Was sie an Kinofilmen mag, sind bittersüße Momente. Eine ganz neue Seite an Sandra Bullock, die bisher vor allem in Actionfilmen und romantischen Komödien zu sehen war. Im Interview spricht Bullock über ihren neuen Film "Das Haus am See" (Kinostart: 06.07.), ihre Zeit als Kellnerin in New York, ihren Ehemann und ihren Filmpartner Keanu Reeves.
Zum ersten Mal seit "Speed" standen Sie wieder mit Keanu Reeves vor der Kamera. Wie feierten Sie das Wiedersehen?
Ganz aus dem Sichtfeld haben wir uns ja nie verloren. Wir trafen uns in der Zwischenzeit ja auch mal zu einem Abendessen. Es hat aber wieder viel Spaß gemacht, mit Keanu zu drehen. Zwischen uns stimmt einfach die Chemie: Wir können gut miteinander streiten, wenn's um die richtige Sache geht. Wir sind dann ganz unterschiedlicher Meinung, aber am Ende kommt üblicherweise dasselbe heraus.
Was halten Sie von Keanu Reeves als Mann?
Ich bewundere an Keanu vor allem das, was mir schon aufgefallen war, als wir zuerst aufeinander trafen, und sich mittlerweile noch viel stärker herausgebildet hat in den vergangenen zwölf Jahren: Im Beruf wie im Privaten lebt Keanu für den Moment. Er strebt nach Authentizität und ist dabei herrlich wertfrei. Er nimmt sein Gegenüber so, wie er oder sie ist und ist sehr zuvorkommend. So jemanden habe ich gerne an meiner Seite.
Wieso dauerte es so viele Jahre, bis Sie sich wieder zu einer Zusammenarbeit entschließen konnten?
Es gab viele Drehbücher, die auf unseren Leib geschrieben waren, aber es war nicht das ultimative dabei. Also verging Jahr um Jahr, und da tauchte plötzlich "Das Haus am See" auf. Ich hatte schon seit einiger Zeit nach einer Liebesgeschichte gesucht, und hier fand ich genau das wieder, was mich schon in meiner Jugendzeit fasziniert hat: Sie kennen doch auch diese Bücher, die einen ganz tief drin packen und auf eine Art gefangen nehmen, die man nicht erklären kann. Genau so ging es mir bei dieser Geschichte. Es war nicht schlimm, dass sie logisch keinen Sinn ergab.
Denken Sie, dass dies dem Publikum ebenso egal ist wie Ihnen?
Ich möchte es so ausdrücken: Das Publikum hat ja auch keine Probleme damit, wenn ein Horrorfilm nicht mehr mit rationalen Maßen zu fassen ist. Da krabbeln doch andauernd irgendwelche Schauergestalten aus Fernsehern oder der Toilette. Besonders erfolgreich waren in den vergangenen Jahren Filme, in denen die Hauptfiguren fliegen konnten oder Spinnenfäden aus ihren Handgelenken schießen konnten. Das Schöne an dieser Romanze ist meiner Meinung nach, dass neun von zehn Zuschauern die Logik des Films hinterfragen werden. Daraus entstehen Diskussionen, und je mehr man über das Thema spricht, also über die beiden Liebenden und wieso sie wie zusammenkommen, desto mehr geben wir auch von uns selbst frei. Denn erst wenn wir über Liebe sprechen, zeigen wir auch, was wir in der Liebe für wichtig halten.
Ihr Film ist ein Remake. Haben Sie zur Vorbereitung das Original gesehen?
Als ich den Vertrag unterschrieben hatte, schaute ich mir gleich den koreanischen Film an. Die einzigen Parallelen, die ich bemerkte, waren, dass es um ein Haus an einem See ging und dass Briefe zwischen verschiedenen Zeitzonen ausgetauscht werden. Der große Unterschied aber ist der kulturelle Hintergrund, von dem die Filme leben. Wir erzählen daher eine völlig andere Geschichte als Hyun-seung Lee in seinem Film "Siworae". Genauso anders wäre es geworden, hätte man den Film in Afrika oder im Irak neu verfilmt. Die Metapher der Geschichte war für mich plötzlich so offensichtlich, dass es mir wie Schuppen von den Augen fiel: Es geht um die Frage, wieso Erwachsene irgendwann die Fähigkeiten zum Hoffen und Träumen verlieren. Wieso ist es unlogisch, wenn man sich über Zeit und Raum hinweg liebt? Wenn man das akzeptiert, dann ist man schon einen Schritt weiter.
