Nach dem von der Union erzwungenen Führungwechsel in der ZDF-Chefredaktion ist es am Freitag im Fernsehrat zu einem Streit um die Staatsferne des Senders gekommen. Der SPD-nahe "Freundeskreis" im Fernsehrat fand für eine Resolution, in der Änderungen am ZDF-Staatsvertrag gefordert wurden, keine Mehrheit. Vor dem Gebäude, in dem der Fernsehrat tagte, demonstrierten Redakteure des ZDF gegen die Ablösung von Chefredakteur Nikolaus Brender.
Die Demonstranten kritisierten, die Ablösung Brenders habe der Glaubwürdigkeit der journalistischen Berichterstattung des ZDF geschadet. "Ohne Glaubwürdigkeit aber macht unsere Arbeit keinen Sinn", hieß es in einer Resolution des ZDF-Redakteursausschusses, den die Demonstranten an die Mitglieder des Fernsehrats verteilten. Auf einem Transparent stand zu lesen: "Wir sind kein Regierungssender." Die Gewerkschaft ver.di forderte die Abgeordneten des Bundestages zu einer Verfassungsklage gegen den ZDF-Staatsvertrag auf.
Mit großer Mehrheit verabschiedete der Fernsehrat eine vom ehemaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) vorgelegte Erklärung. Darin heißt es, der ZDF-Verwaltungsrat habe seine Entscheidungen auf der Basis des Staatsvertrages getroffen. Eventuelle Änderungen an diesem Vertragswerk seien Aufgabe der Länder. Der ZDF-Verwaltungsrat hatte am Donnerstag auf Vorschlag von Intendant Markus Schächter einstimmig den Leiter des Hauptstadtstudios, Peter Frey, zum neuen Chefredakteur gewählt. Dessen Nachfolgerin in Berlin wird die Leiterin der Hauptredaktion Innenpolitik, Bettina Schausten.
Am 27. November hatte das von der Union dominierte Gremium eine Verlängerung von Brenders Vertrag um weitere fünf Jahre blockiert. Die im Fernsehrat gescheiterte Resolution war von der ehemaligen Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) vorgelegt worden. Darin wurde gefordert, nach den Vorgängen der letzten Monate nicht zur Tagesordnung überzugehen. Durch die Ereignisse seien "Zweifel an der Rundfunkfreiheit und der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Fernsehens" genährt worden.
Der Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, Martin Stadelmaier, griff den Wortführer der Union im ZDF-Verwaltungsrat und hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch an. Der CDU-Politiker habe die Ablösung Brenders unter anderem mit dem Hinweis begründet, nach zehn Jahren im Amt sei es für den ZDF-Chefredakteur Zeit für einen Wechsel: "Herr Koch hat diese Maßstäbe an sich und seine Amtszeit nicht angelegt", merkte Stadelmaier an.
Der Mainzer Politiker sprach sich für eine Reform des ZDF-Staatsvertrags durch die Länder aus, mit dem Ziel die Stellung des Intendanten zu stärken. So sollte der Verwaltungsrat die Berufung eines Chefredakteurs oder die Verlängerung seines Vertrages nur noch mit Drei-Fünftel-Mehrheit blockieren können. Heute müssen drei Fünftel der Mitglieder einem Personalvorschlag des Intendanten zustimmen. Im Fall Brender hatten sieben Mitglieder des Verwaltungsrates für eine Vertragsverlängerung und sieben dagegen gestimmt.