Den "Herbst der Reformen", den die Bundesregierung ausgerufen hatte, nannten die Chefs der beiden größten deutschen Gewerkschaften einen "Herbst der Grausamkeiten". Benner und Werneke, die zusammen etwa vier Millionen Arbeitnehmer vertreten, wiesen gegenüber der "SZ" die Behauptung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zurück, Deutschland könne sich das Sozialsystem nicht mehr leisten. Die Ausgaben für Arbeitslose und Bürgergeldempfänger seien im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung nicht höher als vor 20 Jahren, die Rentenausgaben sogar gesunken, argumentierten sie.
Benner und Werneke machten eigene Vorschläge zur Finanzierung des Sozialstaats. "Die Ausgaben für Pharmaindustrie, Ärzte und Krankenhäuser gehören auf den Prüfstand", forderte Benner. Werneke schlug vor, die Mehrwertsteuer auf Medikamente auf sieben Prozent zu senken und Kranken- und Pflegekassen für versicherungsfremde Leistungen zu entschädigen, was versicherungspflichtig Beschäftigte um mindestens 20 Milliarden Euro entlasten würde.
Gleichzeitig sollen Reiche einen höheren Beitrag leisten. "Eine Vermögenssteuer für Superreiche ist überfällig", sagte Benner, "Gleiches gilt für die Neugestaltung der Erbschaftssteuer für Superreiche."
Werneke übte scharfe Kritik an der geplanten Reform des Bürgergelds. "Wie die CDU/CSU vorgeht, das ist unanständig", sagte er. Die Union stelle ihre Forderungen "ohne jedes Mitgefühl für die Schicksale auf, für Menschen mit psychischen Erkrankungen oder alleinerziehende Mütter, die sich um ihre Kinder kümmern".
Die Kürzung der Wohnungskosten sei in Ballungsräumen mit hohen Mieten verheerend, warnte der Verdi-Chef. "Was die Regierung beschließt, führt am Ende zu Obdachlosigkeit."