Abtreibungsverbot in den USA Paar wird in wenigen Wochen ein Kind bekommen – und sie werden mitansehen müssen, wie es stirbt

Abtreibungsverbot: Eine Frau hält ein Ultraschallbild in der Hand
Welche Auswirkungen das Abtreibungsverbot in den USA hat, zeigt die Geschichte der Familie Dorbert (Symbolbild)
© Cavan Images / Imago Images
Oft und viel wurde über die politischen Dimensionen von Abtreibungsverboten in den USA berichtet. Welche Auswirkungen sie auf Einzelschicksale haben, zeigt nun ein Fall aus Florida: Ein Paar wartet auf die Geburt ihres Kindes, nur um mitanzusehen, wie es stirbt.

Wie müssen Eltern sich fühlen, wenn sie den Tod ihres eigenen Kindes mitansehen müssen? Diese Frage werden Deborah und Lee Dorbert aus dem US-Bundesstaat Florida bald beantworten können. In wenigen Wochen werden die beiden ihr zweites Kind bekommen. Und sie werden sich nur kurz nach der Entbindung von ihm verabschieden müssen. Das Ungeborene ist krank, es wird kurz nach der Geburt sterben. Und trotzdem muss Dorbert es austragen. Es ist nur ein Beispiel dafür, welches Schicksal vielen Menschen droht, seit die Bundesstaaten in den USA Abtreibungen einschränken oder verbieten können.

Abtreibungsverbot: Paar aus Florida muss sterbenskrankes Kind bekommen

Seit der mehrheitlich konservativ besetzte Oberste Gerichtshof in den USA ein generelles Recht auf Abtreibung gekippt hat, können die Bundesstaaten selbst über das Abtreibungsrecht entscheiden. Insbesondere in den von Republikanern regierten Staaten hat dies zu großen Einschränkungen für Schwangere geführt. Wie zum Beispiel auch in Florida

Unter anderem die "Washington Post" berichtet vom Fall der Dorberts, der symptomatisch für die Gesetzesänderung in den USA steht: Das Paar war mit ihrem zweiten Kind schwanger, als Ärzte das sogenannte "Potter-Syndrom" diagnostizierten. Die Krankheit beschreibt ein angeborenes Fehlen oder eine starke Unterentwicklung beider Nieren und der Lunge und wird dadurch ausgelöst, dass das Ungeborene von zu wenig Fruchtwasser im Mutterleib umgeben ist. 

Das "Potter-Syndrom" gilt als doppelt tödliche Diagnose für das Kind. Zum einen, weil fehlende oder unterentwickelte Nieren keine Giftstoffe aus dem Körper filtern können. Zum anderen, weil sich die Lungen nicht normal entwickeln können und das Kind ohne die Fähigkeit zu atmen auf die Welt kommt. 

Als ein Mediziner den Dorberts die Diagnose im vergangenen November mitteilte, erklärte er, dass es Eltern gäbe, die die Schwangerschaft dennoch bis zur Geburt durchzögen, andere dagegen würden in einer solchen Situation lieber auf eine Abtreibung zurückgreifen.

Das Paar wollte die Schwangerschaft so schnell wie möglich beenden, da Kinder, die am "Potter-Syndrom" leiden, häufig noch vor der Geburt sterben oder innerhalb weniger Minuten oder Stunden nach der Entbindung ersticken. 

Abtreibungsverbot ab der 15. Schwangerschaftswoche – und nur seltene Ausnahmen

Wie Deborah Dorbert der "Washington Post" erzählte, habe ein Arzt ihr erklärt, dass ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich möglich sei, aber erst zwischen der 28. und 32. Schwangerschaftswoche. Doch seit Juli 2022 sind in Florida Abtreibungen nach der 15. Schwangerschaftswoche generell verboten. Ausnahmen gibt es in nur seltenen Fällen und auch nur dann, wenn zwei Ärzte unabhängig voneinander schriftlich bestätigen, dass der Fötus eine tödliche fötale Anomalie aufweist und die Lebensfähigkeit noch nicht erreicht hat – wie bei den Dorberts.

Wochen zogen ins Land, aber eine Rückmeldung bekamen sie nicht. Immer wieder meldete sich die verzweifelte Mutter im Büro für mütterliche fetale Medizin, in der Hoffnung, bis Weihnachten die Erlaubnis für die Abtreibung zu erhalten. 

Als eine Spezialistin sich endlich meldete, traute Dorbert ihren Ohren nicht. Man sei zu dem Entschluss gekommen, dass sie bis zur 37. Schwangerschaftswoche, und damit de facto bis zum Ende der Schwangerschaft warten müsse, bevor sie die Schwangerschaft beenden dürfe. 

Auf Anfrage der "Washington Post" erklärte die Betreibergesellschaft der Klinik, in der die Dorberts Patienten waren, man halte sich an geltendes Recht des Bundesstaates Florida. 

Gouverneur Ron DeSantis würde Abtreibungsverbot am liebsten noch verschärfen

Durch die strengen Gesetze, die die Republikaner in Florida eingeführt haben, stehen Abtreibungen unter hoher Strafe. Ärzte, die "leichtfertig" einen Schwangerschaftsabbruch bewilligen, müssen sogar mit jahrelanger Haft rechnen. Und Gouverneur Ron DeSantis würde das Gesetz am liebsten sogar noch weiter verschärfen. Anfang des Monats erklärte er, wenn es bestand habe, würde er sofort ein Gesetz unterschreiben, das einen Schwangerschaftsabbruch nach der sechsten Schwangerschaftswoche verbiete. "Wir sind für das Leben", erklärt DeSantis vollmundig

Die Ärzte rieten den Dorberts in einen anderen Bundesstaat zu fahren, der weniger restriktiv gegen Abtreibungen vorgeht. Doch dafür hat die Familie zu wenig Geld. Die Kosten seien zu hoch, ohnehin hätten die beide nur selten in ihrem Leben den Staat verlassen.

Nun müssen sie warten. Warten auf die Geburt eines todgeweihten Kindes, das wenn überhaupt nur wenige Stunden auf dieser Welt sein wird, bevor es erstickt. "Wir verstehen es einfach nicht. Eigentlich sollte es bei den Abtreibungen Ausnahmen geben. Offenbar reicht es in manchen Fällen nicht für eine solche Ausnahme", so Deborah Dorbert. "Es macht mich wütend, dass die Politik darüber entscheidet, was am besten für meine Gesundheit ist."

Die beiden würden alles tun, um das Kind auf die Welt zu bringen und es zu begrüßen, auch wenn es gleichzeitig ein Abschied sein werde. Anschließend werde das Kind palliativ betreut. Zumindest diese Entscheidung wollten sich die Eltern nicht nehmen lassen. "Es war sehr wichtig für uns, dass wir zumindest bei einer solchen Entscheidung diese Kontrolle haben", so Lee Dorbert. Wenn das Kind sterben sollte, so will die Familie es in Erinnerung behalten. Vielleicht durch eine Glasfigur gefüllt mit seiner Asche. "Etwas Beständiges", nur keine Urne. 

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