Nach Kanzlerwahl: Union debattiert über Zusammenarbeit mit Linkspartei

Chefs von Partei und Fraktion der Linken
Chefs von Partei und Fraktion der Linken
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Die schwierige Kanzlerwahl hat in der Union eine Debatte zur Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausgelöst. Denn zur Ermöglichung eines zweiten Wahlgangs mussten CDU/CSU Gespräche mit der Linken führen - zu dieser gilt bei der CDU aber eigentlich ein Unvereinbarkeitsbeschluss. Für dessen Abschaffung zeigte sich am Mittwoch bereits Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) offen.

"Wir werden gemeinsam darüber zu sprechen haben", sagte Frei den Sendern RTL und ntv. Der Beschluss des CDU-Bundesparteitags könne zwar nicht mit einem Federstrich außer Kraft gesetzt werden. "Aber mit Sicherheit sind wir in einer Situation, wo wir die eine oder andere Frage neu bewerten müssen."

CDU-Chef Friedrich Merz war am Dienstagvormittag beim ersten Durchgang der Kanzlerwahl überraschend gescheitert. Um einen zweiten Wahlgang noch am selben Tag zu ermöglichen, mussten zwei Drittel der Abgeordneten für einen Antrag auf Fristverkürzung stimmen. 

Weil für diese Mehrheit neben CDU/CSU, SPD und Grünen eine weitere Partei nötig war, führte die Union auch mit der Linkspartei Gespräche. Mit der Linken gilt bei der CDU aber eigentlich ein Unvereinbarkeitsbeschluss, der eine Zusammenarbeit ausschließt. Dieser wurde bei einem CDU-Parteitag 2018 gefasst.

Bei der Kanzlerwahl habe es erneut das Problem gegeben, dass eine Zweidrittelmehrheit nicht einfach möglich sei, sagte Frei. Deshalb gehe es nun um pragmatische Lösungen für das Land. "Das Wohl des Landes ist immer höher zu bewerten als Parteiinteressen."

Bei dem Antrag zur Fristverkürzung sei es um einen geschäftsmäßigen Antrag zur Tagesordnung gegangen, sagte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) am Mittwoch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Das verstößt weder gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss noch hebt es ihn auf." Dieser gelte weiterhin. Die schwarz-rote Koalition verfüge "über eine eigene Mehrheit, mit der wir stabil und verlässlich regieren werden".

Ähnlich hatte sich am Dienstagabend CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann im ZDF geäußert. Schon in der Vergangenheit seien Verfahrensfragen zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern geklärt worden, sagte er. So sei es auch bei der Kanzlerwahl gewesen. 

Der CDU-Politiker betonte: "Aber wir haben diesen Unvereinbarkeitsbeschluss, der steht." Es gebe immer noch linksextremistische Strömungen innerhalb der Linkspartei. Wie in Zukunft über den Beschluss gesprochen werde, müssten Parteitage zeigen, zeigte sich aber auch Linnemann offen. 

Der neue Unions-Parlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger bekräftigte im Sender Welt, dass die neuen Gespräche mit der Linken "keine inhaltliche Zusammenarbeit" gewesen seien. "Der Unvereinbarkeitsbeschluss gilt." Allerdings werde es in den kommenden Wochen immer wieder Situationen im Bundestag geben, wo Gespräche geführt werden müssten, zum Beispiel über organisatorische Fragen.

Linken-Chefin Ines Schwerdtner forderte CDU/CSU indes bereits auf, künftig stärker mit ihrer Partei zusammenzuarbeiten. Sie erwarte, dass sich die Union nicht nur melde, "wenn die Hütte brennt, sondern auch bei anderen politischen Entscheidungen, wenn eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig ist". Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte sie weiter: "Demokratische Parteien sollten in der Lage sein, miteinander zu sprechen."

Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek schlug der Union konkret vor, bei der Reform der Schuldenbremse und der Wahl von Richtern für das Bundesverfassungsgericht zusammenzuarbeiten, für die auch Zweidrittelmehrheiten nötig. Reichinnek forderte dazu in der "taz" "Gespräche auf Augenhöhe". Der Unvereinbarkeitsbeschluss der Union sei ohnehin immer unangebracht gewesen, nun sei er auch nicht mehr praktikabel.

Mit der AfD führte die Union im Verlauf der Kanzlerwahl keine Gespräche. Zu der erst kürzlich vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuften Partei gibt es in der CDU gleichfalls einen Unvereinbarkeitsbeschluss. 

AfD-Chefin Alice Weidel warf der CDU am Mittwoch im Onlinedienst X vor, "mit der Linken paktieren" zu wollen. "Weil jetzt schon absehbar ist, dass man mit der kleinen Koalition aus Union und SPD kaum regieren kann."

AFP