Lohnt es sich, auf die wahre Liebe zu warten?
Man sollte auf seinen eigenen Lebensrhythmus achten. Ich bin der festen Überzeugung, dass es nichts bringt, sich dem Lebensplan eines anderen zu verschreiben. Wenn man heiraten möchte, sollte man heiraten. Wenn man jemanden liebt, dann soll man lieben. Aber wie soll man auf etwas warten, auf das man keinen Einfluss hat? Also: Wenn man seinem Instinkt traut, dann kann man nichts falsch machen - auch nicht beim Warten.
Sie selbst sollen Ihrem jetzigen Ehemann über geduldige E-Mail-Korrespondenz näher gekommen sein.
Wir sahen uns bei einem geschäftlichen Treffen. Im Anschluss daran schickten wir uns tatsächlich einen Monat lang regelmäßig E-Mails hin und her, um voneinander zu lernen und uns kennen zu lernen. Das diente einfach dazu, ein bisschen zu plaudern, gegenseitig etwas von sich preiszugeben. So etwas ist nämlich ganz schön schwierig, wenn man sich dabei gegenüber sitzt, sich in die Augen schaut und nur wenige Stunden am Stück Zeit hat. E-Mail ersetzt aber keineswegs den Augenkontakt, der für mich sehr wichtig ist, um herauszufinden, ob mein Gegenüber mich unverhohlen anlügt. Denn das kann man mit E-Mails wunderbar. Auch sind E-Mails tückisch, weil man manchmal zwischen den Zeilen liest, ohne es zu sollen, oder eben manchmal vergisst, auch zwischen den Zeilen zu lesen, obwohl das vom Gesprächspartner so beabsichtigt ist. E-Mails bleiben ein nützliches Hilfsmittel für die Kommunikation, mehr nicht.
Wenn Sie auf Ihre bisherige Karriere zurückschauen: Welches Erfolgsrezept hatten Sie?
Was mir wohl besonders gut bekommen ist, war, dass ich auch am Anfang meiner Schauspielkarriere nicht mit Scheu oder Angst vor Zurückweisung oder Versagen gekämpft habe, sondern blindlings einfach drauflos gespielt habe. Ich gedieh förmlich in meinem Job: Ich war endlos glücklich, dass ich in New York als Kellnerin arbeiten konnte und nebenbei am Off-Off-Broadway gespielt und Studentenfilme gedreht habe. Damals hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich irgendwann einmal da stehen würde, wo ich jetzt bin. Ich war zu dieser Zeit sehr zufrieden.
Hat Ihre Abkehr von Komödien etwas mit Ihrer Heirat zu tun?
Neben "Das Haus am See" drehte ich bereits drei andere Filme, bevor ich verheiratet war. Außerdem bin ich ja keine alte Ehefrau, die nichts mehr zu lachen hat. Der Punkt ist also: Ich habe mich bewusst entschieden, meiner Karriere eine andere Richtung zu geben. Glücklicherweise ist der Plan aufgegangen, denn ich hatte ja keine Garantie, dass ich auch Angebote abseits des Komödien-Genres bekommen würde.
Wie wichtig ist Ihnen der Ehering an Ihrem Finger?
Ich habe mein halbes Leben versucht, keinen solchen Ring am Finger zu haben! (lacht) Nein, im Ernst: Es ist doch schlimm, dass so viele Menschen um alles in der Welt bloß einen Ring um den Finger tragen wollen. Für manche sind die Hochzeit und der Ring wichtiger als die Ehe und die lebenslange Beziehung selbst, um die es ja eigentlich gehen sollte. Sie können nur nicht die Geduld aufbringen, die es braucht, um den wahren Lebenspartner zu finden. Daher trifft man wohl heutzutage auch so häufig auf unglückliche Menschen.
Leif Kramp/Teleschau