stern-Reporterin bei Lagerfeld-Show in Salzburg Tracht trifft Trend

Alpenländische Folklore und Chanel, wie passt das zusammen? Überraschend gut, wie Karl Lagerfeld beweist. Seine Chanel-Kollektion "Paris Salzburg" präsentierte er im Schloss Leopoldskron.

Cara Delevingne trägt ein Trachten-Strickjäckchen, Kendall Jenner kurze Lederhosen. Nein, die zwei Supermodels haben sich nicht fürs nächste Oktoberfest eingekleidet, sie präsentieren an diesem Dienstag mit ihren Modelkollegen die neue Pre-Fall-Kollektion von Chanel. Für sie hat sich Karl Lagerfeld von Tirol, vor allem von Salzburgs Lebenswelt inspirieren lassen, jener Stadt, der das Kunststück gelingt, Weltläufigkeit und Gemütlichkeit zu vereinen. Die Models haben Hüte mit Edelweiß auf dem Kopf, grob gestrickte Strümpfe an den Beinen und zeigen schwarzweiße Kleider mit Rüschen und Korsetts, die an Dirndl erinnern.

Gabrielle "Coco" Chanel, so heißt es in der Broschüre zur Kollektion, war angetan von Österreich, den Bergen, den Künstlern, der Musik, dem Theater. Besonders von einem gewissen Hubert Baron von Pantz, einem ihrer Liebhaber. Zwei Jahre dauerte die Liaison, die mehr war als eine Affäre. Bei einem Besuch im Hotel des Barons nahe Salzburg, so die Legende, hat sie sich von der Uniform des Lift-Boys sogar zu ihrem legendären Chanel-Jäckchen inspirieren lassen.

Verbindung zu Salzburg naheliegend

Und plötzlich scheint die Verbindung Chanel und Salzburg ganz naheliegend. Tracht, Tradition und Trends gehören zusammen, das ist die Botschaft. Den schönen Mythos setzten die Mitarbeiter von Chanel bereits am Abend vor der Show bei einem großen Dinner in Szene – mit der Premiere eines Kurzfilms von Karl Lagerfeld. In den Hauptrollen Geraldine Chaplin, Pharrell Williams und Cara Delevingne.

Schauspieler, Journalisten, Chanel-Kunden – rund 120 Gäste waren dafür am Montagabend in den St. Peter Stiftskeller gekommen, angereist aus Japan, China, Russland, Frankreich, den USA. Was hat sich dieser Designer aus Norddeutschland, der für ein französisches Modehaus entwirft, ausgedacht, dass er es jetzt in Österreich präsentieren will?

Das interessierte auch prominente Zuschauer wie Iris Berben, Rooney Mara, Nina Hoss und Lilly Allen, die sechs Gänge des Menüs waren fast schon Nebensache. Für die Gäste, von denen viele sonst wohl eher leichtere Kost zu sich nehmen, gab es Kürbissuppe, Ente, Tafelspitz, zur Nachspeise Kaiserschmarrn und Salzburger Nockerl. Sogar Karl Lagerfeld, selbst erklärter Asket, blieb, bis die Nachspeise gegen Mitternacht abgeräumt wurde. Er hatte sich für den Abend in einen eigens entworfenen Trachtenjanker gekleidet, grau, mit lodengrünem Revers und Hirschhornknöpfen.

Karl Lagerfeld – Meister der Inszenierung

Der Dienstag war dann ganz der "Métiers d'Arts"-Show gewidmet, morgens startete der erste von insgesamt drei Durchgängen. Und wo könnte man die Kollektion "Paris-Salzburg" besser zeigen als in einem Schloss mit Räumen in prächtigem Rokoko-Stil? Dass Karl Lagerfeld ein Meister der Inszenierung ist, beweist er jede Saison, wenn er seine Hauptkollektionen für das französische Modehaus im Pariser Grand Palais präsentiert – er lässt Models an echten Eisbergen vorbeilaufen, schickt sie durch einen eigens geschaffenen Chanel-Supermarkt oder zwischen riesigen Windrädern hindurch.

In Salzburg werden sie also durch die Salons des Schlosses Leopoldskron schreiten. Da gibt es den Weißen Salon, der in zartem Creme, Blau und Gold gehalten ist; den Marmor-Salon mit seinen großen Kaminen, die von je rund 40 Kerzen erhellt werden. In den Räumen stehen Tische mit Blumen, Trauben, Himbeeren, Pralinen, Quarktaschen, Gugelhupf, Plätzchen. Junge Frauen im Dirndl reichen vor der Show Ei Benedict, Schinken und Chanel-Brezen – ein Laugengebäck, das in Form der verschlungenen Chanel-Cs gebacken sein soll, auch, wenn man sich etwas Mühe geben muss, das zu erkennen.

Das Schloss liegt etwas erhöht über der Stadt am Leopoldskroner Weiher. Es ist eine prachtvolle Kulisse, als die Show beginnt, kann man sich kaum vorstellen, dass hier die Mode nicht untergeht in all den Reizen, die sich den Augen bieten. Doch die Entwürfe entfalten sich gut im Schloss-Ambiente. Zwar gibt es auch Models, die etwas viele Rüschen und Schmuck durch die Salons tragen, aber der Großteil der Kollektion ist wunderschön: zarte Kleider, bestickt mit Blumen und Vögeln. Kunstvoller Strick – Pullover mit Puffärmeln, lange Kleider, Overnknee-Strümpfe. Dazu Lackstiefel und Loafer mit Edelweiß-Verzierung. Loden und Filz treffen auf Kaschmir und Chiffon.

Cara Delevingne, die Lieblingsmuse

Mit gewohnt frechem Blick spaziert Cara Delevingne in den folkloristischen Entwürfen vorbei an den Zuschauern. Sie ist eine von Lagerfelds Lieblingsmusen und flaniert gemeinsam mit dem Designer zum Finale durch die Salons. Das Publikum klatscht begeistert. Tracht und Chanel, plötzlich denkt man, das passte schon immer ganz selbstverständlich zusammen.

Nach der Show erzählt Karl Lagerfeld noch von seiner persönlichen Verbindung zur Tracht. Seine Eltern hätten ihn schon als kleinen Jungen in Trachten aus Österreich gekleidet. "Ich habe als Kind nur solche Sachen angezogen." Und während sich im Schloss die Models ausruhen, bevor die nächste Runde losgeht, bummeln bereits einige der Chanel-Gäste auf Stöckelschuhen und im rosa Kostüm mit den normalen Salzburg-Touristen durch die Innenstadt. "Sieh mal, ist das da vorne nicht Karl Lagerfeld", zischt eine Frau ihrem Freund zu und deutet auf den Rücken eines Mannes, mit weißem Zopf und langem, roten Mantel. "Quatsch, Karl Lagerfeld trägt doch schwarz", antwortet der. "Ich glaube, das ist jemand, der sich als Mozart verkleidet hat."

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