Waffenruhe im Gazastreifen in Kraft getreten - Frist für Geiselfreilassung läuft

Kolonnen auf dem Weg in den Norden des Gazastreifens
Kolonnen auf dem Weg in den Norden des Gazastreifens
© AFP
Zwei Jahre nach Beginn des Krieges schweigen im Gazastreifen seit Freitagmittag die Waffen: Die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas trat nach Angaben der israelischen Armee um 12.00 Uhr (Ortszeit, 11.00 Uhr MESZ) in Kraft, zeitgleich vollzogen die Soldaten den vereinbarten Teilrückzug aus dem Palästinensergebiet. Damit begann eine 72-stündige Frist zur Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln. Die Bundesregierung kündigte an, gemeinsam mit Ägypten eine internationale Wiederaufbaukonferenz für den Gazastreifen auszurichten.

Israel und die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas hatten in der Nacht zum Donnerstag der ersten Phase des von US-Präsident Donald Trump vorgelegten Friedensplans zugestimmt, die eine Freilassung der Geiseln, einen Teilrückzug der Armee sowie die Wiederaufnahme der Hilfslieferungen für die notleidende Bevölkerung vorsieht.

Die auf Englisch veröffentlichte Mitteilung zur Waffenruhe überschrieb die israelische Armee mit den Worten "Das Waffenruheabkommen ist um 12.00 Uhr in Kraft getreten". Soldaten des Südkommandos würden aber weiterhin "jede unmittelbare Gefahr ausschalten". 

In einer Erklärung auf Arabisch gab das israelische Militär die Wiedereröffnung der Hauptverbindungsstraße zwischen Norden und Süden des Palästinensergebiets, bekannt. Die Streitkräfte warnten Palästinenserinnen und Palästinenser jedoch davor, sich israelischen Soldaten zu nähern und fügten an, mehrere Teile des Gazastreifens seien weiterhin "äußerst gefährlich".

Mit dem Beginn der Waffenruhe machten sich tausende Palästinenserinnen und Palästinenser auf den Weg von Süd nach Nord, um in ihre größtenteils zerstörte Häuser zurückzukehren. "Voller Wunden und Schmerz kehren wir in unsere Gebiete zurück, aber wir danken Gott", sagte der 32-jährige Amir Abu Liadeh der Nachrichtenagentur AFP in der Stadt Chan Junis.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu gab am Freitag bekannt, dass 20 Geiseln noch am Leben seien und 27 tot. Auch die Überreste einer bereits 2014 in den Gazastreifen verschleppten verstorbenen Geisel sollen von der Hamas übergeben werden. Netanjahu sagte in einer Fernsehansprache, er hoffe, dass Israel am Montag, dem jüdischen Feiertag Simchat Tora, die Rückkehr aller Geiseln als "Tag der nationalen Freude" feiern könne.

Im Gegenzug sagte Israel zu, rund 2000 Inhaftierte freizulassen. Das Justizministerium veröffentlichte eine Liste mit den Namen von 250 freizulassenden Häftlingen. Nicht enthalten war der Name des wegen seiner Beteiligung an tödlichen Attentaten zu lebenslanger Haft verurteilten palästinensischen Anführers Marwan Barghuti, der bei vielen Palästinensern hohes Ansehen genießt. 

Auch die in der Übereinkunft vereinbarten Hilfslieferungen in das palästinensische Küstengebiet liefen an: Bereits am Donnerstag hatten sich nach Angaben der Hilfsorganisation Ägyptischer Roter Halbmond mehr als 150 Lastwagen auf den Weg gemacht. Hamas-Angaben zufolge war die Ankunft von täglich mindestens 400 Lastwagen mit Hilfsgütern in den ersten fünf Tagen nach Waffenstillstand vereinbart worden.

Der Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten soll nach Angaben der italienischen Regierung im Zuge der Waffenruhe wieder geöffnet werden. Für den 14. Oktober sei zunächst die Öffnung der Fußgängerpassage geplant, erklärte Italiens Verteidigungsminister Guido Crosetto. Beaufsichtigt wird der Grenzübergang von der EU-Mission Eubam.

Wie es längerfristig nach der Umsetzung der ersten Phase des Friedensplans weitergehen soll, blieb jedoch weiterhin unklar - in dem 20-Punkte-Plan Trumps sind unter anderem auch die Entwaffnung und politische Entmachtung der Hamas sowie die Einsetzung einer Übergangsregierung für den Gazastreifen vorgesehen. 

Die US-Regierung machte erste Angaben zu ihrem militärischen Beitrag zur Überwachung des Waffenstillstands. Zunächst sollen 200 Soldaten der US-Armee nach Angaben des Leiters des US-Zentralkommandos Centcom, Admiral Brad Cooper, "überwachen, beobachten und sicherstellen, dass es keine Verstöße gibt". Ein US-Regierungsvertreter erklärte, auch Militärvertreter aus Ägypten, Katar und der Türkei sowie möglicherweise aus den Vereinigten Arabischen Emiraten würden in das hierfür zuständige Team eingebunden.

Eine Beteiligung der Bundeswehr steht dabei nach den Worten von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nicht zur Debatte. Die Bundesregierung werde jedoch für humanitäre Soforthilfe zunächst 29 Millionen Euro bereitstellen. Zudem werde die Bundesregierung gemeinsam mit Ägypten zu einer internationalen Wiederaufbaukonferenz für den Gazastreifen einladen.

Ausgelöst worden war der Krieg im Gazastreifen durch den Überfall von Kämpfern der Hamas und mit ihr verbündeter Islamisten auf Israel am 7. Oktober 2023. Nach israelischen Angaben wurden dabei mehr als 1200 Menschen getötet. 251 Menschen wurden in den Gazastreifen verschleppt.

Seither ging Israel massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des Hamas-Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, mehr als 67.190 Menschen getötet. 

AFP