Das Oberlandesgericht (OLG) München hat den für Mittwoch vorgesehenen Start des NSU-Prozesses auf den 6. Mai verschoben. Als Grund gab das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zur Sitzplatzvergabe an Journalisten an. Als Folge dieser Entscheidung will das Gericht nun ein völlig neues Akkreditierungsverfahren organisieren, was vor dem geplanten Prozesstermin nicht mehr möglich sei.
Deshalb wurden alle bis zum 6. Mai geplanten Termine abgesetzt, wie die Leiterin der Justizpressestelle bei dem OLG München, Margarete Nötzel, vor Journalisten sagte. Nötzel fügte hinzu, es lägen ihr noch keine Informationen darüber vor, nach welchen Kriterien der OLG-Senat das neue Akkreditierungsverfahren gestalten werde. Im ersten Akkreditierungsverfahren hatte das Gericht die Presseplätze nach der Reihenfolge des Eingangs der Anträge vergeben.
Die Sitzplatzvergabe an Journalisten stand seit Wochen in der Kritik, weil alle türkischen und fast alle internationalen Medien keinen festen Sitzplatz in dem Prozess bekommen haben. Nach der Klage der türkischen Zeitung "Sabah" hatte Karlsruhe am Freitag angeordnet, mindestens drei Plätze an ausländische Medien zu vergeben. Es eröffnete dem Münchner Gericht aber auch die Möglichkeit, die Sitzplatzvergabe ganz neu zu beginnen. Nötzel sagte, nach der Karlsruher Entscheidung habe der OLG-Senat das Wochenende dazu genutzt, sich über sein weiteres Vorgehen zu beraten.
Der NSU-Untersuchungsausschuss begrüßte die Entscheidung, den Prozess zu verschieben. Die SPD-Vertreterin im Ausschuss, Eva Högl, sagte am Rande von Ausschussberatungen in Berlin, sie hoffe, dass das Gericht nunmehr "etwas sensibilisiert agiert". Der CDU-Vertreter im Ausschuss, Clemens Binninger, äußerte Verständnis dafür, dass das Gericht auf keinen Fall Revisionsgründe für das bevorstehende Urteil zulassen wolle. Binninger regte ebenso wie der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland an, die Verhandlung zusätzlich in einen benachbarten Raum des Gerichts zu übertragen, um mehr Journalisten die Möglichkeit zu geben, den Prozess zu verfolgen.Die Linken-Abgeordnete Petra Pau sagte, die Verschiebung sei angesichts der entstandenen Lage richtig.
Unterdessen wollen Angehörige der NSU-Opfer während des Prozesses auch staatliches Versagen zum Thema machen. Semiya und Kerim Simsek erklärten über ihre Anwälte, zwar säßen die Sicherheitsbehörden in dem Verfahren gegen Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer nicht auf der Anklagebank. "Und dennoch werden sie auch Fragen zum Versagen staatlicher Behörden stellen, weil diese Fragen gestellt werden müssen", hieß es weiter.