Im schummerigen Halbdunkel kapitulieren Augen und Verstand förmlich ob des bunten Treibens: Besitzer von schwindelerregend hohen Nietenboots, glitzernden Hosenträgern, schweren Pelzmänteln und asymmetrischen Mitte-Frisuren drängen sich zwischen den unverputzten Wänden des Kesselhauses der Berliner Kulturbrauerei. Neben der Mode-Elite aus Designern, Schreibern, Models und Fotografen haben sich hier im Szenestadtteil Prenzlauer Berg auch einige Film- und TV-Sternchen zur jährlichen Fashion Experience des Bierherstellers Beck's versammelt, um die Berliner Modewoche einzuläuten. Das eigentliche Event beginnt mit leichter Verspätung: Von ruhigen bis experimentellen Elektrosounds begleitet präsentieren Mädchen mit geflochtenen Gretchenfrisuren und Jungs mit streng gescheiteltem Kurzhaar die neuen Kollektionen sieben auserlesener Nachwuchsdesigner aus Europa. Das Resümee: fast alles sehr tragbar, lässig und von beschwingter Leichtigkeit.
Bereits zum sechsten Mal in Folge bot die Biermarke jungen Top-Talenten aus Europa alle Vorraussetzungen, um ihre Kollektionen in angemessen professionellem Ambiente zu präsentieren. Angefangen bei der Location und den Models, über Haare und Make-up bis hin zur richtigen Öffentlichkeitsarbeit. Die sieben Designtalente können allesamt auf Bilderbuch-Ausbildungen zurückblicken und studierten beispielsweise an der UdK Berlin, dem renommierten Londoner St. Martins College oder der Akademie der Schönen Künste in Antwerpen.
Modemäßig "the place to be"
Die viel versprechenden Nachwuchstalente ANNTIAN, Sabrina Seifried, Josephine Jarzombek, Saskia Schijen, Cem Cako, Ostwald Helgason und Robert Huth wurden bereits im Vorfeld von der Jury ausgewählt. Darunter stern-Modechefin Mareile Grimm, Sarah Lerfel, Chef-Einkäuferin des Concept Stores Collette Paris, "Elle"-Modechefin Kerstin Schneider, Joop-Chefdesigner Dirk Schönberger und Design-Superstar Henrik Vibskov.
"Die Beck's Fashion Experience ist ein überaus wichtiges Event für Berlin, schließlich geht es um die Zukunft der Mode", sagte Designer und Juror Henrik Vibskov. Seit 2003 hat sich der Bierriese der Entdeckung und nachhaltigen Förderung von Jungdesignern verschrieben. Was einst als clevere Marketingidee zur Markteinführung des "Mädchenbieres" Beck's Gold entstanden ist, hat sich längst als exklusiver Fashion-Event etabliert und mitgeholfen, Berlins Ruf als ernstzunehmende Mode-Metropole zu festigen. Trotz des anhaltenden Berlin-Hypes geriet dieser Ruf vorübergehend in Gefahr, als die Streetwear-Messe "Bread & butter" 2005 von der deutschen Hauptstadt nach Barcelona abwanderte. Doch die Hauptstadt hat sich wieder gefangen: Seit 2007 präsentiert der renommierte Veranstalter IMG nun zweimal jährlich die Berlin Fashion Week, im Anschluss daran versucht die Streetwear-Messe Premium an die Erfolge der Berliner "Bread & butter" anzuknöpfen. Und dass es der Stadt an Jungdesigner nicht mangelt, lässt sich an Veranstaltungen wir der Beck's Fashion Experience oder dem Karstadt New Generation Award ablesen. Bürgermeister Klaus Wowereit fasste das kreative Potenzial der Hauptstadt unlängst passend in einem Satz zusammen: "Berlin is the place to be." Vor allem in Sachen Mode.
Die Harmonischen - ANNTIAN
Die Harmonischen - ANNTIAN (Berlin): Gegründet im Dezember 2005 von Anne Hilken und Christian Kurt, erschafft das Design-Duo mit seiner Männer- und Frauenmode eigene Welten, die in sich konzeptionell, harmonisch und geschlossen wirken. Die in Berlin präsentierte Kollektion bewegte sich in blass- bis graublauen Farbwelten und zeichnete sich durch lässige Schnitte und hohe Tragbarkeit aus. Während Hilken Grafikdesign studierte und im Designbüro Double Standards tätig war, studierte Kurt in Trier und London Modedesign.
