Er war der Held der "Hansa Stavanger": Kapitän Krzysztof Kotiuk. Wegen seiner Verdienste bei dem Geiseldrama wurde er bei seiner Rückkehr umjubelt. Am Samstagabend war er bei RTL sogar als einer der "Menschen des Jahres" zu Gast. Genutzt aber hat es ihm nichts: "Meine Reederei hat mich zum Ende des Jahres entlassen", hatte er in der Sendung bekannt gegeben. "Angeblich aus betrieblichen Gründen", ergänzte er in der "Hamburger Morgenpost" vom Dienstag. Er empfinde das "als Sauerei".
Es ist das vorläufige Ende einer Entwicklung, die die Republik monatelang in Atem hielt und die am 4. April 2009 begann. Für den Kapitän war es ein "normaler Morgen", wie er vor ein paar Wochen rückblickend im Interview mit dem "Stern" erzählte. Das Containerschiff befand sich auf dem Weg von den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Mombasa, die Küste Somalias war 750 Kilometer entfernt - eine sichere Entfernung, dachte der Kapitän.
Piraterie als Millionen-Geschäft
Das ostafrikanische Somalia liegt politisch und wirtschaftlich am Boden. Das 1960 in die Unabhängigkeit entlassene Land mit knapp zehn Millionen Einwohnern ist bitterarm.
Kriminelle Banden verdienen viel Geld mit dem Schmuggel von Flüchtlingen. Und: Die Gesetzlosigkeit an der Küste nutzen zudem somalische Piraten, um im Seegebiet am Horn von Afrika Handelsschiffe zu kapern und Lösegelder zu erpressen. Allein 2008 kassierten organisierte Banden am Horn von Afrika für gekaperte Schiffe und Besatzungsmitglieder nach Schätzungen mehr als 150 Millionen US-Dollar.
Zahlungen von Lösegeld, wie im Fall der "Hansa Stavanger" sorgen für viel Kritik. Dass Piraten für die Freilassung des Frachters nach Angaben der Seeräuber umgerechnet 2,1 Millionen Euro erhalten haben, werten viele Politiker als Ermutigung zu weiteren Geiselnahmen. Andere verweisen darauf, dass die Reederei in diesem Fall keine andere Wahl hatte.
Überall Essens- und Fäkalienreste
Doch dann wurde das Containerschiff plötzlich attackiert: Zunächst schaffte es der Kapitän der "Hansa Stavanger" noch, die Angreifer durch geschickte Manöver abzuwehren. Doch beim zweiten Versuch konnten die Piraten das Frachtschiff entern.
Erst vier Monate später, am 3. August 2009, gaben die Piraten das Schiff gegen 2,75 Millionen Dollar wieder frei. An Bord der "Hansa Stavanger" war eine 24 Mann starke Crew, darunter auch fünf Deutsche. Die Zahl der Piraten auf dem Schiff variierte in den Monaten der Gefangenschaft - zeitweise sollen bis zu 50 Piraten an Bord gewesen sein.
Die hygienische Situation während der vier Monate auf dem Schiff war katastrophal: Die Räume, in denen sich Mannschaft und Piraten aufhielten, waren verdreckt. Überall ließen die Piraten ihre Zigarettenkippen fallen. Gebrauchte Kleidung, Essens- und Fäkalienreste auf den Decks wurden für die Mannschaft nach kurzer Zeit zu einer unerträglichen Belastung. Hinzu kam, dass einzelne Piraten krank waren: Sie litten unter Gürtelrose, Syphilis oder eitrigen Geschwüren. Dennoch mussten sich Mannschaftsmitglieder und Piraten eine Toilette teilen.
Die "Hansa Stavanger"
Das Containerschiff "Hansa Stavanger" gehört zur Flotte der Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg. Die Besatzung besteht aus 24 Seeleuten. Das Schiff ist 170 Meter lang und 25 Meter breit. Es kann bis zu 1550 Standardcontainer laden. Das Schiff fährt umgerechnet etwa 37 Stundenkilometer schnell. Gebaut wurde das Schiff 1997 in China.
Die Besatzung der "Hansa Stavanger" litt psychisch wie physisch unter der viermonatigen Geiselhaft. Die Piraten führten an Bord Scheinhinrichtungen durch. Und sie verschleppten immer wieder einzelne Crew-Mitglieder an Land - was passieren würde wussten die Betroffenen nie.
Dass sich die Befreiung der "Hansa Stavanger" so lange hingezogen hat, lag an den mühsamen Lösegeldverhandlungen zwischen Piraten und Reederei. Sie ließ die Crew länger zittern, als unbedingt notwendig.