Die Welt geht vor die Hunde, so kommt es einem in diesem Herbst manchmal vor. Stürmische Tage, alles scheint aus den Fugen zu geraten, die Einschläge kommen näher, jeder Frieden wirkt so zerbrechlich. Auf nichts ist mehr Verlass. Oder besser: auf fast nichts. Außer auf die Foo Fighters.
"Concrete and Gold" ist bereits das neunte Album der Band um den früheren Nirvana-Drummer Dave Grohl, aber gefühlt ist keiner der Vorgänger in ähnlich ungemütlichen Zeiten erschienen. Es stellt sich deshalb nicht die Frage, ob die Platte gut ist - wer sich mit der Biografie der Foo Fighters nur ein bisschen auskennt, weiß, dass ihr schnörkelloser Rock'n'Roll keine krassen qualitativen Ausreißer nach oben oder unten kennt. Vielmehr bleibt zu beweisen, ob wenigstens Grohl uns noch ein bisschen Hoffnung machen kann.
"Ein Ort, an dem Liebe und Mitgefühl regieren"
Weil: wer sonst? Wer, wenn nicht der Dichter zeitloser Zeilen wie: "When the wheels touch ground and you feel like it's all over, there's another round for you"? Zwar sind die Foo Fighters keineswegs eine politische Band, nie gewesen. Trotzdem sieht Grohl die neuen Songs auch als Reaktion auf das aufgeheizte Klima in seiner US-Heimat. "Es muss doch einen Ort geben, an dem Liebe und Mitgefühl regieren", hat der 48-Jährige in einem Interview mit der "Hamburger Morgenpost" zuletzt fast flehend angemerkt. Er habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben.
Für die Foo Fighters heißt diese Hoffnung natürlich Rock'n'Roll, den die Band heute wie keine zweite ihrer Größenordnung verkörpert, was Massenwirksamkeit und Geradlinigkeit betrifft. In ihrer Funktion als Act, auf den sich alle einigen können, ist sie ein Phänomen - zuletzt eindrucksvoll zu beobachten beim Lollapalooza-Festival in Berlin, das sie mit einer breitbeinigen Performance beschlossen, von 85.000 Fans gefeiert.
Mit Gitarrenriffs, die so geradeaus daherkommen wie ein Wüsten-Highway in Nevada, und mit vollbärtigen Rocksongs, die eingängig und anspruchsvoll zugleich sind, stehen die Foo Fighters für eine Beständigkeit, nach der sich dieser Tage so viele sehnen. Sie sind eine Bank und sie vermitteln damit Sicherheit. Und sie lassen es so einfach aussehen, wie sie Album für Album eine Handvoll Hymnen aus dem Ärmel schütteln, und wie sie diese Songs auf den größten Bühnen der Welt trotzdem so spielen, als hätten sie sie beim Bier vor der Show gerade eben erst geschrieben.
Es ist selten gewordene Musik, die zugleich Trost und die Sehnsucht nach Aufbruch vermittelt; die die Welt zu einem besseren Ort machen will, aber zu den eigenen, nicht verhandelbaren Konditionen und ohne die Überdosis Pathos einiger Stadionrock-Kollegen; Musik, die wir in der Form sonst nur noch bei Papa aus dem Plattenschrank ziehen können. Diese Musik machen die Foo Fighters im Jahr 2017, sie machen sie schon seit 1995, sie klingt heute wie damals und trotzdem aktueller denn je. Weil sie gebraucht wird.
Foo Fighters: Kein schlechter Song in über 20 Jahren
Wer ein Konzert der Foo Fighters besucht und miterlebt, wie sich Dave Grohl für gewöhnlich durch eine Greatest-Hits-Setlist seines melodiösen Rocksong-Repertoires grölt, gewinnt den Glauben an die Kraft des Rock'n'Roll zurück. Die Band schreibt beileibe keine Übersongs, kein "Stairway To Heaven" und kein "November Rain", aber dafür ausnahmslos Stücke zwischen grundsolide und großartig. Ein richtig schlechtes Lied ist ihnen in über 20 Jahren noch nicht passiert, von einem missratenen Album ganz zu schweigen.
Kurz: Auf die Foo Fighters können wir uns verlassen. Auf ihre Art sind sie die einzige Band, die diese Welt noch retten kann. Oder zumindest ein bisschen besser machen kann. Und falls es ihnen nicht gelingen sollte, liefert Grohl im Gespräch mit der "Hamburger Morgenpost" gleich eine Alternative - die Menschen sollten gezwungen werden, jeden Tag "Imagine" von John Lennon zu hören, weil in diesem Song alles drin stecke: "Wenn wir dem Rat von John Lennon folgen, wird am Ende vielleicht alles gut."
Ein Rat, so schlicht und ergreifend wie die Musik der Foo Fighters. Es könnte alles so einfach sein.