Zwei Mal betrat Ida-Marie, Tochter der AfD-Politikerin Nicole Höchst, vergangene Woche in Speyer bei einem Poetry Slam die Bühne. Zwei Mal sorgte die 14-Jährige mit ihren Wortbeiträgen zum Thema "Zivilcourage" bei den Zuschauern für reichlich Empörung – und lauten Applaus. Weil sie in ihren Beiträgen ganz offen fremdenfeindliche Ressentiments bediente, drehten die Veranstalter "Speyer ohne Rassismus – Speyer mit Courage" Ida-Marie kurzzeitig sogar den Strom ab. (Was die 14-Jährige beim Poetry Slam vorgetragen hat, erfahrt ihr hier.) Die rassistischen Gedichte von Ida-Marie wurden im Netz kontrovers diskutiert – auch, weil sie gemessen an der Lautstärke des Publikums eigentlich hätte gewinnen müssen.
Auch "Speyer ohne Rassismus – Speyer mit Courage" steht in der Kritik
Doch nicht nur über die Wortbeiträge wurde gestritten, auch über das Verhalten der Organisatoren. Einerseits wurde den Veranstaltern wegen des Mikrofon-Abdrehens Zensur und eine Beschneidung der Meinungsfreiheit vorgeworfen. Andererseits hagelte es – hauptsächlich aus AfD-Kreisen – Kritik für die Entscheidung, Ida-Marie den Sieg abzuerkennen und die Zweitplatzierte als Siegerin zu küren. Auf seiner Homepage begründete das Bündnis "Speyer ohne Rassismus – Speyer mit Courage" seine Entscheidungen. Presseanfragen blieben aber zunächst unbeantwortet. Man wolle die Vorgänge zunächst intern aufarbeiten. Nach einer erneuten Anfrage von NEON erklärten sich die Veranstalter nun – eine Woche nach dem Eklat in Speyer – bereit, unsere Fragen exklusiv zu beantworten.
Das sagt der Veranstalter zum Eklat beim Poetry Slam
Den Vorwurf der Zensur weist das Bündnis "Speyer ohne Rassismus – Speyer mit Courage" entschieden zurück. So sei nach Ansicht der Veranstalter für Ida-Marie "ein vollständiges Vortragen ihrer Texte – trotz kurzzeitiger Unterbrechung – möglich gewesen". Der Vorwurf von Zensur lasse sich deshalb nicht halten. Auch, dass man im Ausschluss von der Preisverleihung eine Beschneidung der Meinungsäußerungsfreiheit sehe, sei nicht nachzuvollziehen. "Für uns endet die Meinungsäußerungsfreiheit dort, wo durch die Art der Äußerung eine gezielte Diffamierung bestimmter Gruppen von Menschen erfolgt und somit die Würde anderer Menschen und sogar deren Existenzberechtigung untergraben wird. Dies ist für uns nicht mehr mit dem Begriff der 'Meinung' zu vereinen", erklärt ein Sprecher von "Speyer ohne Rassismus – Speyer mit Courage".
Trotzdem, das habe die interne Aufarbeitung ergeben, wolle man in Zukunft vieles anders machen. So soll künftig die "interne Kommunikation" verbessert und soziale Netzwerke – besonders kurz vor Veranstaltungen – genauer beobachtet werden. Damit wolle man festzustellen, ob dort "Werbung, Aufrufe oder sonstige Äußerungen" mit Blick auf die eigenen Veranstaltungen verbreitet werden. Außerdem soll in Zukunft jeder Teilnehmer verpflichtend einen kurzen Grundsatzkatalog unterschreiben und sich dadurch zu den Grundsätzen und Werten des Poetry Slams bekennen. "Sollte sich jemand vorab verweigern, dieses anzunehmen, wird eine Teilnahme an unserer Veranstaltung nicht möglich sein", sagen die Veranstalter und erklären weiter: "Des Weiteren haben wir uns zum Ziel gesetzt, vor Beginn einer jeden Veranstaltung ein kurzes Intro zu präsentieren, welches nochmals die Grundsätze und Werte unserer Organisation sowie der Veranstalter übermittelt und somit auch Ziel und Zweck der Veranstaltung verdeutlicht."
Reaktionen: Viel Hass, aber auch Lob und Unterstützung
Nach dem Poetry Slam und der Veröffentlichung der Gedichte von Ida-Marie auf Youtube habe es "sehr gemischte Reaktionen" gegeben. "Über Facebook und unsere offizielle E-Mail erhalten wir neben Kritik hauptsächlich Hassmails." Auf Kritiker wolle man gegebenenfalls zugehen. Hassmails wolle man dagegen unbeantwortet lassen. "Gerade wenn diffamierende Aussagen wie 'ihr seid armselig', 'ihr seid lächerlich' oder 'fickt euch' getätigt werden oder anonyme Mailadressen verwendet wurden. In einigen, speziellen Fällen hat sich auch die Rechtsabteilung der Sache angenommen", erklärten die Veranstalter auf NEON-Anfrage. Daneben habe es aber auch viel Positives Feedback und viel Unterstützung gegeben. "Das gibt uns in den schwierigen Zeiten auch Kraft weiterzumachen, nach vorne zu schauen und uns für ein tolerantes, offenes und vielfältiges Speyer einzusetzen."
Weniger erfreut ist das Bündnis über den Nachgeschmack des Poetry Slams in Speyer. So habe die massive – und teils unkommentierte und unzensierte – Verbreitung der Wortbeiträge der 14-jährigen Ida-Marie zu einer "Reproduktion" der rassistischen Äußerungen beigetragen. Zwar sei es wichtig, so die Veranstalter, Rassismus zu benennen, doch die "erneute Verwendung führte genau zu dem, was durch den Ausschluss von der Preisverleihung verhindert und gerade nicht zum Mittelpunkt des Abends gemacht werden sollte". Statt über den eigentlichen Zweck und die guten Texte zu sprechen, bleibe nur noch der "diffamierende und undemokratische Slamtext" von Ida-Marie in Erinnerung.
NEON hat auch versucht, mit der AfD-Bundestagsabgeordneten Nicole Höchst, Mutter der 14-jährigen Ida-Marie, zu sprechen. Eine entsprechende Anfrage blieb bislang unbeantwortet.
