Da hockt Prinz Harry also verloren im Hühnerstall, streichelt die Tiere, während seine Frau Meghan Oprah Winfrey unter anderem erzählt, dass sie sich wie im Disney-Märchen "Arielle, die Meerjungfrau" gefühlt habe. "Am Ende bekommt Arielle ihre Stimme wieder", sagt sie. Es ist nur einer von vielen absurden Momenten, die das Skandal-Interview mit den Exil-Royals in Kalifornien hervorbrachte.
Danach ist klar, wie unglücklich das Paar in Großbritannien mit seiner königlichen Rolle war, aber auch, dass es kein Zurück mehr für sie gibt - dazu sind die Anschuldigungen zu schwer. Talkshow-Legende Winfrey bemühte sich nach Kräften, aus den beiden möglichst viele Antworten zu holen, und doch warf das Gespräch auch viele Fragen auf.
Die Rassismus-Vorwürfe wiegen besonders schwer - wer war es?
Der größte Widerspruch dreht sich um das heikelste Thema des Interviews: Meghan und Harry werfen dem Palast Rassismus vor. Es geht um die Frage, warum ihr Sohn Archie keinen Titel und damit keinen steuerlich bezahlten Sicherheitsschutz bekam. Das sei ein großes Thema während ihrer Schwangerschaft gewesen und gleichzeitig habe es Bedenken gegeben, wie dunkel die Hautfarbe des Babys sein würde, berichtet Meghan. Das habe Harry ihr erzählt. Sie deutet damit an, dass die Hautfarbe ein Grund für die Verweigerung des Titel gewesen sein könnte. Winfrey kennt sich offenbar im Königshaus nicht aus und hakt nicht nach, denn bis auf die Kinder von William, der weiter oben in der Thronfolge ist, hat keines der Queen-Urenkel einen Titel. Als später Harry dazu kommt, bestätigt er das schockierende Gespräch, erwähnt jedoch, dass es noch vor der Verlobung mit Meghan stattgefunden habe. Wer sich so rassistisch geäußert hat, dazu schweigen beide. Oprah Winfrey erzählte später, dass das Paar die Königin und deren Mann Prinz Philip jedoch ausgeschlossen haben.

Auch ein großes Thema, das Unstimmigkeiten hervorbringt: Meghan und die Medien. Sie habe den Prinzen nicht einmal gegoogelt, als sie ihn kennenlernte, behauptet sie. Auch seit ihrer Hochzeit habe sie die Medienberichte um sie herum kaum verfolgt. Später gibt sie dann an, auch gegangen zu sein, weil der Palast nicht auf unwahre Medienberichte reagiert habe. Konkret ging es um einen Streit mit Kate, der "ein Wendepunkt" gewesen sei. Es klingt durch, dass sie Mitarbeiter des Palasts verdächtigt, die Geschichte zu Kates Gunsten verändert zu haben. Doch darauf spricht Oprah sie nicht an. Es bleibt unklar, warum Meghan ausgerechnet diese Negativ-Pressegeschichte aufgreift, vor allem, da sie betont, dass Kate sich entschuldigt und sie ihr verziehen habe.
Wie profitieren Harry und Meghan von diesem Interview?
Und auch beim emotionalsten Moment des Interviews kommen Widersprüche auf. Meghan spricht davon, dass sie während ihrer Schwangerschaft an Depressionen litt, Suizidgedanken hatte. Doch professionelle Hilfe sei ihr verweigert worden. Das ist besonders erschreckend, da Prinz Harry in der Vergangenheit öffentlich darüber gesprochen hat, in Therapie gewesen zu sein. Er machte sich außerdem gemeinsam mit Prinz William und Herzogin Kate für eine Wohltätigkeitsorganisation rund um psychische Gesundheit stark, sprach oft zu dem Thema. Warum sich Harry und Meghan nicht selbst Hilfe geholt haben, bleibt offen. Die Personalabteilung habe ihr nicht helfen können, da sie keine offizielle Angestellte war, erzählt Meghan. Ging es also darum, wer die Kosten für die Therapie trägt? Fragen, die Oprah Winfrey nicht stellte.
Die allergrößte Frage, die unbeantwortet bleibt, ist jedoch: Warum haben sich Harry und Meghan zu diesem Skandal-Interview entschieden? Geht es ihnen darum, die Monarchie grundlegend zu verändern, ihre Schwachstellen aufzuzeigen und so von außen einen Umbruch zu forcieren? Beide machten ihre Enttäuschung darüber deutlich, dass der Palast die Hautfarbe Meghans nicht zu seinem Vorteil genutzt habe - eine verpasste Chance, über die auch in der Presse viel geschrieben wurde. Aber hätten sie dann nicht besser bleiben müssen? Harry gab auch an, dass er kein Geld mehr vom Palast beziehe und von Dianas Millionen-Erbe lebe. Positive Presse ist also wichtig für die beiden, die quasi nur ihre Namen haben, um Geld zu verdienen. Ein Freund habe Streaming vorschlagen, formuliert es Harry etwas unbeholfen und meint damit die Millionen-Deals, die das Paar mit Netflix und Spotify unterschrieben hat. Doch vor allem Harry hat in der Vergangenheit oft betont, dass er Privatsphäre wolle, die Presse hasse. Warum er dann ausgerechnet vor einem Millionenpublikum über sein zerrüttetes Verhältnis mit Prinz Charles spricht, bleibt ein Rätsel.
Und so entsteht der Eindruck, dass Harry und Meghan alles wollen: die Schlagzeilen und die Kontrolle, die Millionen-Villa und das einfache Leben, die Adelstitel, aber ohne die Palastmauern. Doch das gibt's wirklich nur im Märchen.