Die Moderne - Sabrina Seifried
Die Moderne - Sabrina Seifried (Hamburg): Schon ihre Diplomarbeit war museumsreif: Nach dem Modedesign-Studium stellte das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe Sabrina Seifrieds Womenswear-Kollektion "Abschlussball" im Rahmen der Reihe "Junges Modedesign" aus. Im vergangenen Jahr wurde sie als Finalistin zum International Talent Support "ist#six" in Triest eingeladen. Ihre neue Kollektion besticht durch grafische Elemente, Patchwork-Ponchos in Grautönen, mehrlagig-geschichtete Looks, viktorianische Kragenlösungen und gelbe Farbtupfer.
Die Pragmatische - Josefine Jarzombek
Die Pragmatische - Josefine Jarzombek (Berlin): Gerade mal 25 Jahre alt, ist Josefine Jarzombek bereits ein Alter Hase im Design-Business. Neben dem Modedesign-Studium an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee absolvierte sie bereits ein halbjähriges Praktikum bei Bruno Pieters in Antwerpen, assistierte Dirk Schönberger während der Modewoche in Paris und entwarf für die FIFA WM 2006 Krawatten und Schals für die Hostessen. Bei ihrer neuen Männerkollektion konzentrierte sie sich auf das Wesentliche: kurze Anzughosen, Jeans, Westen und Hosenträger, vornehmlich in Wollweiß, Beige, Grau und Schwarz gehalten.
Die Musterschülerin - Saskia Schijen
Die Musterschülerin - Saskia Schijen (Amsterdam): Ihr Studium am Amsterdam Fashion Institute schloss Saskia Schijen mit cum laude ab. Die in Krefeld Geborene absolvierte ein Praktikum bei Bruno Pieters in Antwerpen, zeigte ihre Diplomkollektion bei der Amsterdam Fashion Week und im Comme des Garçons-Guerilla Store in Den Haag. In Berlin präsentierte Schijen Frauenmode im Mary-Poppins-Stil: Pudertöne, Weiß und Schwarz, halbtransparente Stoffe, High-Waist-Röcke und Hosen, aufgesetzte Brusttaschen und Schürzenelemente.
Der Cosmopolit - Cem Cako
Der Cosmopolit - Cem Cako (Antwerpen): Ein kurzer Abriss der Stationen des Cem Cako: Studium am Santa Monica College in Los Angeles, Kostümdesignassistenz an diversen Theaterbühnen u.a. am Wiener Burgtheater, Schule für Textiltechnologie bei Hugo Boss in Metzingen, Studium an der Akademie der Schönen Künste in Antwerpen, Diplom 2007, Backstage-Erfahrung bei Raf Simons, Dries van Noten, Walter van Beirendonck, Hugo Boss und Dior Homme, Umzug nach New York im Januar 2008. Von Cako ließ sich das Publikum in der Kulturbrauerei zu spontanen Begeisterungsstürmen hinreißen. Kollektions-Highlight: ein matt goldfarbener Herren-Trenchcoat.
Die Visionäre - Ostwald Helgason (London)
Die Visionäre - Ostwald Helgason (London): Nord meets Ost: Das Label Ostwald Helgason wurde 2006 von der in Leipzig geborenen Susanne Ostwald und dem Isländer Ingvar Helgason gegründet. Ostwald machte ihr Modedesign-Diplom mit Auszeichnung an der "HKD Burg Griebichenstein" (Halle), Helgason studierte Modedesign in Kopenhagen, war als Schneider in Island tätig und studierte anschließend Fashionmanagement und Marketing in London. Die Mode des Duos zeichnet sich durch ihre Tragbarkeit aus und vereint Sportivität mit Eleganz. In Berlin bedeutete das: Minikleider, transparente Elemente, viel Schwarz, Pailletten, poppige Applikationen, Stepp und Silber.
Der Dominante - Robert Huth
Der Dominante - Robert Huth (Hamburg): Nach einem Studium der Visuellen Kommunikation und Kostümdesign-Assistenz am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, fand Robert Huth durch ein Praktikum beim deutschen Label Hotel zur Mode. Es folgte ein Modedesign-Studium in Hamburg. Auch Huth zeigte seine Kollektion im Museum für Kunst und Gewerbe in der Hansestadt. Im September 2007 war er unter den Finalisten des New Designer Fashion Grand Prix in Tokio. Dass Huth Erfahrung im Bereich Kostümdesign hat, merkt man seiner neuen Männerkollektion an: Lederschurz-artige Gürtel, drapierte Faltenwürfe, Raffungen, Hosen mit extrem tiefem Schritt, Mittelalter-inspirierte Oberteile, alles in dunklen Farben gehalten.