federn mitbrachte, in die weite Welt schleifen wollte - darin sehen die Senioren des Pop nun "Ruhmsucht". Mills wird ein paar Millionen Pfund, die Rede ist von 38, Abfindung bekommen und hat angekündigt, einen Großteil davon zu spenden. Was öffentlich überhört und lieber mit ""verkauft" sie ihr Kind für 37 Mio?" ("Bild") kommentiert wurde. Milde Sorge sollte sich stattdessen bei der Vorstellung einstellen, dass der Single Paul, 64, sich das Alleinerziehen zutraut. Wird er seiner Tochter ständig von den guten, alten Zeiten erzählen, mit ihr ins Beatles-Musical gehen und zum Einschlafen "Fool On The Hill" singen?
Den Song hätte es übrigens nie gegeben, wenn John Lennon nicht zu Paul gesagt hätte: "Schreib das schnell auf, du vergisst doch immer alles."