Sarah Connor hat Angst. Die prominente Popsängerin wird von einem Unbekannten verfolgt, der ihr wirre Briefe schreibt und sie mit obszönen Anrufen belästigt. Seit längerem lässt sich die 22-Jährige deshalb rund um die Uhr bewachen, über Details will sie nicht sprechen. Connors Problem heißt im Fachjargon „Stalking„, und mit ihrer Sorge steht sie nicht allein da. Zwei von drei Prominenten wurden oder werden während ihrer Karriere von besessenen Fans verfolgt, belästigt und bedroht - oftmals jahrelang.
Herausgefunden hat dies der Darmstädter Kriminalpsychologe Jens Hoffmann. Für seine Studien hat der Wissenschaftler in den vergangenen zwei Jahren viele Stalker und ihre Opfer befragt. Und obwohl er eigentlich Forscher ist, fragen ihn hilflose und verängstigte Politiker, TV-Moderatoren und Schauspieler seither immer wieder um Rat, wie er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP berichtet.
Beim Krisenmangement im Einzelfall versucht Hoffmann als erstes herauszufinden, ob er es mit einem potenziellen Gewalttäter zu tun hat - auch wenn tätliche Angriffe von Stalkern eher selten sind. Als Quelle dienen dabei Briefe und Anrufe. Denn zumeist weisen Stalker „ihrem Star„ eine Fantasie-Rolle in ihrem Privatleben zu, zum Beispiel als Liebespartner oder Intimfeind. Dies weist auf ihre Gefährlichkeit hin: „Kennt man die Beweggründe, ist das Verhalten eines Stalkers zum Teil berechenbar„, erläutert Hoffmann. „Innerhalb seiner Vorstellungswelt handelt er zumeist recht logisch.„
Sehnsucht nach übergroßen Figuren
„Stalking„ kommt aus dem englischen Jägerjargon und heißt so viel wie „auf die Pirsch gehen„. Dass Pop- oder Filmstars von Fans ausspioniert und belästigt werden, ist nicht neu - doch das Stalking-Problem weitet sich aus. Nach Hoffmanns Beobachtung liegen die tieferen Gründe dafür in der wachsenden Anonymität innerhalb der Gesellschaft und im schwindenden sozialen Zusammenhalt.
Warum sich aber manche ganz auf einen Menschen fixieren, den sie nur aus den Medien kennen, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt. Hoffmann nennt Stalker „Identitätsvampire„. Viele hätten in ihrer Kindheit ein Elternteil verloren. „Sie sehnen sich daher nach einer übergroßen Figur in ihrem Leben, deren Prominenz auf sie abstrahlen soll, die sie quasi aussaugen können.„
Studien haben ergeben, dass die Mehrheit der Stalker unter Verhaltens- oder Persönlichkeitsstörungen leidet, viele sind psychiatrisch auffällig. Unter ihnen finden sich auch Frauen, doch handelt es sich oft um allein stehende Männer mittleren Alters. Dass ihr Verhalten von den Opfern als Bedrohung wahrgenommen wird, ist den allermeisten Stalkern nicht klar, berichtet Hoffmann. „Oft sind sie ganz verblüfft. Sie können sich nicht in ihr Gegenüber hineinversetzen, das Problembewusstsein ist gering.„ Genau deswegen begeben sie sich auch nur selten in eine Therapie, es sei denn sie werden dazu verpflichtet. „Auf diesem Feld stehen wir noch am Anfang„, sagt Hoffmann.
Die Drohung mit Rechtsanwälten und der Polizei beeindruckt in der Regel nur solche Stalker, die mit Familie und Beruf gesellschaftlich eingepasst sind, „also etwas zu verlieren haben„, wie Hoffmann es formuliert. Bei anderen müsse man aufpassen, dass die unausweichlichen Zurückweisungen nicht zu extremen Frustrationserlebnissen werden. „Dann besteht die Gefahr einer Eskalation.„
Sein Rat: Die Stars dürfen keinen persönlichen Kontakt mit Stalkern haben, die Kommunikation muss über möglichst neutrale und entfernte Zwischenstationen wie Management, Anwälte oder die Polizei erfolgen, „damit nicht der leiseste Eindruck einer irgendwie gearteten Zweierbeziehung entsteht„. Zudem sollten Stars möglichst schon den Erstkontakt vermeiden, rät Hoffmann - und erzählt vom Fall einer Prominenten, die nur ein einziges Mal länger mit ihrem Verfolger telefonierte. Daraufhin habe sie der Mann 14 Jahre lang behelligt und sich dabei immer wieder auf dieses allererste Gespräch bezogen.
Der wirksamste Schutz vor ungewollten Verfolgern ist nach Hoffmanns Erfahrungen eine gute Prävention. Dabei laute die Devise: sich rar machen und „so wenig Angriffsfläche wie möglich bieten„, um nicht die Fantasie von Stalkern anzuregen. „Eine ausführlich bebilderte Homestory in einem Klatschmagazin ist da natürlich sehr kontraproduktiv und quasi eine Einladung an potenzielle Täter„, sagt der Kriminalpsychologe.
Anders als in den USA steht die wissenschaftliche Beschäftigung mit Stalking in Deutschland gerade erst am Anfang. In beiden Ländern sind zunehmend nicht nur Prominente, sondern auch Normalbürger betroffen - etwa verlassene Ehepartner oder auch sozial exponierte Menschen wie Ärzte und Anwälte.
Um das Problem in den Griff zu kriegen, typisieren US-Forscher die Stalker in verschiedene Kategorien. Überraschenderweise bilden Täter mit einem so genannten „Liebeswahn„ mit zirka zehn Prozent die Minderheit. Häufiger sind es verlassene Partner, die entweder aus Rache oder weil sie eine Versöhnung suchen, zu krankhaften Verfolgern werden. Aber auch eine einmalige, zufällige Begegnung fremder Menschen kann den Stalking-Wahn auslösen, wie Hoffmann berichtet. „Da sagt dann der eine plötzlich: Wir sind füreinander bestimmt.„