Für Lärmforscher hat sogar das Quietsche-Entchen seine Unschuld verloren. «Einmal quietschen macht 105 Dezibel», sagt die Tübinger Hörforscherin Annette Limberger. «Ab 85 Dezibel ist in Betrieben ein Hörschutz vorgeschrieben». Nun sind gelbe Plastikenten keine Gefahr für Leib und Leben. Doch Spielzeug ist einer von vielen unterschätzten Krachmachern, die am «Tag gegen Lärm» (30. April) ins Bewusstsein gerückt werden.
Der Alltags-Krach stresst immer mehr Bundesbürger: Brausender Verkehr, Presslufthämmer, dröhnende Musik oder trampelnde Nachbarn - rund 80 Prozent der Bevölkerung fühlen sich nach Umfragen des Bundesumweltamts inzwischen vom Lärm belästigt.
Besonders Kinder leiden unter den Folgen
15 Millionen Menschen leben nach Schätzungen des Verkehrsclubs Deutschland an zu lauten Straßen oder Schienenwegen, sechs Prozent der Bevölkerung quält Fluglärm. Besonders Kinder leiden unter den Folgen der Schallpegel. Denn Dauer-Krach schädigt nicht nur das Gehör, er kann auch Konzentrationsschwächen und Schlaflosigkeit führen. Eine Studie des Berliner Robert Koch-Instituts kam sogar zu dem Ergebnis, dass Menschen aus Wohngebieten mit starkem Verkehrslärm häufiger wegen Bluthochdruck in Behandlung sind als die Bewohner ruhiger Anlieger-Straßen.
Für Brigitte Schulte-Fortkamp, Professorin für Lärmwirkung an der Technischen Universität Berlin, fängt der Krach oft schon am Telefon an. «Dieses doofe Gedudel in den Warteschleifen, das ist unnötig und oft viel zu laut», sagt sie. Die Musikbeschallung in Supermärkten und Kaufhäusern, der Dauer-Lärmpegel in Großraumbüros, das Summen von Klimaanlagen - all das seien unterschätzte Lärmquellen des Alltags. «Das Fatale am Lärm ist ja, dass jeder Opfer und Täter zugleich sein kann», ergänzt die Wissenschaftlerin.
Mehr Rücksicht aufeinander als erwartet
Mit ihren Studenten hat sie bei einer Studie aber auch positive Entdeckungen gemacht: In den quirligen Kiezen mitten in der Hauptstadt nehmen viele Nachbarn mehr Rücksicht aufeinander als erwartet. «Die laufen nur mit Socken oder Puschen über ihre Holzdielen, und auf Kopfsteinpflaster fahren sie langsamer.»
Während in vielen deutschen Städten Hörgeräteakustiker oder Kliniken Aktionen zum «Tag gegen Lärm» starten, setzt Berlin in diesem Jahr ganz auf die Wissenschaft. Im Workshop «Kinder und Lärm» diskutieren Mediziner, Soziologen, Psychologen und Verkehrsplaner über Risikoabschätzungen. «Sogar in den Brutkästen ist es schon viel zu laut», berichtet Schulte-Fortkamp.
Auch die Audiologin Annette Limberger, die an der Tübinger Uni-Klinik seit zwei Jahren die Schallpegel von Kinderspielzeug misst, war über die Ergebnisse erschreckt. «Kinder halten sich Spielzeug ja direkt ans Ohr», sagt sie. «Noch viel zu selten stehen auf den Verpackungen Warnhinweise, dass dieser Lärm gefährlich ist.» So knallt eine Spielzeugpistole mit bis zu 170 Dezibel. «Im Gegensatz zum Quietsche-Entchen ist das absolut hörschädigend».
Aktion: 15 Sekunden Ruhepause
Mit einer 15 Sekunden währenden Ruhepause um 14.45 Uhr wollten Umweltverbände, Bürgerinitiativen, Wissenschaftler und Ärzte am Mittwoch weltweit auf die Gefahren von Lärm aufmerksam machen. (Internet: Tag gegen Lärm: http://www.tag-gegen-laerm.de)