Auch in der Trauer herrscht Ordnung. Sorgfältig verpackt lehnt das Marmeladen-Brot neben Blumen an einem Baum ganz in der Nähe des Buckingham Palace. "For later Ma'am" (Für später, Ihre Majestät) hat jemand auf die durchsichtige Plastiktüte geschrieben. Die Königin liebte ihre Marmeladen-Brote. Und viele Briten lieben ihre Königin. Über den Tod hinaus. Eindrücke aus einem Land, das weint und lacht.
Wendy Wooster wischt sich immer wieder Tränen aus dem Gesicht. "Mein ganzes Leben kannte ich doch nur DIE Königin, diese starke Frau. Sie hat das Frauenbild auf der gesamten Welt geprägt: eine arbeitende Mutter", sagt die Lehrerin. "Es ist schön, einen König zu haben. Aber ich bin heute gekommen, um der Königin meinen Respekt zu zollen."
"Ich war 1953 mit meinem Vater bei der Krönung der Queen"
Ein paar Meter entfernt sitzen Linda und Derek unter einem riesigen schwarzen Schirm auf dem knallgrünen Grasen. Wie auch immer der den Sommer so unbeschadet überstanden hat. Linda sei als Kind um ein Foto mit der Königin betrogen worden, erzählt sie lachend: "Ich war 1953 mit meinem Vater bei der Krönung der Queen. Ich saß auf seinen Schultern. In dem Augenblick, in dem sie an uns vorbeikam, zog ein Mann vor uns seinen Hut. Und der verdeckt die Königin hinter mir. Das Foto habe ich noch heute im Album."
Respekt ist ein Wort, das wir heute ganz häufig von den Menschen hören. Respekt vor der Lebensleitung der Königin. "Dabei bin ich gar ein Fan der Monarchie", erzählt Linda weiter. "Charles ist mit einem Silberlöffel im Mund zur Welt gekommen und jetzt unser Boss, egal was kommt. So funktioniert das. Der Nächste in der Reihe ist dran. Stellen Sie sich mal vor, Andrew wäre der Thronnachfolger gewesen. Zum Glück ist er es nicht…"
Von Balmoral Castle nach Edinburgh: Die Queen befindet sich auf ihrer letzten Reise

Es sind Zehntausende Menschen, die sich auch am Wochenende rund um den Buckingham Palace drängen. Dafür geht es ziemlich britisch geordnet zu. Kein Drängeln, kein Schubsen. Es liegt auch keine Schwere in der Luft. Was vielleicht auch daran liegt, dass die Nation sich lange auf den Tod der Königin hat vorbereiten können – anders als vor 25 Jahren bei Lady Diana. Und die Briten sind froh, dass sie mit Queen Elizabeth II. vor gerade einmal zwei Monaten noch einmal richtig feiern konnten. Genau hier am Buckingham Palace. Das 70. Thronjubiläum. Strahlend stand die 96-jährige Königin auf dem Balkon des Palastes. Es war das letzte große Winken. Auch wenn das niemand sagen wollte.
Und jetzt ist Charles König
Kyle ist früh aufgestanden am Samstag. Etwas länger als eine Stunde hat er sich mit seiner Mutter in den Zug gesetzt, um nach London zu kommen. Charles ist jetzt sein neuer König. "Er wird das gut machen und das Werk seiner Mutter fortsetzen", ist der Schüler überzeugt.

Ein paar hundert Meter weiter an der Buckingham Palace Road waren sie schnell. 1952-2022 steht gedruckt auf Tassen und Hoodies. 20,95 britische Pfund (24 Euro) für die Tasse und umgerechnet 41 Euro für den Kapuzenpullover. Es hängt nur noch einer, Größe XL. Der Tod der Queen ist im Geschäft Majestic Gifts auch ein blendend laufendes Geschäft. Nur eine Kundin legt die Tasse kopfschüttelnd weg: "Das bezahle ich doch nicht. Ist außerdem schon komisch, dass es sowas schon gibt. Wahrscheinlich hatten die das Foto schon auf dem Becher und die Jahre nur noch schnell draufgedruckt."
Am 19. September endet die letzte Reise der Königin. Nach einem Gottesdienst wird sie an der Seite ihres Mannes Prinz Philip beigesetzt. Vielleicht nimmt sie ein letztes Marmeladen-Sandwich mit. "For later, Ma'am" – "Für später, Ihre Majestät."