Tierseuche Vogelgrippe breitet sich rasant aus – 400.000 Tiere gekeult

Wegen der Geflügelpest müssen in Deutschland derzeit viele Tausend Hühner, Gänse, Enten und Puten gekeult werden. Foto: Frank Ha
Wegen der Geflügelpest müssen in Deutschland derzeit viele Tausend Hühner, Gänse, Enten und Puten gekeult werden. Foto
© Frank Hammerschmidt/dpa
Der Höhepunkt des Vogelzugs steht noch bevor. Damit ist für Tierhalter die Gefahr, dass die grassierende Vogelgrippe in ihre Bestände eingeschleppt wird, weiterhin groß.

Die rasante Ausbreitung der Vogelgrippe trifft Geflügelbetriebe in ganz Deutschland mit voller Wucht. Nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) haben bislang mehr als 30 kommerzielle Geflügelhalter bundesweit ihre Tiere töten müssen. Der Schaden für betroffene Betriebe geht insgesamt in die Millionen.

Um die weitere Ausbreitung der Tierseuche möglichst einzudämmen, seien ersten Erhebungen zufolge etwa 400.000 Hühner, Enten, Gänse und Puten gekeult und anschließend entsorgt worden, sagte eine Sprecherin des für Tiergesundheit zuständigen FLI mit Sitz in Greifswald auf Anfrage. 

"Ähnliche Zahlen hatten wir bereits 2021, dem bisher stärksten "Geflügelpest-Jahr". Wie sich die Situation weiter entwickelt, ist nicht abzusehen, auf jeden Fall rechnet das FLI mit einer weiteren Zunahme der Ausbrüche und Fälle", sagte Instituts-Präsidentin Professor Christa Kühn. "Wir sehen nach wie vor ein sehr dynamisches Geschehen."

Größte Verluste in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg

Die größten Verluste gab es bislang in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. So mussten in zwei Betrieben in Vorpommern insgesamt fast 150.000 Legehennen getötet werden. Der Landkreis Märkisch-Oderland in Brandenburg gab bekannt, dass dort infolge der Vogelgrippe weitere 130.000 Tiere gekeult werden. Allein für einen der dort betroffenen Agrarbetriebe bedeutet dies laut Landkreis einen Verlust von rund einer halben Million Euro.

In Niedersachsen, Bayern, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg kam es ebenfalls zur vorsorglichen Tötung Tausender Nutztiere. Vorausgegangen waren Analysen im Friedrich-Loeffler-Institut, die Infektionen mit dem hochansteckenden Geflügelpest-Virus vom Typ H5N1 bestätigten.

Das Friedrich-Loeffler-Institut schließt schon länger nicht aus, dass das Infektionsgeschehen ähnlich dramatische Ausmaße annimmt wie vor vier Jahren. Forderungen nach einem bundesweiten Aufstallungsgebot werden lauter. Nutztiere wie Geflügel aus Freilandhaltung müssten auf eine solche behördliche Anordnung hin in geschlossenen Ställen gehalten werden. 

Bei einem der bislang schwersten Seuchenzüge in Deutschland mussten im Winter 2020/21 nach Angaben der Fachpresse bundesweit mehr als zwei Millionen Tiere gekeult werden. 

Mit Vogelzug steigt Infektionsgefahr auch in Geflügelhaltungen     

Erkrankte Wildvögel, die auf dem Weg in ihre Winterquartiere im Süden Rast machen, gelten als Überträger der Geflügelpest. Zwar ist die Tierseuche in Deutschland inzwischen ganzjährig verbreitet, doch mit dem Vogelzug im Herbst gewinnt das Infektionsgeschehen deutlich an Fahrt. 

Nach Einschätzung des Loeffler-Instituts hat die Infektionswelle in diesem Jahr früher eingesetzt als üblich. Zudem seien Kraniche in einem bislang nicht gekannten Ausmaß betroffen. Vor allem im Linumer Teichland im Nordwesten Brandenburgs gibt es ein massenhaftes Kranich-Sterben. Laut Kühn wurde in 65 Fällen bei Wildvögeln der Geflügelpest-Virus H5N1 festgestellt. Insgesamt verendete aber ein Vielfaches der infizierten Tiere. 

Kontakte zu Wildvögeln vermeiden 

Der Virusdruck durch infizierte Wildvögel und deren Ausscheidungen sei sehr hoch. "Ich möchte an alle appellieren, sich nicht in der Nähe toter Wildvögel aufzuhalten und danach Geflügelbestände zu besuchen. Auch so kann das Geflügelpest-Virus indirekt über verunreinigtes Schuhwerk oder Gerätschaften weitergetragen werden", warnte Kühn.

Nach ihren Angaben besteht für die allgemeine Bevölkerung ein geringes Infektionsrisiko. Doch gelte es, Kontakt zu Wildvögeln, insbesondere kranken oder toten Tieren, zu vermeiden. "Personen, die mit infizierten Tieren zu tun haben, etwa die Teams, die betroffenen Haltungen räumen oder tote Wildvögel einsammeln, haben ein moderates Infektionsrisiko und tragen daher Schutzkleidung", sagte Kühn. 

Bundesweites Aufstallungsgebot gefordert

Der Höhepunkt des Vogelzugs steht noch bevor. Damit sei für Tierhalter die Gefahr, dass die Vogelgrippe in ihre Bestände eingeschleppt wird, weiterhin groß, hieß es. Die Betriebe wurden ermahnt, die Hygienemaßnahmen genauestens einzuhalten und Kontakte zu Wildvögeln zu unterbinden. 

Mit der schnellen Ausbreitung der Vogelgrippe und der wachsenden Sorge vor wirtschaftlichen Schäden dringen Geflügelhalter auf einen stärkeren Schutz. Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft warnte: "Wenn wir nicht handeln, riskieren wir nicht nur Tiergesundheit, sondern auch die Versorgungssicherheit." 

Minister Rainer für höhere Entschädigungszahlungen 

Wird nach einem Geflügelpest-Ausbruch die Tötung von Tieren angeordnet, erhalten die Besitzer eine Entschädigung, die nach Tierart gestaffelt ist und laut Gesetz den Höchstsatz von aktuell 50 Euro nicht überschreiten darf. Den finanziellen Schaden können Halter bei der Tierseuchenkasse geltend machen. 

Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) sprach sich dafür aus, die Obergrenze von Entschädigungszahlungen für Tiere, die getötet werden müssen, von bislang 50 Euro auf bis zu 110 Euro hochzusetzen. In der Regel ist der Marktwert Grundlage für Entschädigungszahlungen aus der Tierseuchenkasse.

Grüne: "Anfälligkeit der Massentierhaltung" offengelegt 

Eine Seuche wie die Vogelgrippe legt aus Sicht der Grünen im Bundestag die Anfälligkeit der Massentierhaltung offen. "Dass die Ausbreitung der Vogelgrippe für viele Geflügel-Betriebe eine so große wirtschaftliche Gefahr bedeutet, weist auf ein grundsätzliches, strukturelles Problem hin: zu große Ställe mit zu hoher Besatzdichte", sagte Zoe Mayer, Sprecherin für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat und Tierschutzbeauftragte.

Derzeit könnten mehrere zehntausend Tiere zusammen auf engstem Raum gehalten werden. Im Fall einer Tierseuche werde dann die Tötung einer enorm großen Anzahl von Tieren notwendig. "Dieses Problem löst man nicht mit höheren Entschädigungssätzen auf Kosten der Steuerzahler", sagte Mayer.

dpa

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