Sein Name klingt wie eine immerwährende Abenteuerfahrt: Tom Cruise (63). Seit vier Jahrzehnten buchen Millionen Kinogänger und Streaming-Fans den Adrenalin-Trip. Mit Zahnpasta-Lächeln und Zielstrebigkeit schrammt er mit ihnen gut gelaunt an der Katastrophe vorbei. Sie brettern gemeinsam im Überschall durch die Stratosphäre oder rennen die Außenhaut des Wolkenkratzers hinunter. Sie blubbern mit ihm, Dustin Hoffmann und dem Buick durch die USA. Oder sie lassen sich hochpoetisch einen "Alabama Slammer" kredenzen.
Tom Cruise hängt am Drahtseil oder am Düsenjet, streckt seine Gegner mit bloßen Händen nieder und besiegt Jack Nicholson (88) im Rededuell. Ist Tom Cruise perfekt? Nein. Sein Privatleben ist ein Fiasko. Sein Scientology-Engagement führt zu drastischen Vergleichen. Und er hat noch keinen Oscar - bis heute.
Vom Außenseiter zum Weltstar
Tom Cruise' Kindheit gleicht einem Nomadenleben. 1962 in Syracuse, New York, in einfachen Verhältnissen geboren, besucht er nicht weniger als 15 Schulen in 14 Jahren. Ein ruheloses Leben für einen eher schüchternen Jungen, der obendrein mit der Legasthenie kämpft. Nicht gerade die idealen Voraussetzungen für eine Schauspiel-Weltkarriere.
Cruise gibt zu, dass er sich oft "dumm" und als "Idiot" gefühlt habe. Auf der Bühne und vor der Kamera findet er das, was ihm sonst fehlt: Selbstvertrauen. Mit 18 zieht er nach New York, arbeitet als Hausmeister und besucht die Neighbourhood Playhouse School of Theatre. Zu den Absolventen gehören Steve McQueen (1930-1980) und Sandra Bullock (61). 1981 ergattert er seine erste Rolle in "Endless Love". Es ist der Beginn einer Reise, die das Kino verändern wird.
Risky Business - der Tanz ins Rampenlicht
1983 tanzt Cruise in Unterhose und weißem Hemd durchs Wohnzimmer - eine Szene, die Kinogeschichte schreibt. Mit "Risky Business" wird er über Nacht zum Star. Drei Jahre später katapultiert er sich in "Top Gun" endgültig in den Hollywood Olymp. Als "Maverick" - Pilot, Draufgänger und Frauenschwarm - wird er zum Symbol amerikanischer Coolness. "Die Farbe des Geldes" mit Paul Newman (1925-2008) und "Rain Man" zeigen ihn in all seiner Tiefe. In "Rain Man" ist er der egoistische Bruder, der lernen muss, was Mitgefühl bedeutet. In einem der bewegendsten Filme seiner frühen Karriere macht er damals das Thema Autismus einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.
Die 90er - Erfolg, Glanz und das große Geld
In den 90ern kennt Cruise' Erfolg keine Pause. "Geboren am 4. Juli", "The Firm", "Jerry Maguire" - jeder Film ein Volltreffer. In "Eine Frage der Ehre" ringt er als jungforscher Militär-Anwalt den schier übermächtigen Colonel Jessep, gespielt von Jack Nicholson, in einem legendären Rededuell nieder. Die Szene zählt zu den schauspielerisch eindrucksvollsten der Filmgeschichte. "Zeig mir das Geld" - ruft er als Sportagent Jerry Maguire in die Kamera - und Hollywood zeigte es ihm.
1996 startet Cruise seine Action-Ära mit der "Mission: Impossible"-Reihe. Als Ethan Hunt wird er zum US-amerikanischen James Bond. Er kämpft auf fahrenden Zügen, springt aus Helikoptern und häng an Wolkenkratzern. Kein Double. Kein Trick. Nur Adrenalin, Wille und Perfektion. Kollege Matt Damon (55) wird nicht müde, die Anekdote über Tom Cruise-Stunt-Besessenheit zum Besten zu geben: "Wir saßen zusammen beim Abendessen. Er erzählte mir von seinem Stunt in 'Mission: Impossible', als er außen am Hochhaus hinunterrennt. Er sagte: 'Ich habe 15 Jahre lang von dieser Szene geträumt. Ich ging zu unserem Stunt-Koordinator und erzählte ihm, was ich plane. Doch der sagte: 'Das kannst du nicht machen, zu gefährlich.' Also schaute ich mich nach einem anderen Stunt-Koordinator um."
Liebe, Scheitern und ein drastischer Vergleich
Im krassen Gegensatz zum stets siegreichen Film-Helden steht Tom Cruises private Bilanz. 1987 heiratete er Schauspielerin Mimi Rogers (69), die ihn bei Scientology einführte. Nach der Scheidung 1990 kam Nicole Kidman (58), mit der er zwei adoptierte Kinder hat und elf Jahre lang ein Hollywood-Traumpaar bildete. Aber auch dieses Märchen endete. 2006 sprang er in der Oprah-Winfrey-Show auf die TV-Couch und rief: "Ich bin verliebt!" - seine Hommage an seine neue Partnerin Katie Holmes (46). In der Luft lagen Romantik, Ekstase - und Fremdscham. Es folgten die Hochzeit mit Holmes, Tochter Suri (19) und die Trennung 2012.
Es heißt, Holmes wolle ihre Tochter von Scientology fernhalten. 2005 wird ihm die Auszeichnung als Ehrenbürger von Paris aufgrund seiner Scientology-Mitgliedschaft verwehrt. 2008 vergleicht Historiker Guido Knopp (77) Tom Cruise im Spiegel bezüglich seiner Stellung innerhalb von Scientology mit Hitlers Reichspropagandaminister Joseph Goebbels (1897-1945). Als Leinwand-Held bleibt Cruise hingegen unerschütterlich. Als "Jack Reacher" oder Ethan Hunt treibt er das Publikum immer wieder an die Kinokassen. Mit "Top Gun: Maverick" feiert er 2022 ein triumphales Comeback als Düsen-Pilot und knapp 1,5 Milliarden US-Dollar Einspielergebnis.
Ehren-Oscar als Krönung einer Ära
Am 16. November erhält Cruise das, was ihm trotz aller Welterfolge verwehrt blieb: einen Oscar. Viermal war er zwischen 1990 und 2023 für den Academy Award nominiert, zweimal als bester Hauptdarsteller für "Geboren am 4. Juli" und "Jerry Maguire". Für seine Fans ist der Ehren-Oscar eine späte, aber gerechte Ehrung für vier Jahrzehnte voller Leidenschaft, Mut und Hingabe. Cruise ist ihr Held aus einfachen Verhältnissen, der es geschafft hat und sie schon ein Leben lang begleitet. Der letzte echte Superstar, der noch an den Traum vom großen Kino glaubt.
Seine Gegner werden ihm seine Scientology-Mitgliedschaft nie verzeihen. Sie lauern darauf, dass Toms Haar grauer, sein makelloses Lächeln faltenreicher, seine Brustmuskulatur schlaffer wird. Sie wollen ihn scheitern sehen. Doch den Gefallen wird er ihnen nicht tun. Seinen Ehren-Oscar wird er mit Stolz auf seine Karriere entgegennehmen. Und das völlig zurecht.