Zeugnisse für Politiker Keine Antwort? Sechs! Warum Jens Spahn beim Thema Bürgernähe sitzen bleibt

Mann mit Studenten
Offline sucht Jens Spahn den Bürgerdialog – online bekommt er vom Portal "abgeordentenwatch.de" eine glatte sechs beim Thema "Bürgernähe"
© Bernd Settnik/ / Picture Alliance
Bei "abgeordnetenwatch" können Bürger Fragen an Politiker stellen. Nun hat das Portal ausgewertet, wer am fleißigsten antwortet – und dafür Noten vergeben. Unter Strebern und Sitzenbleibern finden sich einige Überraschungen.

Schüler bekommen für ihre Leistungen einmal im Jahr ein umfassendes Zeugnis – aber was ist eigentlich mit Politikern? Das hat sich das Portal "abgeordnetenwatch.de" gefragt und auch an die Mitglieder des Bundestages (MdB) Zeugnisse verliehen. Grundlage ist das Frage-Antwort-Portal auf der Internetseite der Plattform. Seit Beginn der Legislaturperiode gingen dort 9.293 Fragen ein, 6.755 davon wurden beantwortet. Aber wer ist Klassenbester im Fach „Bürgernähe“? Und wer bleibt sitzen?

Sitzenbleiber im Bürger-Dialog

Eins ist klar: Der Bekanntheitsgrad hat nichts mit Bürgernähe zu tun. Denn auf den letzten beiden Plätzen des bundesweiten Rankings landen zwei ganz große Namen. Angela Merkel mit 100 von 100 unbeantworteten Fragen und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der sage und schreibe 122/122 Fragen unbeantwortet ließ.

Und auch andere Spitzenpolitiker aller Parteien können nicht auftrumpfen: So kommt Ursula von der Leyen, bis vor Kurzem noch Bundesverteidigungsministerien und nun EU-Kommissionspräsidenten, auf 32 unbeantwortete Fragen, AfD Chefin Alice Weidel ließ alle 28 Fragen an sie unbeantwortet. Bei Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer blieben alle 77 Fragen offen und auch Karl Lauterbach, der sich gerade für den Parteivorsitz der SPD bewirbt, kann mit 46 unbeantworteten Fragen nicht gerade glänzen.

Diese Politiker erhalten Bestnoten

Ein Sternchen im Klassenbuch bekommen Andere: Ungeschlagen mit 180 von 180 beantworteten Fragen ist Linken-Politiker Gregor Gysi, dicht gefolgt von AfD-Politiker Stephan Brandner (171/171). Danach folgen Katrin Göring-Eckardt (153/153) und Annalena Baerbock (111/111)  von den Grünen. Unter den Top 10 Politikern sind auf jeden Fall Vertreter aller sechs Parteien zu finden, die im Bundestag vertreten sind. In den "Flop 10" sind fünf CDU/CSU-Abgeordnete, drei Mitglieder der SPD und je ein MdB von den Linken und der AfD.

Von den insgesamt 709 Abgeordneten im Deutschen Bundestag haben bisher nur sieben auf der Plattform überhaupt keine Frage erhalten. Die meisten Fragen pro MdB nach Bundesland wurden übrigens in Thüringen gestellt, dicht gefolgt von Rheinland-Pfalz und Berlin. Andrea Nahles wurden dabei die meisten Fragen gestellt, (416 Fragen, davon 349 beantwortet), gefolgt von Christian Lindner (207/177).

So funktioniert die Auswertung

Das Portal "abgeordnetenwatch" wird von der NGO "Parlamentswatch e.V." betrieben, die sich durch Spenden finanziert. Ziel der Plattform ist es nach eigenen Angaben, einen "direkten Draht von Bürgerinnen und Bürgern zu den Abgeordneten und Kandidierenden" herzustellen. Jeder MdB hat dazu auf der Seite des Portals einen Steckbrief, über den man ihm Fragen stellen kann und die dort mit der Antwort (wenn der entsprechende Politiker antwortet) veröffentlicht wird.

Laut "abgeordnetenwatch" wird jeder Abgeordnete darüber informiert, dass er Teil des Portals und zum Dialog auf dem Profil eingeladen ist. Vor Veröffentlichung wird jede Frage von einem Team auf den "Moderations-Codex" des Portals geprüft – abmelden können sich die MdBs von ihrem Profil nicht. Für die "Zeugnisvergabe" wurden alle Fragen und Antworten erfasst, die bis 15 Tage vor dem jeweiligen offiziellen Termin der Zeugnisvergabe, in dem Bundesland, in dem der entsprechende MdB seinen Wahlkreis hat, eingegangen waren.

lau